Das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8“,
die Aus- bzw. Neubaustrecke Nürnberg—Erfurt—Halle/Leipzig—Berlin,
ist neben dem
Projekt „Stuttgart 21“ zurzeit Deutschlands
größtes und mit rund 10 Milliarden Euro
auch teuerstes Schieneninfrastrukturprojekt.
Nach jahrelangen Verzögerungen gehen
die Bauarbeiten nun aber im Neubauabschnitt
in die Endphase. Ab Dezember 2015
bzw. 2017 werden viele Bahnkunden von
den deutlich kürzeren Fahrzeiten profitieren.
Allerdings gibt es für viele andere Fahrgäste
einen Verlust von Direktverbindungen bzw.
neue Umsteigezwänge.
Die insgesamt 17 Verkehrsprojekte Deutsche
Einheit (VDE) wurden 1991, wenige
Monate nach der Wiedervereinigung, seitens
der Bundesregierung auf den Weg gebracht.
Das Verkehrsprojekt Nr. 8 ist dabei
das größte der insgesamt neun Schienenprojekte
dieses Programms. Zugleich ist
diese Verbindung Bestandteil des 1996 von
der Europäischen Union initiierten Konzepts
der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TENV),
festgelegt als Projekt Nr. 1 Berlin—München—Neapel—Palermo.
Bedingt durch eine völlig unrealistische
Investitionsplanung im Bereich der Schieneninfrastruktur
gab es beim VDE-Projekt
Nr. 8 allerdings jahrelangen Stillstand bzw.
wurde in nur sehr eingeschränktem Rahmen
zur Erhaltung des Baurechts gebaut. So war
Baubeginn der Neubaustrecke Ebensfeld—Erfurt bereits im April 1996!
Das VDE-Projekt Nr. 8 ist von Süd nach
Nord in folgende Abschnitte gegliedert:
- VDE 8.1: 83 km Ausbaustrecke (ABS) Nürnberg—Ebensfeld
(mit S-Bahn Nürnberg—Forchheim) und 107 km Neubaustrecke
(NBS) Ebensfeld—Erfurt
- VDE 8.2: 123 km Neubaustrecke (NBS) Erfurt—Halle/Leipzig
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VDE 8.3: 187 km Ausbaustrecke (ABS) Halle/Leipzig—Berlin
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Angebotskonzept nach Fertigstellung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE 8) mit deutlich verkürzten Reisezeiten. Grafik: DB AG |
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Fertiggestellt ist seit 2003 der 23 km lange
Neubaustreckenabschnitt Gröbers—Leipzig
mit dem Flughafenbahnhof, des Weiteren
seit 28. Mai 2006 die Ausbaustrecke
Leipzig/Halle—Berlin.
Ende 2015 erfolgt die Inbetriebnahme
des VDE-Teilprojekts 8.2. Der bezüglich der
Trassierung sehr aufwändige Neubaustreckenabschnitt
Ebensfeld—Erfurt (hier waren
22 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 41
km und 29 Talbrücken mit 12 km Länge zu
errichten) geht mit dem Fahrplanwechsel im
Dezember 2017 in Betrieb.
Angebotskonzept von DB Fernverkehr
ab Dezember 2017
Durch die beiden Neubaustrecken werden
in der Relation Nürnberg—Halle/Leipzig
Fahrzeitverkürzungen von 1,5 Stunden
möglich, zwischen Erfurt und Halle/Leipzig
von 0,5 Stunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit
erhöht sich auf der Nord-Süd-Achse von derzeit 115 km/h auf dann 140
km/h.
Das Angebotskonzept von DB-Fernverkehr
sieht folgendes Linienkonzept vor:
Angebot Stunde 1
- ICE-Linie 11:
Berlin—Leipzig—Erfurt—Frankfurt
(Main)—Südwestdeutschland (neue Direktverbindung)
- ICE-Linie 28.1:
Berlin—Halle (Saale)—Erfurt—Nürnberg—München (geplante
Fahrzeit 4:18 Stunden)
Die Reiseketten Magdeburg—München
und Halle (Saale)—Frankfurt (Main) werden
als Umsteigeverbindung hergestellt.
Die derzeitige ICE-Linie 11 erhält den geänderten
Zuglauf Berlin—Kassel-Wilhelmshöhe—Frankfurt (Main) Flughafen. Die
Durchbindung nach München über Mannheim
und Stuttgart entfällt somit.
Angebot Stunde 2
- ICE-Linie 50: Dresden—Leipzig—Erfurt—Frankfurt (Main)
(geplante Fahrzeit ca.
