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Foto: Frank Nebendahl |
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Berlins Bau- und Verkehrssenator Jürgen Klemann sprach in einem Interview mit
dem Tagesspiegel vom 24. Oktober von einer kurzen Bauzeit. Dieses Eigenlob
relativiert sich vordem Hintergrund, daß eigentlich schon 1995 der gesamte
Neubauabschnitt von Björnsonstraße bis Virchow-Klinikum in Betrieb genommen
werden sollte und daß die ersten Planungen für eine Straßenbahnverlängerung
in den Wedding sogar aus der Zeit unmittelbar nach dem Mauerfall stammen.
Ein Blick auf den Stadtplan erlaubt darüber hinaus die Frage, wieso die
neue Straßenbahnstrecke völlig unvermittelt vor der Stadtautobahn aufhört.
Nach den Senatsplänen ist auch langfristig hier nicht einmal eine Verlängerung
bis zum (zukünftigen) S-Bf Beusselstraße geplant. An dieser Stelle klafft
zwischen der S-Bahn und der Straßenbahn eine unnötige Lücke, die somit
auch nach der Vollendung des S-Bahn-Nordringcs durch eine Buslinie
geschlossen werden muß.
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Straßenbahn-Haltestelle Virchow-Klinikum drei Monate vor der Streckeneröffnung. So schnell kann Straßenbahnbau gehen - wenn man nur will Foto: Marc Heller |
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Der insgesamt 5,4 Kilometer lange Neubauabschnitt zwischen Björnsonstraße
und Virchow-Klinikum kostete fast 100 Millionen DM. Das ist fast doppelt
soviel wie in anderen deutschen Städten üblich, wo man sonst mit 10 bis
12 Millionen DM pro Kilometer kalkuliert.
Die Straßenbahnstrecke hat auch in ihrem Verlängerungsteil einen eigenen
(Rasen-)Gleiskörper. Dadurch und angesichts der zwar längst nicht perfekten,
aber für Berliner Verhältnisse einzigartigen Vorrangschaltung an den Ampeln
müßten die Vorzüge der Straßenbahn auch den neben der Trasse häufig im
Stau stehenden Autofahrern deutlich werden.
Die Haltestellen sind nach dem in Berlin üblichen Standard gestaltet,
allerdings sind vor allem die stark frequentierten Haltestellen wie z.B.
am U-Bf Seestraße etwas schmal geraten. Standard in Berlin heißt aber
auch, daß hier wieder wahre Gitterorgien gefeiert wurden, u.a. zur
Verhinderung eines zweiten Zuganges zu den Bahnsteigen.
Längere Strecke, mehr Fahrgäste, aber weniger Plätze
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Am Eröffnungstag fand schon mal eine Probefahrt (leider noch mit fehlerhafter Liniennummer) der dringend erforderlichen Linie 52 Richtung Pankow-Niederschönhausen statt. Foto: Frank Brunner |
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Als unhaltbar erwies sich die Entscheidung der BVG, trotz eines durch die
Streckenverlängerung vorhersehbaren Fahrgastzuwachses das Platzangebot im
Abschnitt Bornholmer Straße - Osloer Straße drastisch zu reduzieren. Nicht
nur, daß die bisher parallel zur Straßenbahnstrecke verkehrende Buslinie X 26
eingestellt wurde (immerhin auch ca. 150 gut ausgelastete Plätze alle 10
Minuten); gleichzeitig wurde auch noch durch Einsatz von GT6-Niederflurzügen
(statt bisher KT4D in Doppeltraktion) auf der Linie 23 das Platzangebot
zusätzlich reduziert. Und schließlich unterblieb als Folge der reduzierten
Senatszuschüsse die noch auf den Schienenverkehrs-Wochen 1997 von der BVG
angekündigte Verlängerung der Linie 52 bis zum Virchow-Klinikum. Im Ergebnis
führte dies zu einer Reduzierung der Platzkapazität um ca. ein Drittel!
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Titelseite der BVG-Straßenbahnnetzspinne. Noch im Juni warb die BVG mit der Verlängerung von drei Straßenbahnlinien bis zum Virchow-Klinikum. Dann rechnete die BVG nach und kam offensichtlich zu dem Ergebnis, daß man so viele Fahrgäste gar nicht befördern möchte... |
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Folglich gab es in den ersten Wochen völlig überfüllte Züge, sehr lange
Haltestellenaufenthaltszeiten, und beinahe regelmäßig mußten Fahrgäste
Zurückbleiben. Den meisten Ärger gab es im morgendlichen Berufsverkehr, als
durch die besonders verspätungsanfällige Linie 23 immer wieder
Unregelmäßigkeiten auftraten: Die ohnehin schon aus allen Nähten platzenden
Züge bekamen durch überlange Haltestellenaufenthaltszeiten immer noch weitere
Verspätungen, und
somit entstanden insbesondere auf dem Neubauabschnitt gravierende
Angebotslücken.
