Die Fahrzeugkapazität ist auch in der neuen
Fahrplanperiode unzureichend. Die Inbetriebnahme
von acht der bereits im Dezember
2008 (!) bestellten 17 neuen ICE-Mehrsystemzüge
der Baureihe 407 (VELARO D von
Siemens) führt noch zu keiner wesentlichen
Verbesserung der angespannten Situation.
Des Weiteren hatte die Deutsche Bahn im
Dezember 2010 bei Bombardier Transportation
135 IC-Doppelstockwagen mit Fernverkehrskomfort
sowie 27 Lokomotiven der Baureihe
146.2 im Wert von rund 360 Millionen
Euro bestellt. Auch bei diesem Auftrag sind
mittlerweile erhebliche Verzögerungen bei
der Fertigung bzw. Zulassung zu verzeichnen;
die Verfügbarkeit der ersten Zugeinheiten
ist nun auch für 2015 noch unsicher.
Angesichts der boomenden Fernbuskonkurrenz
sind derartige Rahmenbedingungen
für die Bahn mehr als ärgerlich.
Die wesentlichen Fahrplanänderungen
zum 14. Dezember 2014 sind nachfolgend
zusammengefasst.
IC-/EC-Linie 27 Hamburg—Berlin—Prag/Budapest
Zwischen Berlin Hbf und Dresden Hbf betragen
die Fahrzeiten auch weiterhin 2:06 Stunden.
Mit einer seit Jahren überfälligen Attraktivitätssteigerung,
d. h. einer spürbaren Fahrzeitverkürzung,
ist voraussichtlich erst Ende 2017 zu
rechnen. In dieser Relation werden die parallelen
Fernbusangebote somit auch weiterhin für
erheblichen Konkurrenzdruck sorgen.
Die bislang bestehende umsteigefreie
Direktverbindung mit dem EC-Zugpaar
172/173 Hamburg—Berlin—Prag—Wien—Villach ist entfallen. Zwischen Prag und
Wien wurde das Angebot zugunsten eines
reinen RailJet-Verkehrs im 2-Stunden-Takt
umgestellt. Dass diese traditionelle Verbindung
aufgegeben wurde, kann nicht zufriedenstellen.
Die Übergangszeit beim nun erforderlichen
Umsteigen in Prag beträgt 1:17
Stunden – das ist sehr unattraktiv.
Die schnellste Verbindung zwischen Berlin
Hbf und Wien Hbf im neuen Fahrplan beträgt
9:06 Stunden mit Umstieg in Breclav. Bei dieser
Verbindung ist die Umsteigezeit mit gerade einmal
3 Minuten allerdings sehr knapp bemessen.
Das EC-Zugpaar 178/179 Rostock—Berlin—Prag verkehrt im Sommer an Sonnabenden
von/nach Warnemünde: Ankunft
13.47 Uhr, Abfahrt 14.07 Uhr. Mit der tschechischen
Bahn wurde des Weiteren in einem
entsprechenden Kooperationsvertrag vereinbart,
auf dieser Linie ab Dezember 2015
modernisierte Wagen einzusetzen.
IC-Linie 35 Norddeich Mole/Emden—Köln—Koblenz—Trier—Luxemburg
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Die IC-Doppelstockwagen (TWINDEXX Vario) sollten ursprünglich zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2013 zur Verfügung stehen. Lieferverzögerungen verhindern auch in diesem Fall eine Erhöhung der Fahrzeugreserve im Fernverkehr. Foto: Christian Schultz |
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Die letzten beiden InterCity-Zugpaare sind
zwischen Koblenz und Luxemburg entfallen.
Wesentlicher Grund dafür ist die im Rahmen
des „Rheinland-Pfalz-Taktes 2015“ erfolgte
Verdoppelung der Regionalexpress-Leistungen
in dieser Relation. Das Alternativmodell,
das eine Integration der Fernverkehrsleistungen
in den Regionalverkehr vorsah, analog
der Strecke Norddeich/Emden—Bremen,
wurde leider nicht realisiert. Unbefriedigend
sind bei der jetzigen Lösung die zusätzlichen
Umsteigezwänge in Koblenz. Derartige Angebotskonstruktionen
sind wenig fahrgastfreundlich
– für Familien ebenso wie für die
wachsende Zahl alter Menschen.
ICE-/EC-Linie 75 Hamburg—Lübeck—Kopenhagen
In der Hochsaison verkehrt täglich ein zusätzlicher
EuroCity in der Relation Hamburg
Hbf (ab 11.28 Uhr)—Kopenhagen (an 16.11
Uhr). In der Nebensaison (April, Mai, September)
entfällt unter der Woche die Durchbindung
des Zugpaares IC 2220/2221 auf die
Insel Fehmarn. Start- bzw. Zielbahnhof ist
dann Lübeck Hbf.
