Wichtige, im Bundesinteresse liegende Zulaufstrecken auf Berlin wurden
oder werden im Zuge der "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" oder des
Bundesverkehrswegeplanes ausgebaut, so die Hauptbahnen von Berlin nach
Wittenberge - Hamburg, Stendal - Hannover, Potsdam - Magdeburg, Belzig -
Magdeburg, Jüterbog - Halle/Leipzig, Elsterwerda - Dresden und Fürstenwalde -
Frankfurt (Oder). Weitere Hauptstrecken mit Fern Verkehrsanteil fuhren von
Berlin nach Neustrelitz - Rostock, Angermünde - Stralsund/Stettin, Cottbus -
Görlitz sowie von Frankfurt (Oder) über Cottbus nach Leipzig und sind
teilweise im Bundesschienenwegeausbaugesetz berücksichtigt.
Die vom Bund schon abgeschlossenen oder vorgesehenen Investitionen
betragen zusammengefaßt für Brandenburg etwa 5,5 Milliarden DM.
Drei Strecken sind als sogenannte "Musterstrecken" der Altlastensanierung
auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Reichsbahn (22 Deutsche Bahn
Gründungsgesetz) vom Bund und dem Land Brandenburg ausgewählt worden:
- Angermünde - Schwedt,
- Berlin - Strausberg - Küstrin,
- Hennigsdorf - Neuruppin (- Wittenberge), der sog. Prignitz-Express.
Der Investitionsbedarf beträgt hier 481 Mio DM.
Ob der Bund die gesamte Summe bereitsteilt und die Mittelfreigabe
kurzfristig erfolgt, scheint aufgrund erster Erfahrungen vor allem
beim Prignitz-Express eher unwahrscheinlich.
Damit investiert der Bund direkt in Strecken mit insgesamt höchstens
1.009 km Streckenlänge - das sind 37% des brandenburgischen
Bahnnetzes mit SPNV-Leistungen im Regionalverkehr.
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Foto: Betke und Beeking |
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Auch auf der Scharmützelseebahn zwischen Fürstenwalde (Spree) und Beeskow - hier am Bahnhof Bad Saarow-Pieskow - sind bisher keine Infrastrukturinvestitionen erfolgt. So zuckelt derTriebwagen mit 30 bis 50 km/h über alte Gleise. Viele Bahnübergänge sind ungesichert, andere müssen manuell bedient werden. Foto: Stephan Müller |
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Bei allen weiteren Investitionsmaßnahmen, die zur Umsetzung des SPNV-Planes
des Landes Brandenburg notwendig sind
(s. SIGNAL 5 und 7/96 ),
ist heute die Finanzierung nicht absehbar. Die im Nahverkehrsplan
ausgewiesenen Maßnahmen mit prioritärem Charakter umfassen Investitionen
von 491 Mio DM. Hier erhofft sich die Landesregierung eine Einstellung in
den Finanzierungsplan 1998-2002 nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz -
heute ebenfalls nicht mehr als ein Wunschzettel eines Bettlers an einen
Weihnachtsmann mit schmalem Sack.
Für die nicht in diese Liste aufgenommenen Strecken mit 1.061 km
Streckenlänge, die jedoch im SPNV-Linienkonzept 2001 aufgeführt sind,
besteht nach heutiger Lesart keine Chance auf Mittelzuweisungen für
Investitionen. Zu diesen Strecken gehören die weiteren, meist tangentialen
Hauptbahnen und diejenigen Nebenbahnen, die für die Auffechterhaltung der
regionalen Schienennetze notwendig sind. Allein dort wären nochmals etwa
290 Mio DM Investitionen in die Infrastruktur nötig.
Regionalisierungsmittel fehlgeleitet
Auf den Strecken mit Bundesinvestitionen wurden für das Fahrplanjahr
1996/97 zwischen dem Land Brandenburg und der DB AG etwa 16 Mio Zugkilometer
vereinbart (inklusive Teilstreckennutzung und SEV). Bei einer
Gesamtbestelleistung von 31 Mio Zugkilometem entfallen somit 15 Mio
Zugkilometer auf Strecken ohne Bundesinvestitionen. Diese Strecken
binden damit bei einem aktuellen Zuschußbedarf von 17,37 DM pro Zugkilometer
SPNV-Leistungen mit einem Zuschußbedarf von insgesamt 260,6 Mio DM.
Die Trassenkosten umfassen davon bei einem durchschnittlichen Trassenpreis
von 8 DM pro Zugkilometer etwa 120 Mio DM. Setzt man von diesem Betrag die
Hälfte für den laufenden Instandhaltungsaufwand sowie die Personal- und
Verwaltungskosten des DB-Bereiches Netz ab, verblieben ca. 60 Mio DM, die
für Investitionen zur Verfügung stehen müßten. Doch genau diese Investitionen
finden nicht statt! Das bedeutet im Klartext, daß das Land Brandenburg zwar
indirekt über die SPNV-Vereinbarung mit dem DB-Regionalverkehr Netzleistungen
bestellt, jedoch für 60 Millionen DM keine nachvollziehbaren Gegenleistungen
erhält.