4:15 Stunden)
- ICE-Linie 28.2: Hamburg—Berlin—Leipzig—Erfurt—Nürnberg—München
Als Option ist weiterhin die ICE-Linie 15
Berlin—Halle (Saale)—Erfurt—Frankfurt
(Main) geplant, die ca. 20 Minuten schneller
als die o. g. Taktlinie über Leipzig ist.
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Angebot heute: Achsen mit stündlichem Fernverkehrs-Angebot (z. T. im 30/90-Minuten-Takt), auch kleinere Städte mit ICE-Systemhalt. Zweistündliche Linien ergänzen sich zu stündlichem Angebot. Grafik: DB AG |
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Weiterhin sind in der Relation Berlin—München
Sprinterverbindungen als ICE-Linie
8 vorgesehen, welche lediglich einen
Zwischenhalt in Nürnberg Hbf haben. Die
Züge sind damit rund 30 Minuten schneller
gegenüber den Zügen der Taktlinie 28.1.
Eine Umsetzung erfolgt in Abhängigkeit
von der Nachfrageentwicklung und nicht
zuletzt auch von der Fahrzeugverfügbarkeit.
Bedingt durch die deutliche Fahrzeitverkürzung
wird beispielsweise in der Relation
Berlin—München eine Verdoppelung des
Marktanteils der Bahn prognostiziert. Während
der derzeitige Markt im Wesentlichen
vom Flugzeug abgedeckt wird, besteht
die Chance, dass sich ab 2018 der Anteil
zugunsten der Bahn verschiebt. Sofern
die Prognosen zutreffen, wird die Bahn ab
diesem Zeitpunkt (auch im Vergleich zum
Pkw) in dieser Relation das bevorzugte Verkehrsmittel.
Chancen der neuen Infrastruktur nutzen,
aber nicht auf Kosten umsteigefreier
Direktverbindungen
Unbefriedigend bleibt allerdings die Tatsache,
dass nach Inbetriebnahme o. g.
Neubaustreckenabschnitte viele heute
mit ICE-/IC- Direktverbindungen bediente
Städte ihre Halte im Fernverkehr entweder
komplett oder zumindest aber weitgehend
verlieren. Es entstehen somit spürbare
Angebotslücken. Mit der kompletten
bzw. kurzsichtigen Abschaffung des
InterRegio-Zugsystems sind in der Vergangenheit
bereits erhebliche Angebotsmängel
im Schienenpersonenfernverkehr
entstanden; in nur wenigen Fällen wurde
Ersatz durch andere Fernverkehrsangebote
geschaffen.
Betroffen sind Weißenfels, Naumburg
(Saale), Weimar, Jena, Saalfeld und Lichtenfels.
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VDE 8: Systemlinien auf neuem Laufweg mit Schnittpunkt Erfurt. • Fahrplanwechsel Dezember 2015: VDE 8.2 geht in Betrieb; Ost-West-Achse um ca. 30 Min. beschleunigt – neu 110 km/h statt heute 95 km/h; Weimar verliert Systemhalt; Halt Naumburg nur noch auf Nord-Süd-Achse. • Fahrplanwechsel Dezember 2017: VDE 8.1 geht in Betrieb; Nord-Süd-Achse ca. 90 Min. beschleunigt – neu 140 km/h statt heute 115 km/h; Naumburg, Jena, Saalfeld und Lichtenfels verlieren Systemhalt. • Anschlüsse Fernverkehr: Herstellen Reisekette Magdeburg—München in Halle; Herstellen Reisekette Halle—Frankfurt (Main) in Erfurt; Herstellen stdl. Reisekette Leipzig—München in Erfurt; Herstellen Reisekette Dresden—Erfurt/Hannover in Leipzig. • Anschlüsse Nahverkehr: Herstellen ITF-Knoten in Erfurt (zur Minute 30), Leipzig (zu den Minuten 15 und 45) und Nürnberg (zur Minute 00). Grafik: DB AG |
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In der Relation Jena—Berlin sind seitens
der Deutschen Bahn künftig lediglich noch
zwei Zugpaare in Lastrichtung vorgesehen.
Fraglich ist, ob die Bahnkunden ein derartiges
Sparangebot akzeptieren und ob es
somit dauerhaft erhalten bleibt.
In der Relation Düsseldorf—Kassel—Erfurt
werden künftig drei Zugpaare über
Weimar und Jena ab/bis Gera durchgebunden.
