Der 18. Dezember 1997 war ein wichtiger Tag für die Benutzer der Berliner
S-Bahn. 36 Jahre und 4 Monate nach der durch den Mauerbau verursachten
Unterbrechung der Strecke Treptower Park-Neukölln rollten hier wieder die
Züge. Anlaß zur Kritik bot allenfalls die unnötigerweise um fünf Jahre
verzögerte Wiederinbetriebnahme, insgesamt überwog aber die Freude über den
erfolgten Lückenschluß. Durch diese Verbindung geht erstens der Ring seiner
Komplettierung entgegen (was besonders die Verkehrshistoriker freuen dürfte);
ganz praktische Auswirkungen ergeben sich täglich für tausende Fahrgäste,
die zwischen den südlichen und östlichen Bezirken Berlins unterwegs sind.
Entfällt für sie doch das zeitraubende und umständliche Umsteigen in
Baumschulenweg.
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Bus 265 - Abends schlechte Anschlüsse am S-Bf Treptower Park. Foto: Marc Heller |
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Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Betriebsaufnahme auf dem
Ringabschnitt erforderte umfangreiche Veränderungen im S-Bahnnetz,
insbesondere auf dem Süd- und Ostring sowie auf der Görlitzer Bahn. Und
besonders die Veränderungen auf letztgenannter Strecke, an der die wichtigen
Bahnhöfe Baumschulenweg, Schöneweide, Grünau (und indirekt Schönefeld)
liegen, führten zu inzwischen deutlicher Kritik.
Während die Zurückziehung der Linien S45 und S46 von Jungfernheide nach
Westend zugunsten der S4 nicht tragisch ist und die Reduzierung des Taktes
dieser beiden Linien in der Hauptverkehrszeit von fünf auf zehn Minuten
durch Wegfall der Verstärkergruppe Baumschulenweg-Westend durchaus
nachvollziehbar ist, ist die Angebotsverschlechterung ab 21 Uhr
unverständlich. Denn ab diesem Zeitpunkt gibt es von der Görlitzer Bahn nur
alle 20 Minuten eine Verbindung zum Südring: die S45 wird ganz eingestellt,
allein die S46 verkehrt bis Westend.
Nachdem durch die Baumaßnahmen auf der Stadtbahn schon seit Jahren eine
direkte Verbindung nach Schöneweide fehlte (nur alle 20 Minuten und ab
Warschauer Straße mit der S9), wurde der Südring mit seinen zahlreichen
Umsteigepunkten zum U-Bahn-Netz insbesondere in den Abendstunden als
Alternative zur Stadtbahn genutzt. Diese Alternative ist jetzt keine mehr, da
im Extremfall 16 Minuten Wartezeit anfallen können. Auch die für ortskundige
Fahrgäste durchaus realistische Variante mit einem Zug der S4 bis Treptower
Park zu fahren und von dort einen Zug der S8, S9 oder S10 Richtung Schöneweide
zu benutzen, scheitert; vor Einfahrt der S4 in den Bahnhof Treptower Park
kann der Fahrgast die Ausfahrt des Zuges Richtung Schöneweide miterleben.
In diesen Zeitraum fällt auch die Taktlücke der S9; es ergeben sich erneut
acht Minuten Wartezeit bis zum Eintreffen der nächsten S8 oder S10.
Durch den Wegfall der S45 in den Abendstunden werden auch Anschlüsse zur
Regionalbahn in Schöneweide zerstört. Ebenso sind die vom Ostring kommenden
Züge der S8/S10 nicht mehr ab Baumschulenweg nutzbar.
Die Taktreduzierung ist nicht gerechtfertigt und sollte zurückgenommen
werden, denn Köllnische Heide liegt nur eine Station vom Ring entfernt
und sollte wie Plänterwald, Bornholmer Straße, Priesterweg oder Nöldnerplatz
im Zehn-Minuten-Takt bedient werden.
Die seit 16. Februar erfolgte Wiederausdehnung der S46 in den Abendstunden
bis Westend (vorher war sie bis Papestraße zurückgezogen) geht am Kern des
Problems vorbei und stellt daher keine optimale Lösung dar. Um ein Überangebot
auf dem Südring zu vermeiden, gleichzeitig aber den notwendigen
Zehn-Minuten-Takt auf dem Südringabzweig über Köllnische Heide
wiederherzustellen, schlägt die IGEB eine Zuggruppe S45
Schöneweide-Hermannstraße vor (akzeptabel wäre notfalls auch Baumschulenweg -
Hermannstraße). Wir schätzen ein, daß auch nach 21 Uhr ein entsprechender
Bedarf vorhanden ist.
Ein weiteres Problem ist die zu beobachtende Priorisierung der Züge der S4
gegenüber den anderen Linien in Treptower Park. Es kommt häufig zu langen
Wartezeiten der S8/S10 Richtung Nord vor dem Bahnhof Treptower Park.
Unverständlicherweise wird in diesen Fällen nicht von der Möglichkeit der
wahlfreien Gleisbenutzung für nordwärts fahrende Züge Gebrauch gemacht,
die die gleichzeitige Einfahrt von zwei Zügen erlaubt. Die Folge: konnten
Fahrgäste aus Spindlersfeld bisher in den Abendstunden am S-Bf Treptower Park
den Bus der Linie 265 Richtung U-Bf Märkisches Museum erreichen, so ist
dies neuerdings dann nicht möglich, wenn die S4 verspätet einfährt.
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Einfädelung S45/S46 in die S4 am S-Bahnhof Neukölln. Foto: Marc Heller |
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Unmut und Ärger bei den Fahrgästen führt enfalls, sämtliche Züge in
Richtung Schönefeld (das betrifft sowohl die S45 wie die S9) auf verspätete
Züge der Linien S8/S10 (in Treptower Park) bzw. S6 oder S46 (in
Baumschulenweg) warten zu lassen. So begrüßenswert der Versuch der
Anschlußsicherung ist - zumindest tagsüber sind die sich ergebenden
Fahrzeitverlängerungen nicht akzeptabel. Besonders betroffen sind die
Fahrgäste der S9, da sie im ungünstigen Fall erst in Treptower Park der
S8/S10 und dann auch noch in Baumschulenweg der S46 den Vortritt
lassen müssen.
Die S-Bahn ist durch den Bonus sinnvoller Streckeneröffnungen weitgehend
vom Fahrgastschwund verschont geblieben. Die BVG kann davon ein ganz anderes
(Klage-)Lied singen. Jüngste Zahlen beweisen aber, daß dies nicht immer so
bleiben muß. Vor allem sind stabile oder steigende Benutzerzahlen nicht im
Selbstlauf zu erreichen. Daher sollte sich die S-Bahn GmbH hüten,
Fahrgäste durch unnötige Angebotsverschlechterungen zu vergraulen.
IGEB
Abteilung Fahrgastbelange
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