Beispielsweise sind in der Europäischen
Union 100 Prozent des Schienennetzes bemautet
– aber nur 0,9 Prozent der Straße. Das
sind Wettbewerbsverzerrungen, die einen
Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsträger
wie die Bahn erschweren. Aber wer es
ernst nimmt mit dem Klimaschutz und den
Zielen der Weltklimakonferenz in Paris 2015,
muss jetzt anfangen gegenzusteuern.
Miserable Klimabilanz im Verkehr
Der Verkehr ist nicht nur für ein Viertel aller
Treibhausgasemissionen der EU verantwortlich.
Schlimmer noch: Er ist der einzige
Sektor, in dem die CO2-Emissionen nicht
gesunken, sondern seit 1990 um 22 Prozent
gestiegen sind. In der Industrie konnten sie
demgegenüber um 38 Prozent und in den
Haushalten um 24 Prozent gesenkt werden.
Der Verkehr macht somit milliardenschwer
erkaufte Erfolge anderer Sektoren zunichte.
So kann es nicht weitergehen. Deshalb verpflichtet
das „Weißbuch Verkehr“ der EU den
Verkehrssektor auf mehr Klimaschutz: Bis
2050 sollen die Treibhausgase um 60 bis 80
Prozent gesenkt werden (siehe zum Weißbuch
auch meinen Beitrag in SIGNAL 2/2011).
Von den umweltschädlichen Verkehrsemissionen
werden allein 72 Prozent vom
Straßenverkehr verursacht. Die energiehungrige
Luftfahrt boomt und hat ihre
Emissionen seit 1990 um fast 80 Prozent erhöht,
so dass ihr Anteil an den Verkehrsemissionen
nun bei 13 Prozent liegt. Aufgrund
der staatlichen Subventionen machte zum
Beispiel die Lufthansa 2015 einen Gewinn
von 1,8 Milliarden Euro. Die DB AG dagegen
machte einen Verlust von 1,3 Milliarden
Euro – muss aber trotzdem noch eine Dividende
von 850 Millionen Euro an den Bund
überweisen. Absurd.
|
Schädigt die Gesundheit und das Klima. Der Straßenverkehr verursacht 72 Prozent der umweltschädlichen Emissionen aller Verkehrsmittel. Foto: Florian Müller |
|
Und auch der Schiffsverkehr, der – im
Gegensatz zur Bahn – weder Trassenpreise
noch Energiesteuer kennt und vom Emissionshandel
befreit ist, bleibt nahezu unreguliert,
obwohl er seinen Ausstoß seit 1990
um 22 Prozent gesteigert hat und nun einen
Anteil von 14 Prozent an den umweltschädlichen
Emissionen des Verkehrs erreicht. Der
Anteil der umweltfreundlichen Schiene an
diesen Emissionen beträgt demgegenüber
nur 0,6 Prozent, obwohl ihr Verkehrsanteil
bei 16 Prozent im Güter- und 7 Prozent im
Personenverkehr liegt.
Der klimaschädliche Verkehr
wird subventioniert
Die Airlines in Europa erhalten dank der
Befreiungen von der Kerosinsteuer und
auf Auslandsflügen auch von der Mehrwertsteuer
– die Kunden der Bahn müssen
all das bezahlen – jährliche Subventionen
von mehr als 30 Milliarden Euro. Und jeder
Pkw in der EU bürdet dem Klima und der
Allgemeinheit pro Jahr ungedeckte Kosten
von durchschnittlich 1600 Euro auf. Die umweltfreundliche
Schiene hingegen wird zur
Kasse gebeten: EU-weit muss jede Lokomotive
für jeden Kilometer eine Schienenmaut
bezahlen. Aber die Erhebung einer Straßenmaut
ist freiwillig, in der Höhe gedeckelt
und gilt zum Beispiel in Deutschland nur auf
Autobahnen und wenigen Bundesstraßen
sowie ausschließlich für Lkw mit mehr als
7,5 Tonnen.
Die Bundesregierung in Gestalt von
Verkehrsminister Alexander Dobrindt verschärft
diese Diskriminierung noch. Seit
2012 wurde die Lkw-Maut um 16 Prozent gesenkt
(!), weil der Lärm ignoriert wurde. Die
Trassenpreis genannte Schienenmaut wurde
jedoch um 13 Prozent erhöht. Außerdem
will der Minister noch immer die „Pkw-Maut
für Ausländer“ einführen. Zumindest diesen
Unsinn hat die Europäische Kommission bisher
gestoppt.
Nachhaltige Mobilität lohnt sich für alle
Der Boom der Klimakiller ist das Ergebnis
falscher politischer Weichenstellungen.
Erst wenn Schluss ist mit der Privilegierung
des Luft- und Straßenverkehrs, bekommen
nachhaltige Verkehrsmittel eine faire Chance.
Das schont nicht nur das Klima und den
Geldbeutel, sondern auch die Gesundheit.
Aktuell sterben pro Jahr ungefähr 26 000
Menschen bei Unfällen auf den Straßen der
EU. Weit mehr Menschen leiden unter hohen
Lärm- und Feinstaubbelastungen, die
auf lange Sicht die Gesundheit ernsthaft
schädigen.
Michael Cramer
Mitglied des Europäischen Parlaments – Die Grünen/EFA und
Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
|