Als Reaktion auf diese zeitweise chaotischen Zustände setzt die BVG nun
zwischen Björnsonstraße und Virchow-Klinikum zusätzliche Verstärkerzüge im
10-Minuten-Takt ein. Dazu werden wegen der Endstellen-Situation fünf (!)
zusetzliche Züge benötigt. Außerhalb des Berufsverkehrs sind zumeist zwei
Reservezüge im Einsatz, um allzu große Taktlücken im Wedding zu schließen.
Verlängerung der Linie 52 ist sinnvoll
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Am 25. Oktober 1997 war es endlich soweit. Der Straßenbahnzug der Linie 23 steht startbereit zur Eröffnungsfahrt auf der 2,7 km langen Weddinger Verlängerungstrecke vom Louise-Schroeder-Platz zum Virchow-Klinikum Foto: Matthias Horth |
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Die logische Schlußfolgerung aus diesem völlig unwirtschaftlichen
Fahrzeugeinsatz der Verstärkerzüge kann zukünftig nur die Verlängerung der
Linie 52 bis zum Virchow-Klinikum sein. Würde man die derzeit fünf
Berufsverkehrs-Verstärkerzüge in den Fahrplan der Linie 52 einbauen, könnte
man diese Linie sogar auf ganzer Länge im 10-Minuten-Takt betreiben und hätte
eine nicht stauanfällige Direktverbindung zwischen Wedding und Pankow sowie
eine Verknüpfung der Straßenbahn-Neubaustrecke mit der U2 ermöglicht.
Einen anderen Fehler hat die BVG drei Wochen nach Inbetriebnahme der
Neubaustrecke wenigstens ausgebügelt: Weil man auch im Südabschnitt der Linie
23 die durch den Einsatz der kleineren GT6N-Züge hervorgerufenen
Kapazitätsprobleme nicht in den Griff bekam, werden seitdem wieder KT4D in
Doppeltraktion eingesetzt. Im Spätverkehr wechseln dann die GT6N der Linie
24 auf die 23, so daß immer Niederflurfahrzeuge auf dem Neubauabschnitt
im Einsatz sind.
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Haltestelle Indische Straße ohne zweiten Zugang. Wie berechtigt die IGEB-Kritik ist, kann man schon zwei Monate nach der Streckeneröffnung erkennen. Unübersehbar ist der Trampelpfad von der Straße zum Absperrgitter. Foto: Jens Wieseke |
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Der am zu hohen Fahrgastaufkommen gescheiterte Einsatz der GT6N erhellte
(wenn auch ungewollt) die Problematik der Beschaffungspolitik der BVG. Im
Betriebsalltag ist ein GT6N in Einfachtraktion mit ca. 150 Plätzen eben
kein voller Ersatz für einen KT4D in Doppeltraktion mit ca. 200 Plätzen.
Nachdem diese Züge nicht mehr im Tagesverkehr auf der Linie 23 eingesetzt
werden können, läuft nun übrigens ein neuer Versuch mit den Fahrgästen der
Linie 6. Auch hier soll ein GT6N nun einen KT4D in Doppeltraktion ersetzen.
Das Ergebnis sind auch hier im Berufsverkehr völlig überfüllte Züge.
Es ist unfaßbar, daß man seitens der BVG aufgrund der vorgenommenen
drastischen Platzreduzierungen offenbar darauf gesetzt hat, daß mit der
Weddinger Streckenverlängerung weniger Fahrgäste als vorher diesen Abschnitt
befahren. Und dies vor dem Hintergrund, daß von der "West-" Berliner
Vorzeige- und Teststrecke zweifellos Signalwirkung für den weiteren
Streckenausbau der Berliner Straßenbahn ausgehen wird. In den ersten
Betriebswochen hat man durch völlig überfüllte Züge und unregelmäßigen
Betrieb jedenfalls mehr Leute verärgert als neue Anhänger der Straßenbahn
gewonnen. Absicht oder Dummheit?
IGEB
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