Nachdem im vorstehenden Artikel das
Bauwerk gewürdigt wird, sollen hier die
verkehrlichen Aspekte etwas genauer beleuchtet
werden. Zuerst muss aber noch auf
einen gravierenden Schwachpunkt der Infrastruktur
hingwiesen werden: die mangelhafte
Ausstattung mit Weichen und Signalen
für abweichende Betriebszustände. Wie
jeder erfahrene Bahnkunde weiß, kommen
solche Abweichungen öfter vor, und dann
wird die wichtigste Nahverkehrsstrecke Mitteldeutschlands
regelmäßig stillliegen.
Auch die Finanzierung des Verkehrsangebots
auf der neuen Mitteldeutschen S-Bahn
gibt zu denken. Dabei wurden Stadt und
Land gegeneinander ausgespielt, weil die
sächsische Landesregierung unfähig war,
für ein gewachsenes Streckennetz auch
aufgestockte Regionalisierungsmittel zu
organisieren. So müssen die sächsischen
Randgebiete schon seit einigen Jahren Streckenstilllegungen
verkraften, und auch für
die nächsten Fahrplanwechsel sind weitere
Einschnitte ins Nebennetz des Landes vorgesehen.
|
Leipzig Hauptbahnhof. Rechts sind die beiden Tunnelmünder im Bau zu erkennen. Die Tunnelstation befindet sich unter der Halle rechts. Foto: Christoph Busse, DB AG |
|
Aufgrund der vollkompatiblen Ausführung
von Strecken und Fahrzeugen sind
bezüglich der Linienführungen jederzeit Anpassungen
an die Entwicklung der Nachfrage
möglich. Ein Blick auf die Streckenkarten
zeigt aber noch ein großes Ungleichgewicht
bei der Erschließung des Leipziger Umlands.
Hier könnten weitere Streckenelektrifizierungen
und Absprachen mit den Nachbarländern
helfen.
Kritisch müssen die Möglichkeiten einer
Angebotsausweitung bei großem Erfolg
gesehen werden, denn die geringe Signaldichte
erlaubt keinerlei Taktverdichtung auf
der neuen Stammstrecke. Auch die mit 140
Metern recht kurzen Bahnsteige ohne Verlängerungsoption
stehen einer Kapazitätsausweitung
im Wege. So bleibt lediglich die
Verlängerung aller Züge auf das Bahnsteigmaß
als mittelfristiges Potenzial – offenbar
rechnen selbst die Bauherren nicht mit einem
dauerhaften Wachstum.
Schließlich muss noch auf die Risiken der
Kombination von S-Bahn-Linien mit langlaufenden
Zügen verwiesen werden. Strecken
bis Hoyerswerda und Zwickau fordern
die Gefahr der unpünktlichen Einfädelung
in die Stammstrecke geradezu heraus.
Auch hier zeigt das Sparen der Regierung
am falschen Ende seine Wirkungen. Aber
nicht nur den S-Bahn-Fahrgästen würde
eine Trennung der zwei Verkehrsaufgaben
helfen, auch die Langstreckenkunden
könnten von einer Aufwertung der Fernpersonenzüge
zum Regionalexpress profitieren.
Insgesamt ist diese neue Strecke aber ein
Gewinn für die Region, und die kleinen Mängel
in der Fahrgast-Information (Halteplatz
der Züge am Bahnsteig Leipzig Hbf) sind
schnell behebbar. (af)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
|