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Noch lange nicht fit für den Verkehrsverbund. Zwar gestaltet die Stadt Angermünde zur Zeit ihren Bahnhofsvorplatz inklusive Busbahnhof um, das Bahnhofsgebäude selbst steht allerdings wie ein fauler Zahn am Platz. Die Akzeptanz des Verbundes durch die Bürger hängt jedoch unter anderem von einer attraktiven baulichen Gestaltung der Schnittstellen zwischen Bahn und Bus ab. Foto: Stephan Müller |
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Hauptursache ist die interne Verwendung der eingenommenen Trassengelder im
DB-Bereich Netz. Investitionen werden eben nicht jeweils dort getätigt, wo
Einnahmen in Form von Trassengeldern entstehen, sondern in einer "Black Box"
gesammelt und für Schlüsselprojekte nach DB-Interessen - also vor allem für
lukrative Fernverkehrsstrecken - verwendet. Dies ist aus der unternehmerischen
Sicht der DB AG verständlich. Nicht hinnehmbar ist jedoch die Duldung durch
Bundesländer wie Brandenburg, wo somit ein hoher Anteil (1997 mehr als 10%)
der ohnehin knappen Regionalisierungsmittel außer Landes verschenkt und
zweckentfremdet durch die DB AG verwendet wird. Hinzu kommt, daß diese
fehlgeleiteten Steuergelder ab 1998 jährlich steigen, da der
SPNV-Nahverkehrsplan des Landes Brandenburg auf vielen Strecken -
erfreulicherweise! - deutliche Mehrleistungen vorsieht. Damit steigen der
pauschale Zuschußbedarf und die anteiligen Trassenkosten.
Das Ziel, eine möglichst ausgewogene Infrastrukturentwicklung zu erreichen,
wird nur erreicht, wenn eine grundsätzliche Änderung der Mittelvergabe
durch den Besteller Land erfolgt.
Das Finanzierungsmodell des Bahnkun- den-Verbandes Brandenburg
Ausgehend von den Webfehlern der heutigen Netzfinanzierung müssen
bei einer Neuregelung im Interesse des Landes Brandenburg folgende
Ziele verfolgt werden:
- Das Land trifft SPNV-relevante Investitionsentscheidungen beim Netzausbau;
- Reinvestierung von im Land Brandenburg eingenommenen
Trassengeldern;
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Größtmögliche Transparenz beim Netzausbau mit Regionalisierungsmitteln;
- Förderung des Wettbewerbs auf der Schiene durch geeignete
Rahmenbedingungen bei der Fahrwegnutzung;
- Förderung der Gründung regionaler oder kommunaler Fahrweggesellschaften.
Erreicht werden soll quasi die von der Verkehrsleistung unabhängige
"Netz-Bestellung" mit geforderten Standards durch den SPNV-Aufgabenträger
Land.
In der praktischen Umsetzung kann ein solches Modell wie folgt aussehen:
1. Das Land schließt nach Maßgabe seines SPNV-Planes mit dem DB-Bereich
Netz eine bzw. mehrere Netzbetriebsvereinbarungen. In diesen sind der Umfang
und die Kosten der Schienenwegeinvestitionen
und des Netzbetriebes (inklusive Instandhaltung) geregelt. Als abgrenzbare
und überschaubare "Betriebseinheiten" werden dabei die im Konzept des
Bahnkunden-Verbandes Brandenburg e. V. vorgestellten Regionalnetze
vorgeschlagen.
2. Zur Finanzierung der Investitionen und des Netzbetriebes stellt
das Land dem Netzbetreiber Mittel bereit. Die Summe dieser Mittel entspricht
exakt der Höhe der Trassenkosten, die die vom Land bestellten SPNV-Betreiber
an den DB-Be- reich Netz zu zahlen hätten.
3. Die Höhe des Zuschußbedarfes, den das Land an die SPNV-Betreiber
zahlt, wird genau um die Höhe der entstehenden Trassenkosten gekürzt.
Das Land gibt also keinen Pfennig mehr als heute aus.
Effektiv bedeutet dies, daß das Land somit den SPNV-Betreibern die
Trassenkosten abnimmt, also direkt den Netzausbau und -betrieb beeinflußt
und finanziert. Damit wäre auch ein grundlegender "Geburtsfehler" der
Bahnreform ausgeräumt: Das Land übernimmt trotz fehlender Eigentumsbindung
mittelbar die Verantwortung für die regionale Schieneninfrastruktur -
vergleichbar mit der Aufgabenträgerschaff für die Landstraßen. Dies ist
eine grundlegende Voraussetzung für die Liberalisierung und Chancengleichheit
sowohl innerhalb des gesamten Verkehrsmarktes als auch zwischen den
zukünftigen Wettbewerbern von SPNV-Verkehrsleistungen. Der Zeitpunkt für die
schnelle Umsetzung des neuen Finanzierungsmodelles ist naheliegend:
Im Frühjahr 1997 schließt das Land Brandenburg mit der Deutschen Bahn
AG einen neuen Leistungsvertrag ab!