IC-Linie 77 Berlin—Hannover—Amsterdam
Diese IC-Linie erhält während des Zeitraums
der Bundesgartenschau (18. April bis 11. Oktober
2015) einen zusätzlichen Halt in Rathenow
im Land Brandenburg. Leider wurde die
Chance nicht genutzt, diesen Halt über die
gesamte Fahrplanperiode anzubieten und
damit die Kundenakzeptanz zu testen.
Ab Ende März bis Ende Oktober 2015
verkehrt IC 240 bereits ab Hannover nach
Amsterdam (sonntags) bzw. IC 241 von Amsterdam
über Bad Bentheim nach Hannover
(sonnabends).
EC-Linie 99 Hamburg—Lüneburg—Stendal—Berlin—Wrocław
Wie bereits in SIGNAL 4/2014 berichtet, wird
der EC 248/249 zum Fahrplanwechsel eingestellt.
Mit dem Fernbus-Angebot (IC-Bus) hat
die Deutsche Bahn leider wesentlich zum
Fahrgastverlust beigetragen, obwohl der
Bus ursprünglich als Angebotsergänzung
vorgesehen war. Durch die bis zum Schluss
völlig unattraktiven Fahrzeiten der EC-Verbindung
war das Ende absehbar, denn zwischen
Berlin Hbf und Wrocław benötigt der
EuroCity 5:03 Stunden, der Fernbus dagegen
lediglich 4:14 Stunden. So tragen auch die
politischen Rahmenbedingungen erheblich
zu dieser Fehlentwicklung bei, indem beim
Ausbau der Infrastruktur stets dem Straßenverkehr
Priorität eingeräumt wird.
Erfreulich ist der zumindest teilweise Ersatz
dieser Verbindung im Abschnitt Berlin—Stendal—Salzwedel—Hamburg durch ein
IRE-Zugpaar. Solange zwischen Berlin und
Wrocław erhebliche Infrastrukturmängel
bestehen, ist es zudem fraglich, ob der EuroCity
tatsächlich die richtige Angebotsform
darstellt. Preisgünstigere und komfortable
IRE-Verbindungen dürften sowohl vielen
polnischen als auch deutschen Fahrgästen
entgegenkommen. Deshalb sollte mit der
Durchbindung u. a. des genannten IRE-Zugpaars
ab/bis Wrocław ein interessantes
neues Angebot auf der Schiene geschaffen
werden.
ICE-Linie 10 Berlin—Köln, IC-Verstärker-Linie 32
Auf dieser nachfragestarken Linie gibt es
unter der Woche weitere IC-Verbindungen.
Schwerpunktmäßig für Pendler in bzw. aus
Richtung Wolfsburg verbessern zusätzliche
ICE- bzw. IC-Halte das Angebot in Tagesrandlage.
ICE-Linie 47 Dortmund—Stuttgart
Mit Inbetriebnahme der ersten neuen Fahrzeuge
der ICE-Baureihe 407 können zumindest
zwei Zugpaare auf der ICE-Linie 47 angeboten
werden. Dies schafft eine dringend
benötigte Entlastung für die ICE-Linie 42
Dortmund—Köln—München.
ICE-Linie 28 Hamburg/Rostock—Berlin—Nürnberg—München
An Sonnabenden verkehrt ICE 1208 Innsbruck—München—Berlin weiter nach Rostock
(an 17.23 Uhr) bzw. Warnemünde, an
Sonntagen ICE 1611 ab Warnemünde über
Berlin nach München. Damit wird die bisherige
Angebotslücke am Wochenende geschlossen.
Insgesamt bleibt das Angebot im
Fernverkehr (aber auch im Regionalverkehr)
zwischen Berlin und Rostock/Warnemünde
angesichts eines Streckenausbaus für rund
850 Millionen Euro sehr unbefriedigend.
Sonstiger Tagesreisezugverkehr
bzw. Einzelzüge
Eingestellt wurde das IC-Zugpaar Karlsruhe—Worms—Frankfurt
(Main). Die freitags
bzw. sonntags verkehrende Verbindung
IC1948/1951 „Kyffhäuser“ von Frankfurt
(Main) nach Halle/Leipzig über Kassel und
Nordhausen wurde ebenfalls ersatzlos eingestellt.
Begründet wurde dies in beiden
Fällen mit unzureichenden Fahrgastzahlen.
