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Eine falsche Personalpolitik bestreitet die
BVG aber weiterhin und entschuldigt den
Mangel mit der „Rente mit 63“, hohem Krankenstand
und vielen Urlaubern. Die IGEB-Bezeichnung
„Straßenbahn-Krise“ wies der
Bereichsleiter Straßenbahn, Klaus-Dietrich
Matschke, gegenüber dem Berliner Kurier
zurück. Es gäbe zwar Probleme, aber von
einer Krise würde er nicht reden wollen.
Aus Fahrgastsicht ist es aber durchaus
eine Krise, denn die täglichen Auswirkungen
sind seit Monaten beträchtlich und dauern
an – laut Herrn Matschke noch bis in das
1. Quartal 2016.
Mögliche Ursachen für die Krise
Sicherlich hat die Sparpolitik des Wowereit-Senats,
insbesondere des ehemaligen
Finanzsenators Nußbaum, einen großen
Anteil an der jetzigen Krise. Personal wurde
nicht eingestellt, Reserven wurden reduziert
und auf Erweiterungen des Angebots nicht
reagiert. Hinzu kam das Ziel einer „Schwarzen
Null“ in der BVG-Bilanz, weshalb die BVG
(auch) bei der Straßenbahn massiv gespart
hat. Leidtragende dieser falsch verstandenen
Sparpolitik sind nun die Fahrgäste.
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Linie M 8 . Gleich auf mehreren Straßenbahnlinien hat die BVG ihr Fahrplanangebot kürzen müssen, weil sie seit vielen Monaten nicht genügend Fahrer hat. Erst für 2016 verspricht sie eine allmähliche Rückkehr zum Regelfahrplan. Foto: Michael Dittrich |
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Dass die oft zitierte „Rente mit 63“ als
Hauptursache dargestellt wird, ist nur eine
Ablenkung vom Missmanagement. Sicherlich,
einige Fahrer haben die kurzfristig
eingeführten Neuregelungen genutzt und
sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet,
doch das erklärt nicht den lang
anhaltenden Personalmangel von nach
IGEB-Kenntnis derzeit 80 bis 100 Fahrern.
Was tut die BVG, um die Krise zu
beenden?
Das Hauptproblem ist nicht von heute auf
Morgen zu lösen, da stimmen wir der BVG
zu. Personale müssen erst einmal gefunden,
ausgebildet und dann auch noch zum
Bleiben angeregt werden. Genau hier liegt
aber das Problem bei der BVG. Neubewerber
bekommen einen auf 2 Jahre befristeten
Vertrag – bei einem durchschnittlichen
Monatsgehalt von 2093 Euro brutto als
Anfangsgehalt. Durch die Wechselschicht
kommen Zuschläge von ca. 120 bis 150 Euro
netto hinzu.
Geht man von der Lohnsteuerklasse 1 aus,
ergibt das ein Netto von ca. 1500 Euro im
Monat – bei einer 39-Stunden-Woche in
Wechselschicht nicht gerade ansprechend.
Vergleicht man das mit dem Gehalt einer
Verkäuferin, die nach Tarif bezahlt wird, so
ist der Unterschied gering. Bei einem Bruttogehalt
von ca. 1680 Euro kommt diese auf
ein Netto von ca. 1195 Euro, also gerade mal
200 Euro weniger als ein Straßenbahnfahrer
mit Zuschlägen.
Die Folgen spürt die BVG auch sehr deutlich,
denn ca. 10 Prozent der Neueinsteiger
hören nach kurzer Zeit wieder auf, weil sie
entweder einen besser bezahlten Job gefunden
haben oder weil sie einfach mit dem
Stress, den der Fahrerberuf mit sich bringt,
nicht klar kommen.
Deshalb ist es notwendig, für diesen Beruf
entsprechende Anreize zu schaffen und
vor allem sichere Arbeitsplätze anzubieten.
Dazu gehören unbefristete Arbeitsverträge
und höhere Löhne.
Da es offensichtlich schwer ist, ausreichend
Fahrerinnen oder Fahrer zu finden,
leiht sich die BVG derzeit Fahrer aus Mainz
aus. Ob auch aus anderen Städten Personale
ausgeliehen werden können, ist derzeit
nicht sicher.
Die Folgen für die Fahrgäste seit den
Sommerferien
Nach anfänglichen unkontrollierten Ausfällen
wurde zum Anfang der Sommerferien
damit begonnen, gezielt den Fahrplan der
Straßenbahn auszudünnen. Ziel war es, diese
Ausfälle zu reduzieren oder gar abzustellen.
Leider wurden einige Ausfälle von der
BVG durchgeführt, ohne sie zu kommunizieren.
Die Ausdünnungen im Überblick:
Linie M2
Für diese Linie wurde ab 27. Juli 2015 an
Sonnabenden der 5-Minuten-Takt auf einen
7/7/6-Takt ausgedünnt. Dazu wurden
lediglich die Fahrpläne ausgetauscht.
Linie M4
Bei dieser Linie fanden einige Änderungen
statt, die Fahrgäste besonders
an Wochenenden deutlich zu spüren
bekommen. Der wochentags geltende
3-bis-4-Minuten-Takt wurde auf einen
4-Minuten-Takt ausgeweitet. Dafür werden
aber längere Züge in Form von GT6-Doppeltraktionen eingesetzt.
