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Stellen Sie sich vor, Ihr Wohnungsvermieter meldet sich im Februar mit der
Mitteilung, neue Rohre verlegen zu müssen. Eine Woche, nachdem die Bauarbeiter
weg sind, werden die Wände wieder aufgestemmt, um neue Elektroleitungen zu
legen. Sie haben den Staub gerade beseitigt, da hat er wieder etwas Geld
übrig und baut neue Fenster ein. Jetzt denken Sie, ist es aber langsam genug.
Aber nein, einen Monat später stehen wieder Bauarbeiter vor der Tür und
verlegen noch ein paar Meter Wasserrohr und Elektroleitung neu, weil damals
das Geld nicht reichte. Spätestens jetzt werden Sie sich nach einer neuen
Wohnung umsehen, vielleicht auch die Zeitung oder das Fernsehen bemühen.
Nachdem das Fernsehen weg ist und der Vermieter Besserung gelobt hat,
steht wieder ein Bautrupp vor der Tür und stemmt Wände auf. Wie würden
sie jetzt reagieren?
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Beispiel für unkoordinierte Bauabläufe: Die erst vor zwei Jahren erneuerten Gleise an der Brunnen-/Invalidenstraße werden zur Zeit gerade wieder herausgerissen. Der Straßenbahnverkehr ist erneut unterbrochen, dieses Mal für mindestens drei Monate. Foto: Norbert Stegemann |
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Oder stellen Sie sich vor, Sie wohnen in der Danziger oder der Warschauer
Straße und benutzen mehr oder weniger oft die Straßenbahn. Die Linie 20 zum
Beispiel, um mal ein völlig willkürlich gewähltes Beispiel zu verwenden. In
verschiedenen Abschnitten wurden zwischen 1988 und 1990 die Gleise von
Danziger Straße/Lychener Straße bis Bersarinplatz erneuert. 1994 wurde der
Ersteinsatz von Niederflurwagen konkret, wofür vor allem eine Anpassung der
Bahnsteigkanten erforderlich war. Obwohl bei Straßenbahngleisen von einer
Liegedauer von mindestens 20 Jahren ausgegangen wird, erfolgte umfangreicher
Gleisbau auf den erst vier bis sechs Jahre alten Abschnitten. Zum Teil gab es
Qualitätsmängel aus DDR-Zeiten, zum Teil sollten Anpassungsarbeiten und
Streckenkorrekturen erfolgen. Interessanterweise wurde der eigentlich am
ehesten bedürftige, auf Großverbundplatten liegende Abschnitt in der
Warschauer Straße ausgelassen. Erneute wochenlange Sperrungen
der Linie 20 mußten sich die Fahrgäste in den letzten zwei Jahren gleich
mehrfach gefallen lassen, obwohl mit der Sperrung von 1994 der Eindruck
erweckt wurde, man habe jetzt eine Zeitlang Ruhe. Aber Fehlanzeige. So
wurde die Linie alleine wegen des Umbaues der Kreuzung
Danziger Straße/Landsberger Allee wochenlang gesperrt, dann
nochmals wegen Gleisbauarbeiten an der Wendeschleife Revaler Straße.
Neuester Beweis für das offenbar kopflose Vorgehen im Berliner Baugeschehen
ist die Baustelle Brunnenstraße/Invalidenstraße, seit 3. März "bis auf
weiteres" - ein Vierteljahr mindestens. Angekündigt, wie meistens, quasi von
einem Tag auf den anderen. Infoblätter mit den Umleitungen gab es erst Tage
nach Beginn der Maßnahme. Interessanterweise wurden die betroffenen Linien
6, 8 und 50 in den vergangenen zwei Jahren schon mehrfach wegen kleinerer
Gleisbaustellen wochenlang umgeleitet. Spätestens hier muß die
Frage gestellt werden, ob in Berlin tatsächlich von einem Tag auf den
anderen geplant und gebaut wird, oder ob es im Interesse der betroffenen
Fahrgäste nicht tatsächlich möglich gewesen wäre, alle diesen Abschnitt
betreffenden Baumaßnahmen in einer Sperrpause abzuarbeiten. An der Kreuzung
Invalidenstraße/Brunnenstraße wurden ziemlich neue Bogengleise wieder
entfernt, da die Gleislage in der Brunnenstraße verändert wird.
Wußte man das bei der letzten Baumaßnahme nicht?
