Die BVG hat erkannt, dass die Busflotte mit
Fahrzeugen großen Fassungsvermögens erweitert
werden muss, um die stetig wachsenden
Fahrgastzahlen zu bewältigen. So
will sie eine neue Generation Doppeldecker
kaufen, die (erst einmal) keinen anderen
Bustyp ablösen, sondern der Erweiterung
des Fuhrparks dienen sollen.
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Der neue Scania-Doppeldecker. Die BVG will dieses Modell nun im harten Alltagsbetrieb testen. Foto: Florian Müller |
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Schon auf dem IGEB-Fahrgastsprechtag
Omnibus im September 2014 gab die BVG
bekannt, dass sie mit zwei Doppeldeckerherstellern
in Kontakt steht, um Probefahrzeuge
zu erhalten und diese vor einer Serienbestellung
von den Fahrgästen und den
Technikern im Alltagsbetrieb auf Herz und
Nieren zu prüfen.
Nun war also der Prototyp von Scania, gefertigt
im finnischen Lahti, am 30. Januar in
Berlin fahrfertig. In London und Singapur
fahren ähnliche Fahrzeuge bereits,
für die
BVG ist dieses Modell nun angepasst worden.
Das Design erinnert tatsächlich an
moderne englische Doppeldecker. Ein weiterer
Testwagen vom neuen Typ „Citea DLF“
des konkurrierenden Herstellers VDL soll
im Sommer präsentiert werden. Er soll in
Leichtbauweise konstruiert und 11,40 Meter
lang sein und zwei Treppen besitzen.
Neuer Doppeldecker ist kürzer
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Nur eine Treppe, aber dafür etwas breiter als beim vorherigen Doppeldecker der BVG. Die Stufen sind mit blauen Lichtbändern beleuchtet. Links an der Seitenwand an der Treppe der einzige Fahrgastinfo-Monitor im Unterdeck – nur von wenigen Sitzplätzen aus sichtbar. Foto: Florian Müller |
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Hinter dem Fahrer weist ein kleiner Monitor auf die Anzahl der freien Sitzplätze im Oberdeck hin. Die Steuerung funktioniert durch eine Lichtschranke an der Treppe. Foto: Florian Müller |
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Im Mehrzweckabteil an der Mitteltür gibt es einige Klappsitze. Die Sicht nach vorne ist durch viele Einbauten, die auch von der Decke herunterhängen, eingeschränkt. Die „STOP“-Anzeige befindet sich als LED-Bauteil über dem rechten Radkasten. Foto: Florian Müller |
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Blick nach hinten. Erst hinter der Mitteltür gibt es einige „normale“ Sitzplätze. Foto: Florian Müller |
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Die Sitzplätze im Unterdeck sind alle auf einem „Geschränk-Gebirge“ der Hinterachse untergebracht und über Stufen erreichbar. Hier stößt das Prädikat „Niederflur“ an seine Grenzen. Foto: Florian Müller |
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Die technischen Daten gibt die BVG folgendermaßen an: Name: „Scania Citywide LF Doppeldecker“ (Niederflur) Antrieb: 6 Zylinder Scania Euro 6 Dieselmotor Leistung: 206 kW Länge: 10,94 Meter Höhe: 4,06 Meter Breite: 2,55 Meter Leergewicht: 11,94 Tonnen Zul. Gesamtgew.: 18 Tonnen Fahrgastanzahl: 88 Personen Feste Sitze: 69 (45 oben, 24 unten) Klappsitze: 5 Stehplätze: 19 (ohne Klappsitz-Nutzung) Rollstuhlplätze: 1 Türen: vorne und Mitte. Klapprampe nur an der Mitteltür, manuell zu bedienen. Treppe: eine – über dem vorderen Radkasten hinter der Fahrerkabine. Foto: Florian Müller |