Erfreulich ist dabei die Wiederanbindung
von Gera an den Fernverkehr. Im
Abschnitt Erfurt—Gera wird es analog zum
Nordabschnitt der IC-Linie 56 (im Abschnitt
Bremen—Norddeich Mole) eine Tarif- und
Fahrplanintegration geben, also die Anerkennung
der Nahverkehrstarife in den
Intercity-Zügen.
Noch nicht geklärt ist indes die Anbindung
der Stadt Coburg. Für die Direktanbindung
werden derzeit extra rund 5 km Verbindungsstrecken
von/zur Neubaustrecke
Ebensfeld—Erfurt geschaffen.
Verbesserungsvorschläge
Um weitere Angebotseinschränkungen bzw.
daraus resultierende unattraktive Umsteigezwänge
für die Bahnkunden zu vermeiden,
schlagen DBV und IGEB folgendes Linienkonzept
vor:
ICE-Linie 28.1 Berlin—Halle (Saale)—Erfurt—Nürnberg—München
Führung dieser Linie über Coburg, so dass
die Anbindung der Stadt im 2-Stunden-Takt
gewährleistet wird; durch Flügelzugbildung
in Nürnberg Hbf kann zudem die umsteigefreie
Bedienung sowohl von Augsburg als
auch Ingolstadt ermöglicht werden.
IC-Linie 61 Karlsruhe—Nürnberg
Verlängerung dieser Linie in dem derzeit bestehenden
2-Stunden-Takt über Nürnberg
Hbf hinaus ab/bis Leipzig Hbf mit den Systemhalten
in Erlangen, Bamberg, Lichtenfels,
Saalfeld, Jena Paradies, Naumburg (Saale)
Hbf , Weißenfels.
Damit gibt es weiterhin eine qualitativ
gute Anbindung der von den DB-Angebotsveränderungen
betroffenen Städte – ausgenommen
Weimar.
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VDE-Projekt 8.2 (Erfurt—Halle/Leipzig): Die Bauarbeiten an der Schnellfahrstrecke sind inzwischen weit vorangeschritten. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 erfolgt die Betriebsaufnahme (Bauzustand bei Bad Lauchstädt im April 2014). Foto: Christian Schultz |
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Des Weiteren wird durch diese InterCity-Linie
ein gegenüber dem ICE-Angebot preisgünstigeres
Alternativangebot geschaffen.
Das ist bedeutsam, da man leider davon ausgehen
muss, dass sich die Deutsche Bahn
den nach Inbetriebnahme des VDE-Projekts
8 erzielbaren deutlichen Fahrzeitvorteil
durch ebenso deutliche Fahrpreissteigerungen
beim ICE-Angebot bezahlen lässt.
Zum Vergleich: Auf der für 230 km/h ausgebauten
Bahnstrecke Berlin—Hamburg
kostet die einfache Fahrt in der 2. Klasse
(Normaltarif) mittlerweile 78 Euro im ICE,
dagegen im IC/EC „nur“ 64 Euro. Nicht zuletzt
vor dem Hintergrund des derzeitigen
Fernbusbooms ist daher der Erhalt bzw. die
Schaffung einer kostengünstigeren Alternative
zum ICE mithilfe des InterCity-Zugsystems
dringend geboten.
IC-Linie 56 Norddeich Mole—Emden—Oldenburg—Hannover—Magdeburg—Leipzig
Auch diese Linie kann (alternativ, ggf. ergänzend
zur IC-Linie 61) im 2-Stunden-Takt über
Leipzig Hbf hinaus ab/bis Nürnberg Hbf über
Weißenfels—Naumburg (Saale) Hbf—Jena
Paradies—Saalfeld—Lichtenfels—Bamberg—Erlangen verlängert werden.
Sinnvolle Linienverlängerungen über
Nürnberg hinaus sind einerseits die Durchbindung
ab/bis Stuttgart über Crailsheim,
andererseits ab/bis Passau über Regensburg.
Beide Linienäste können dabei im
Wechsel bedient werden.
In der Relation Leipzig—Jena—Saalfeld—Nürnberg
bzw. über die benannten Endpunkte
hinaus besteht aber auch die Chance,
dass ein anderes Eisenbahnverkehrsunternehmen
alternativ zur Deutschen Bahn ein
Fernverkehrsangebot auf der Schiene aufbaut.
Der Fernverkehr auf der Schiene muss
schließlich nicht zwangsläufig nur durch die
DB gestaltet werden!
Deutscher Bahnkunden-Verband
IGEB Fernverkehr
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