Ein interessanter Aspekt kommt hinzu: die üppigen Kosten für den
Schienenersatzverkehr. Einer Veröffentlichung des BVG-Unternehmensbereichs
Omnibus im BVG-Signal war zu entnehmen, daß alleine 1995 für die Straßenbahn
1.646.523,9 Kilometer Schienenersatzverkehr gefahren wurden. Insgesamt wurden
für Schienenersatzverkehr (einschließlich S- und U-Bahn) 24 Millionen DM
eingenommen. Rechnet man noch die nicht geringen Leistungen privater
Busbetriebe hinzu, wird deutlich, um welche Größenordnungen es hier geht.
Interessanterweise erklären andere Verkehrsbetriebe, sich
Schienenersatzverkehr gar nicht leisten zu können. Es fällt auch schwer zu
glauben, daß die Verwendung von Kletterweichen oder ein Rangierbetrieb über
an fast allen Kreuzungen vorhandene Gleisdreiecke in Berlin teurer sein
sollen als der SEV.
Hinzu kommen z.T. große Belastungen wie Zeitverlust, zusätzliches Umsteigen
und Orientierungsprobleme, die den oft verblüffend geduldigen BVG-Fahrgästen
in einigen Relationen mit wiederkehrender Regelmäßigkeit aufgebürdet
werden. Auch hier liegt ein Grund für die sinkenden BVG-Fahrgastzahlen.
Zu den genannten Beispielen können noch einige hinzugefügt werden: Hackescher
Markt, Friedrichstraße, Schönhauser Allee, Landsberger Allee zwischen
Otto-Braun-Straße und Danziger Straße, Schöneweide - Köpenick,
Wendenschloßstraße. In all diesen Bereichen ist regelmäßig wiederkehrender
Schienenersatzverkehr nichts Außergewöhnliches, erneute Sperrungen sind schon
in Sicht. Sicher, es ist schwer, eine Koordination aller anstehenden
Bauarbeiten vorzunehmen, da vielfach auch andere Maßnahmen im Untergrund unter
den Gleisen anstehen: Wasserleitungen, Gas, Telefon und, und, und. Hier muß
seitens der betreffenden Senatsverwaltungen mehr und effektiver koordiniert
werden, schon um die Kosten niedrig zu halten. Alljährlich wiederkehrende
Auswirkungen des "Dezemberfiebers", die eine offenbar ziellose Häufung von
Streckensperrungen zur Folge hatten, sind immer noch ein Beweis für das völlig
uneffektive Wirtschaften öffentlicher Auftraggeber. Gewiß agierte man auch
unter dem Druck der Unberechenbarkeit politischer Entscheidungsabläufe, die
offenbar die BVG veranlaßten, vor allem im Innenstadtbereich mehrere
Baustellen zu eröffnen, unter dem Motto: besser jetzt überall als später
nirgends. Die Umbauten am Hackeschen Markt wären zum Beispiel im Zusammenhang
mit der Anbindung der Neubaustrecke Alexanderplatz möglich gewesen, hierbei
sind ohnehin wieder Streckensperrungen nötig. Oder ist die schon von den
laufenden Betriebskosten her günstigere
Neubaustrecke etwa still und leise zu den Akten gelegt worden?
Ein Aspekt sollte noch erwähnt werden: Den Fahrgästen wird gerne suggeriert,
mit den stattfindenden Bauarbeiten bessere sich ja nun alles, und die
Belastungen seien nur vorübergehend. Nur ist es ja eigentlich normal, daß auf
Verschleiß, Einwirkungen des Straßenverkehrs usw. mit mehr oder weniger
umfangreichen Instandsetzungsarbeiten reagiert werden muß. Und diese fallen
in gewissen Zyklen an. Wer das Verkehrssystem Schiene in seiner speziellen
Berliner Variante schon länger kennt, weiß aus Erfahrung, daß
Schienenersatzverkehr, Umleitungen oder sonstige Einschränkungen seit langer
Zeit dazugehören. Mit schöner Regelmäßigkeit werden bestehende Angebote
entwertet durch Umsteigezwänge oder gar völligen Fortfall von Verbindungen.
Derart häufige Betriebsunterbrechungen, wie sie in Berlin üblich sind, leisten
sich andere Betriebe schon im Hinblick auf den entstehenden Akzeptanzverlust
nicht. Neue und vor allem bessere Ideen sind daher gefragt, wie man solche
notwendigen Bauarbeiten bewältigt. Das Instrumentarium ist alt und wird
andernorts längst praktiziert. Stichworte: Kletterweichen, Einsatz von
Zweirichtungswagen, Notgleise, Arbeiten in den Betriebspausen.
* Titel eines aktuellen Berliner Kinohits, in dem eine lahme
Berliner Tram eine nicht unwesentliche Rolle spielt.
IGEB
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