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Die Sitze auf der Hinterachse sind nicht nur im Kopfbereich eingeschränkt, auch der Knie-Abstand zum Vordersitz ist sehr gering – eigentlich nur für Kinder geeignet. Foto: Florian Müller |
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Geschränke auch im Oberdeck unter den vorderen Fenstersitzen. So sind diese Sitze noch höher angebracht. Foto: Florian Müller |
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Im Oberdeck gibt es über jedem Doppelsitz einen USB-Stromanschluss für Smartphones. Foto: Florian Müller |
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Die Sicht vom Oberdeck nach vorne ist sehr attraktiv. Leider entfällt die zweite linke Sitzreihe durch die Treppenanordnung.Über den ersten Sitzreihen befindet sich ein Glasdach. Die LED-„STOP“-Anzeige kann auch die Temperatur und Geschwindigkeit einblenden. Foto: Florian Müller |
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Das Heck – unten ohne Fenster. Foto: Florian Müller |
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45 Sitzplätze im Oberdeck, und alle in Fahrtrichtung mit hervorragender Aussicht – so macht das Busfahren noch Spass. Zwei Fahrgastinfo-Monitore hängen im Winkel über der Treppe. Foto: Florian Müller |
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Die BVG verspricht sich von dem nur 11 Meter
kurzen Fahrzeug im Vergleich zu den
heute üblichen NEOMAN A 39 (13,70 Meter
lang mit 3 Achsen und 3 Türen, 128 Fahrgäste,
davon 83 Sitzplätze) eine bessere Manövrierfähigkeit
in Kurven und an zugeparkten
Haltestellen sowie eine Reduzierung der
Betriebskosten. Damit genügen auch zwei
anstatt drei Achsen, und es gibt nur eine
Treppe zum Oberdeck, um noch auf eine
angemessene Sitzplatzanzahl zu kommen.
Nach ausführlicher Begutachtung im
Stehen drehte der Wagen dann eine Runde
über den Betriebshof, die vom Fahrverhalten
angenehm in Erinnerung blieb.
Abschaffung des Zwangs zum
Vorneeinstieg drängt sich auf
Wie neuerdings bei der BVG üblich, gibt es
zwischen der ersten und zweiten Tür leider
kaum Sitzplätze. Lediglich zwei feste Sitze,
diese auch noch entgegen der Fahrtrichtung,
befinden sich dort, zusätzlich zu fünf
Klappsitzen im Mehrzweck-/Rollstuhlabteil.
Erst im hinteren Teil des Wagens erreicht
der Fahrgast 17 weitere feste Sitze, wovon
aber vier (auf den hinteren Radkästen) nur
eingeschränkten Bein- und Kopfraum bieten
– Personen über 1,75 Meter Körpergröße
werden sich dort nicht wohlfühlen.
Hier zeigt sich wie bei den anderen neubeschafften
Busmodellen deutlich die Krux,
die eine konsequente Anwendung der
Behindertengerechtigkeit mit sich bringt.
Rollstuhlfahrer haben ihren (berechtigten)
Stellplatz, aber die vielen „Omas Ilse“ ohne
Behindertenausweis, die zwar noch einigermaßen
laufen können, aber doch schon
recht unsicher auf den Beinen sind, müssen
nach dem Zwangseinstieg durch die Vordertür
erst durch den ganzen Bus nach hinten
wackeln, um die Chance auf einen freien
Sitzplätze zu erhalten. Die raren vorderen
(Klapp-)Sitze sind erfahrungsgemäß immer
als erste belegt. Und diese sitzplatzaffine
Fahrgast-Gruppe, die hier flapsig „Oma Ilse“
genannt wird, wird immer größer, wobei
sie natürlich auch Opas, Schwangere oder
sonstwie müde Fahrgäste umfasst.
Das Problem könnte die BVG ganz einfach
lösen, indem sie endlich auf den unsinnigen
Zwang zum Vorneeinstieg verzichtet. So
könnte „Oma Ilse“ an der Mitteltür einsteigen
und ihren Sitzplatz einnehmen, bevor
der Bus anfährt.