Sonnabends ist der bisherige 5-Minuten-Takt durch
einen 7-/7-/6-Minuten-Takt ersetzt
worden. Ab Prerower Platz fährt nun
nur noch alle 20 Minuten eine Bahn nach
Falkenberg. Alle anderen Bahnen fahren
im 7/13-Minuten-Takt zur Zingster Straße.
Leider funktioniert der Anschluss M4/M17
am Prerower Platz nicht, so dass der Fahrgast
also entweder den Bus nehmen oder
warten muss.
Sonntags gibt es eine besonders gravierende
Ausdünnung: Die Linie M 4 verkehrt
nun auf dem Abschnitt S-Bf Hackescher
Markt—Prerower Platz nur noch alle 10
Minuten. Somit werden nun beide Äste
nur noch im 20-Minuten-Takt befahren.
Linie M 5
Diese Linie fährt seit 31. August nur noch
alle 20 Minuten zum Hauptbahnhof. Alle
anderen Kurse enden am S-Bahnhof
Hackescher
Markt. Durch die Bauarbeiten
in der Konrad-Wolf-Straße verkehrten die
Verstärkerfahrten zwischen Landsberger
Allee/Petersburger Straße und Zingster
Straße schon seit Baubeginn am 6. Juli
nicht mehr. Sie wurden mit Ende der Bauarbeiten
am 19. Oktober wieder eingesetzt.
Leider fallen abends die Fahrten zwischen
Landsberger Allee/Petersburger Straße
und Zingster Straße ebenfalls aus, so dass
diese Linie abends nur noch im 20-Minuten-Takt verkehrt.
Linie M 6
Seit 31. August fallen hier die Verstärkerfahrten
nun offiziell aus, zuvor fielen diese
immer operativ aus. In den Sommerferien
gab es sie planmäßig nicht. Auch bei dieser
Linie wurden die abendlichen Fahrten
zwischen Landsberger Allee/Petersburger
Straße und Riesaer Straße eingestellt. So
verkehrt auch diese Linie abends nur noch
im 20-Minuten-Takt.
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Foto: Michael Dittrich |
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Die Verstärkerfahrten der M8 hat die BVG mit der Linie 18 gekoppelt. Aber die Fahrgastinformation über diese Änderung war unzureichend, so dass die Fahrgäste aus der M 8 ausstiegen, weil sie nicht wussten, dass die Straßenbahn als Linie 18 weiterfährt. Am Zielanzeiger der Tatra-Fahrzeuge ist die Durchbindung nun ablesbar (Bild oben), aber ungeschickt ist die Darstellung auf dem Daisy-Anzeiger, denn der Anzeiger suggeriert eine Fahrt nach Alt-Marzahn Ecke Riesaer Straße – einen Ort, den es nicht gibt. Foto: Michael Dittrich |
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Linie M 8
Auf dieser Linie werden seit der Verlängerung
zum Hauptbahnhof am 31. August
überwiegend lange Flexitys eingesetzt,
aber auch hier wurden die abendlichen
Fahrten zwischen Landsberger Allee/Petersburger
Straße und Ahrensfelde/Stadtgrenze
eingestellt.
Die Verstärkerfahrten dieser Linie sind nun
mit der Linie 18 gekoppelt und verkehren
als Linie M 8 von Landsberger Allee/Petersburger
Straße bis Alt-Marzahn und ab da
weiter als Linie 18 nach Riesaer Straße.
Linie M 10
Bei dieser Linie begannen am 1. August
2015 die Baumaßnahmen für die Anschließung
der Gleise in der Invalidenstraße und
der damit verbundenen Verlängerung
zum Hauptbahnhof. In der Bauzeit vom 1.
bis 29. August 2015 wurde diese Linie zum
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark zurückgezogen.
Gleichzeitig hat man im Rahmen
des Baufahrplans den Takt am Sonnabend
von 5 auf 6 Minuten ausgeweitet. Seit dem
31. August 2015 verkehrt diese Linie nun von
Montag bis Sonnabend im 6-Minuten-Takt.
Linien 18 und 67
Beide Linien sind seit dem Beginn der
Sommerferien an Sonnabenden eingestellt.
Diese umfangreichen Angebotsreduzierungen
wurden in den BVG-Pressemeldungen
allerdings nicht vollständig kommuniziert.
So wurden die abendlichen Kürzungen
der Linien M 5, M 6 und M 8 nicht erwähnt,
ebenso die Ausdünnung der Linie M 2. Auf
der Linie 4 wurde eine Taktausdünnung von
30 bis 90 Sekunden angekündigt, aber mit
keinem Wort die massive und nicht tragbare
Kürzung am Wochenende erwähnt.
Weitere Einschränkungen
durch Bauarbeiten
Offensichtlich scheinen Bauarbeiten gut geeignet
zu sein, längere Einstellungen ganzer
Linien zu begründen. So wurde die Linie M 2
ein ganzes Wochenende (17. bis 19. Oktober
2015) und die Linie 68 sogar für mehrere
Wochen (26. Oktober bis 7. Dezember 2015)
eingestellt. Andere Bauarbeiten führen zu
den üblichen Linienkürzungen.
Die IGEB hatte angesichts des Fahrermangels
wiederholt einen verlässlichen Notfahrplan
für die Straßenbahn gefordert. Doch
die von der BVG vorgenommenen Ausdünnungen
sind vor allem an betrieblichen und
weniger an Fahrgastbelangen orientiert. Es
wurde gekürzt, ohne darauf zu achten, ob
es Alternativen gibt. Dieser Zustand muss
schnellstmöglich beendet werden. (md)
IGEB Stadtverkehr
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