Die ICE-Linien der Relationen Hamburg—München,
Berlin—München und Essen—Frankfurt (Main)—München werden im
Abschnitt Nürnberg—Ingolstadt—München
um 10 bis 15 Minuten beschleunigt. Ermöglicht
wird das durch das Ende der Bauarbeiten
zwischen München und Ingolstadt.
Dadurch können die Anschlüsse zwischen
der ICE-Linie 41 aus Richtung Essen—Frankfurt
(Main) und der EC-Linie 62 Frankfurt
(Main)—Stuttgart—Klagenfurt in München
Hbf in beide Richtungen wiederhergestellt
werden.
Nachtreisezugverkehr
Besonders negativ ist die Entwicklung im
Nachtreisezugverkehr. Mit dem Fahrplanwechsel
gehört die CNL-Verbindung Berlin—Paris der Vergangenheit an. Entfallen
werden damit auch die Wagengruppen
Hamburg—Paris und München—Paris.
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Ungleiche Kostenbelastungen zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Luft schwächen den Bahnverkehr und führen zur Einstellung auch von Nachtzügen. DB Fernverkehr versicherte jetzt aber, den Nachtzugverkehr nicht gänzlich einstellen zu wollen. Vielmehr arbeite man an einem neuen Konzept. Foto: Christian Schultz |
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Bereits vor dem Fahrplanwechsel wurde
die Verbindung Basel—Frankfurt (Main)—Hamburg—Kopenhagen
eingestellt – einschließlich
der Wagengruppen Prag—Berlin—Kopenhagen und
Amsterdam—Köln—Kopenhagen. Der EN „Jan Kiepura“ verkehrt
ab Fahrplanwechsel nur noch zwischen
Warschau, Berlin, Köln und Oberhausen.
Die Durchbindung ab/bis Amsterdam entfällt.
Unverständlich ist, dass damit selbst
stark nachgefragte Verbindungen zwischen
Hauptstädten, wie z. B. Berlin—Paris, eingestellt
und das Reisendenpotenzial nunmehr
der Flugzeug- und Fernbuskonkurrenz überlassen
wird.
Allerdings bestehen auch beim internationalen
Verkehr politisch gewollte Wettbewerbsverzerrungen
zu Lasten der Bahn. Für
Flugtickets ins Ausland ist z. B. keine Mehrwertsteuer fällig,
und eine Steuer auf Kerosin
gibt es für diese Flüge ebenfalls nicht.
Verbesserungspotenzial
im Fernverkehrsangebot
Seitens der Deutschen Bahn wurden auch
mit dem neuen Fahrplan zweifellos wieder
einige wichtige Angebotsverbesserungen
realisiert. Aus Fahrgastsicht sind jedoch
noch sehr viel mehr Verbesserungen im
Fernverkehr nötig – und möglich. Folgende
Beispiele seien genannt, um Angebotslücken
zu schließen:
IC-/EC-Linie 27
Die von Fahrgästen immer wieder geforderte
Verdichtung des heutigen 2-Stunden-Taktes
zwischen Berlin und Dresden auf einen
1-Stunden-Takt bzw. ein verbessertes Fernverkehrsangebot
auf der ausgebauten Strecke
Berlin—Rostock lassen noch immer auf
sich warten. Diese Taktverdichtung kann z. B.
mit der Einführung einer neuen InterCity-Linie
Warnemünde/Rostock bzw. Binz—Stralsund—Berlin—Dresden
erreicht werden. Im
Abschnitt Berlin—Rostock/Warnemünde
bzw. Stralsund/Binz kann bei wechselnder
Bedienung ein 4-Stunden-Takt realisiert werden.
Für diese Angebotsausweitung ist die
Auslieferung bzw. Inbetriebnahme der neuen
InterCity-Doppelstockzüge aber genauso Voraussetzung
wie eine zügige Fertigstellung
der Ausbaustrecke Berlin—Dresden.
Ähnlich wie in der Relation Bremen—Norddeich/Emden
bietet ein tarifliches Integrationsmodell
auch zwischen Berlin und
Rostock/Warnemünde bzw. Stralsund/Binz
die Möglichkeit, das Fernverkehrsangebot
wieder deutlich zu verbessern.
Dass die traditionelle umsteigefreie Verbindung
Hamburg—Berlin—Wien mit
EC 172/173 „Vindobona“ aufgegeben wurde,
kann nicht hingenommen werden. Die
Durchbindung eines RailJet-Zugpaars über
Prag hinaus ab/bis Berlin bzw. Hamburg sollte
als Ersatz realisierbar sein.