Das Entree bei der Vordertür gestaltet
sich hinter dem Fahrer mit seinem Zahltisch
schlauchartig. Der gern genutzte Behinderten-Sitzplatz
direkt neben der Vordertür auf
dem Radkasten ist entfallen. Eingezwängt
zwischen der Treppe und dem rechten Radkasten
mit aufgesetztem Tank und darüber
einer heruntergezogenen Decke kann der
Fahrgast nun an einem kleinen Monitor die
Zahl der freien Sitzplätze im Oberdeck ablesen.
Diese Zählung wird über eine Lichtschranke
an der Treppe gesteuert. Von hier
kann der Fahrgast den hinteren unteren
Fahrgastraum überblicken und sich entscheiden,
ob er die Treppe zum Oberdeck
nimmt oder unten bleibt.
Die Treppe ist in Fahrtrichtung angeordnet,
bei einem plötzlichen Bremsmanöver fällt der
Fahrgast also nicht in die Tiefe, sondern auf
die höheren Stufen. Das Verletzungsrisiko ist
so geringer als bei der bisherigen Anordnung
der Vordertreppe im MAN-Wagen.
Attraktives Oberdeck
Die relativ breite Treppe mit ihren blau
beleuchteten Stufen geht geradlinig nach
oben. Auf ihr können sich auch zwei schlanke
Personen begegnen – mit Jackenberührung.
Oben erwarten den Fahrgast 45
Sitzplätze mit bester Aussicht. Die Treppe
nimmt durch ihre Geradlinigkeit allerdings
die Fläche für einen weiteren Doppelsitz in
Anspruch. In der ersten Reihe können vier
Personen Platz nehmen.
An jedem Doppelsitz befinden sich im
Kopfbereich zwei USB-Anschlüsse zum Aufladen
von Smartphones. Im Oberdeck gibt
es eine Heckscheibe, im Unterdeck ist durch
die Anordnung des Motors kein Blick nach
hinten möglich.
Das Oberdeck wirkt luftig und aufgeräumt,
keine unförmigen „Geschränke“
behindern den Blick, nur unter wenigen
Sitzen ist der Fußboden einige Zentimeter
angehoben für den Türantrieb oder die
Außenanzeige. Jedes zweite Fenster ist bei
Bedarf aufklappbar, bei funktionierender
Klimaanlage aber verschlossen. Der vordere
Dachbereich über den ersten zwei Sitzreihen
ist verglast.
Über der Treppe schweben im 45-Grad-Winkel
zwei Stretch-Monitore für die Fahrgastinformation.
Über deren Informationsgehalt
ließ sich bei der Vorführung natürlich
noch kein Urteil bilden. Etwas unglücklich ist
nur, dass von den acht vordersten Sitzplätzen
diese Anzeige nur durch Rückwärtsgucken
ins Blickfeld gerät.
Dafür ist direkt über der Frontscheibe
eine kleine LED-Anzeige angebracht, die abwechselnd
über die Innen- und Außentemperatur,
die aktuelle Fahrgeschwindigkeit (!)
und die Anmeldung des Aussteigewunsches
Auskunft gibt. Eine nette Spielerei, die man
aber auf die permanente „Stop“ oder „nicht
Stop“-Anzeige reduzieren könnte.
Im Unterdeck ist die Fahrgastinfo-Anzeige
per Stretch-Monitor ebenfalls etwas
unglücklich platziert. Es gibt nur eine Anzeige
an der Fahrzeugseitenwand im unteren
Bereich der Treppe. Diese ist eigentlich
nur aus dem Mehrzweckbereich zu lesen.
Die Fahrgäste auf den hinteren Sitzplätzen
werden nicht viel erkennen können. Dafür
müsste eine andere Lösung gefunden werden.
Die mittlere Tür wird vom Fahrer per Spiegel
überwacht und kann durch ihn „zwangsgeschlossen“
werden. Die bisher häufig nötigen
flehentlichen Durchsagen „Bitte den
Türraum freimachen“ sind damit nicht mehr
nötig.