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Noch immer sind keine Mittel für den gleistechnischen Umbau des Bahnhofes Strausberg bereitgestellt. Das Gleis, das hier der Güterzug befährt, wird auch gleichzeitig durch die S-Bahn-Züge von und nach Strausberg Nord sowie die Regionalbahn 25 von und nach Küstrin genutzt und ist deshalb ein gravierender Engpaß für die Fahrplangestaltung. Foto: Stephan Müller |
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Was passiert nun, wenn der DB-Bereich Netz nicht zur Kooperation mit dem
Land bereit ist? Dann liegt es erst recht im Interesse des Landes wie
auch der Verkehrsunternehmen, egal ob DB-Regionalverkehr oder
nichtbundeseigene Eisenbahnen, die Schienenwege kostenfrei in eine regionale
Betreiberschaff zu überführen. Dies lassen die Bahnreformsgesetze (Artikel 1, 26)
ausdrücklich zu. Die Finanzierung erfolgt analog zum oben genannten Modell.
Durchaus möglich ist es dabei, daß der regionale Netzbetreiber
gleichzeitig auch Anbieter von Verkehrsleistungen ist. Dadurch sind sogar
zusätzliche kostenentlastende Synergieeffekte nutzbar (siehe nebenstehende
Grafik).
Modellfall Regionalnetz Prignitz
Am Beispiel des regionalen Schienennetzes in der Prignitz soll konkret
die Finanzierbarkeit des Netzausbaus und -betriebs nachgewiesen werden.
Das Regionalnetz Prignitz umfaßt die Nebenbahnen Wittenberge - Wittstock -
Neuruppin, Neustadt (D) - Pritzwalk - Meyenburg, Wittstock - Dranse und
Pritzwalk - Putlitz mit insgesamt 247 km Streckenlänge.
Laut SPNV-Vereinbarung zwischen dem Land Brandenburg und der DB AG umfassen
im Fahrplanjahr 1996/97 die SPNV-Leistungen 1,25 Mio Zugkilometer. Der
jährliche Zuschußbedarf beträgt 17,37 DM pro Zugkilometer, somit 21,6 Mio DM.
Bei einem durchschnittlichen Trassenpreis von 8 DM pro Zugkilometer sind
davon also 6 Mio DM Fahrweganteil. Auf all diesen ecken erfolgten jedoch
in den letzten Jahren keine grundlegenden Investitionen. Auch in Zukunft
würde sich daran unter bestehenden Bedingungen nichts ändern, es sei
denn, daß die - allerdings äußerst vagen - Planungen für den Nordast
des Prignitz-Expresses vorankämen.
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Grafik: DBV Brandenburg |
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Alle Bahnstrecken sind weiterhin im Linienkonzept des SPNV-Nahverkehrsplanes
des Landes enthalten. Durch dort enthaltene Angebotsverbesserungen soll der
Umfang der SPNV-Leistungen in den nächsten Jahren auf jährlich 1,94 Mio
Zugkilometer steigen. Der Zuschußbedarf steigt dann auf 31,6 Mio DM, der
Fahrweganteil auf 13,43 Mio DM. Bei letzterem ist unter anderem das
DB-Angebot berücksichtigt, "nur" einen ermäßigten Trassenpreis von 5 DM
pro Zugkilometer bei bestellten SPNV-Mehrleistungen zu verlangen.
Schätzt man nun die "echten" Kosten für den Ausbau, die Instandhaltung
und den Betrieb des Fahrwegs auf dem Regionalnetz Prignitz ab, ergeben
sich interessante Relationen. Ausgehend von einem strikt rationalisierten
Netzbetrieb, getätigten Rationalisierungsinvestitionen und einem
Streckenausbau auf mindestens 80 km/h sowie der bedarfsgerechten
technischen Sicherung der Bahnübergänge entstehen jährliche Fahrwegkosten
von ca. 9,7 Mio DM (inklusive Abschreibungen).
Das bedeutet, daß die heute gezahlten Fahrweganteile den Aufwand decken,
wenn diese genau den Strecken zugeordnet würden, wo sie entstehen. Erst
recht ist die Finanzierung abgesichert,
wenn der SPNV-Nahverkehrsplan umgesetzt wird. Es verbleibt sogar Spielraum
für weitere Investitionen zur Steigerung der Streckengeschwindigkeit.
Deutscher Bahnkunden-Verband Brandenburg e.V.
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