IC-Linie 50.1
Anstatt die Züge Wiesbaden—Frankfurt
(Main)—Erfurt—Leipzig in Leipzig Hbf beginnen/enden
zu lassen, bietet sich hier die
Durchbindung eines Grundangebots von
drei Zugpaaren über Falkenberg (Elster) ab/bis
Cottbus an. Cottbus ist nach der Landeshauptstadt
Potsdam immerhin die zweitgrößte
Stadt im Bundesland Brandenburg.
IC-Linie 56
Da ein durchgehender elektrischer Betrieb
mittlerweile bis Hof möglich ist, bietet
sich die Verlängerung der Züge Norddeich
Mole—Hannover—Leipzig ab/bis Hof Hbf
an. Verbindungen in diese seit vielen Jahren
vom Fernverkehr abgehängte oberfränkische
Region werden auf diese Weise spürbar
verbessert. Ein Korrespondenzhalt mit
kurzen Umsteigezeiten ermöglicht zudem
Anschlüsse in Richtung Nürnberg und Regensburg.
IC-Linie 77/Berlin—Warszawa-Express
Eine Verknüpfung der IC-Linie Berlin—Hannover—Amsterdam
mit der EC-Linie Berlin—Warszawa würde weitere umsteigefreie
Verbindungen bieten, u. a. zwischen europäischen
Hauptstädten.
EC-Linie 99
IC 1931 aus Richtung Hamburg erreicht freitags
um 15.00 Uhr Berlin Südkreuz, Richtung
Hamburg fährt IC 1930 sonntags um 20.18
Uhr hier ab. U. a. für Wochenend-Kurzurlauber
ist somit eine Durchbindung ab/bis Görlitz
in attraktiver Zeitlage möglich.
ICE-Linie 75/76
Unverständlich bleibt auch weiterhin, dass
die in der Relation Aarhus bzw. Kopenhagen—Hamburg—Berlin
eingesetzten dieselgetriebenen
ICE TD nicht für umsteigefreie
Durchbindungen genutzt werden. Bei
einer Zugteilung in Berlin-Ostbahnhof (Ankunft
14.40 Uhr) kann in diesem Fall die mittlerweile
seit vielen Jahren unbefriedigende
Anbindung von Görlitz und zusätzlich von
Chemnitz problemlos realisiert werden. Die
derzeit langen Stehzeiten könnten sinnvoll
genutzt werden. Angesichts der Abfahrt um
11.14 Uhr in Berlin Ostbahnhof ist auch in der
Gegenrichtung eine brauchbare Fahrplanlage
möglich.
ICE-Linie 10
Auch die nachfragestarke Relation Berlin—Rhein-Ruhr
bietet weiteres Potenzial durch
Einrichtung von schnellen ICE-Sprinter-Verbindungen
zwischen Berlin und Köln mit
Halten lediglich in Berlin Ostbahnhof, Berlin
Hbf, Berlin Zoologischer Garten (!), Berlin-Spandau,
Hannover Hbf und Hamm (wegen
der Umsteigemöglichkeit in/aus Richtung
Dortmund, Essen und Düsseldorf), ggf. mit
der Möglichkeit einer umsteigefreien Durchbindung
über Köln Hbf hinaus ab/bis Brüssel.
Die derzeitige Fahrzeit zwischen Berlin Hbf
und Köln Hbf liegt mit 4:22 Stunden leider
noch in einer Größenordnung, die den Flugverkehr
begünstigt.
Überfälliger Handlungsbedarf
auf politischer Ebene
Nicht zuletzt besteht auf politischer Ebene
unverändert großer Handlungsbedarf. Die
Angebotsgestaltung im Fernverkehr orientiert
sich an betriebswirtschaftlichen Kriterien
mit der Folge, dass die Flächenerschließung
im Fernverkehr seit Jahren deutliche
Lücken aufweist. Auch die Angebotsreduzierungen
des letzten Fahrplanwechsels
machen hier keine Ausnahme.
In Artikel 87e Absatz 4 des Grundgesetzes
heißt es wörtlich: „Der Bund gewährleistet,
dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere
den Verkehrsbedürfnissen, beim
Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der
Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren
Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz,
soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr
betreffen, Rechnung getragen
wird.“
Auch in der letzten Legislaturperiode wurde
es wiederum versäumt, die entsprechende
gesetzliche Regelung zu schaffen. Ein
„Schienenersatzverkehr“ in Form von Fernbusverbindungen
erfüllt den gesetzlichen
Auftrag nicht.
Handlungsbedarf besteht des Weiteren
bei der Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen,
insbesondere durch die Einführung
der Fernbus-Maut. Die derzeitigen
Rahmenbedingungen, die den Schienenverkehr
im Vergleich zu Fernbus und Flugzeug
systematisch benachteiligen, sind nicht akzeptabel.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr
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