Die an der Front oben angebrachten Metallbügel
sind keine Haltegriffe für „Extremsurfer“,
sondern „Astabweiser“ für Straßenbäume.
Der Verzicht auf die Scheibenwischer
an der oberen Frontscheibe wird von
manchen Fahrgästen sicherlich bedauert
werden.
Funktioniert die Klimaanlage?
Gespannt dürfen wir auf die Funktionsweise
und Effektivität der Klimaanlage sein.
Im bisherigen MAN-Doppeldecker war
die „Klimaanlage“ zunächst als solche angekündigt
worden, entpuppte sich dann
aber als funktionsgeminderte Ausführung.
Vor allem im Oberdeck gibt es häufig sehr
abgestandene Luft und bei feuchter Witterung
auch eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit
im Fahrgastraum, die vorzugsweise an der
Frontscheibe kondensiert und sie damit
undurchsichtig macht. Hoffen wir, dass die
im Scania eingebaute Lüftung/Klimaanlage
besser funktioniert.
Die Innenausstattung des Testwagens
entspricht nicht genau den Vorgaben des
Bestellers BVG, so kann es z. B. an der Sitz-Polsterung noch Änderungen geben.
Der Testwagen wird im Busbetriebshof
Spandau stationiert und von dort für 12
Monate in den Fahrgasteinsatz gehen, beispielsweise
auf den Linien M 37 und X 34.
Fazit
Dass sich die BVG auch weiterhin zum stadtbildprägenden
Doppeldecker bekennt, ist
sehr löblich. Doppeldecker sind bei Berlinern
wie bei Touristen sehr beliebt, einerseits wegen
des großen Fahrterlebnisses von erhöhter
Position, andererseits wegen des hohen
Sitzplatzangebots in Fahrtrichtung. Erfahrungsgemäß
findet man im Oberdeck meist
mindestens noch einen Sitzplatz, auch bei
hoher Auslastung.
Durch den Verzicht auf knapp zwei Meter
Wagenlänge geht viel Platz für Fahrgastkomfort
verloren, vor allem im Unterdeck.
Ob die bessere Manövrierfähigkeit tatsächlich
einen merkbaren Gewinn für das „lückenfreie
Anlegen“ an der Bordsteinkante
ermöglicht, bleibt abzuwarten.
Das Unterdeck wirkt etwas verbaut durch
„Geschränke“ im Fahrgastraum, und der
Standort des Fahrgast-Infomonitors ist noch
zu optimieren. Die nur eine Treppe zum
Oberdeck als Folge der kurzen Wagenlänge
scheint vertretbar. Hundert Jahre lang, bis
Ende der 1980er Jahre, waren in West-Berlin
Doppeldecker mit nur einer Treppe üblich.
Erst danach setzten sich zwei Treppen durch.
Ob künftig chaotische Zustände durch eine
verstopfte Treppe auftreten werden, wird
erst der harte Fahrgasteinsatz zeigen. Die Erfahrung
mit der vorzugsweise praktizierten
Nutzung der Vordertreppe im MAN-Wagen
stimmt positiv.
Bedauerlich ist der Fortfall aller Sitzplätze
in direkter Nähe des Vordereinstiegs.
Gehbehinderte ohne Rollstuhl haben so einen
langen Weg durch den schwankenden
Bus in den hinteren Teil zu den Sitzplätzen
zurückzulegen. Das ist sehr unbequem und
unfallträchtig. Durch den Verzicht auf den
BVG-Vorneeinstiegszwang ließe sich dieser
Mangel ohne Geldeinsatz lösen. Aber
das wäre für die BVG wohl zu einfach. Gutachten,
die die BVG anführt, die angeblich
schnellere Fahrgastwechselzeiten durch
den Vorneeinstieg bescheinigen, müssen
aus eigenen Beobachtungen in Zweifel gezogen
werden.
Wir sind gespannt auf den Testeinsatz im
Fahrgastverkehr – und auf das angekündigte
zweite Fahrzeug vom Hersteller VDL.
IGEB Stadtverkehr
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