Neue S-Bahn

Die neue Berliner S-Bahn – als Modell bereits vorhanden

Mit der Ausschreibung des Streckennetzes Ringbahn wurden gleichzeitig neue Züge für die Berliner S-Bahn in Auftrag gegeben. Diese Züge sollen ab Januar 2021 nach und nach auf den Linien S 41, S 42, S 46, S 47 und S 8 im Fahrgastverkehr zum Einsatz kommen.

S-Bahn Modell
Die S-Bahn Berlin GmbH hat von der geplanten neuen S-Bahn-Baureihe 483/484 ein begehbares 1:1-Modell vorgestellt. Foto und Montage: Marc Heller

Doch bevor dies geschehen kann, muss erst einmal geklärt werden: Wie soll die neue S-Bahn denn aussehen? Welche Inneneinrichtung, welche Haltestangen usw. sollen in das Fahrzeug? Diese Fragen wurden Fahrgastverbänden, Behindertenverbänden und ausgewählten Fahrgästen gestellt. Die IGEB hat das Modell im Oktober 2016 besichtigt.

Die Vorgaben des Senats

Auf der Webseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt kann sich jeder den Verkehrsvertrag mit seinen Anlagen herunter laden. Für die S-Bahn-Fahrzeuge ist die Anlage T ausschlaggebend. In dieser Anlage wird alles für die neuen Züge festgelegt, von der Anzahl der Sitzplätze über die Größe der Mehrzweckabteile usw.

Innenraum
Das Mehrzweckabteil, immer hinterm Führerstand, ist mit großen Symbolen für die vorgesehene Nutzung ausgestattet, hat zwei Sprechstellen für Rollstuhlfahrer und Klappsitze. Foto: Holger Mertens

Unter anderem wird festgelegt, dass ein 1:1-Modell (technisch als Mockup bezeichnet) erstellt werden soll und dass die Fahrgast-, Umwelt- und Behindertenverbände sowie ausgesuchte Fahrgäste einzuladen sind. So soll ein großer Querschnitt von Meinungen zu den neuen Fahrzeugen eingeholt werden. Die ersten Designzeichnungen und das, was jetzt als 1:1-Modell gezeigt wird, sind doch sehr unterschiedlich. So wurde die Front noch einmal verändert, indem am Ende des Wagenkastens eine Abrundung vorgenommen wurde. Damit sieht der Kopf des Fahrzeuges nicht mehr wie eine abgeschnittene Toastscheibe aus. Die Front des Zuges wurde nach dem Entwurf der büro+staubach gmbh gestaltet.

Fahrgastinformation

Grafik
Die geplante Innenraumanordnung eines Halbzuges. Grafik: Siemens/Stadler

Die Fahrgastinformation ist in dem Modell nur angedeutet vorhanden und soll erst 2017 beraten werden. Auffällig ist allerdings, dass hier keine farbigen Linienanzeiger dargestellt wurden. Diese Möglichkeit sollte nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Der seitliche Zielanzeiger ist in dem Modell links neben der zweiten Tür angebracht, der Auftraggeber fordert die Anbringung rechts neben der ersten Tür (beim Blick auf die Seitenwand des Modells). Egal wo dieser angebracht wird, er wird bei einer geöffneten Tür immer zum Teil abgedeckt. Im Falle des Modells ist es so, dass bei geöffneter Tür die Linie und ein Teil des Zieles erkennbar bleiben, während bei der Version neben der ersten Tür genau diese für den Fahrgast wichtigen Informationen verloren gehen würden. So sollte der Auftrag entsprechend geändert werden und der Zielanzeiger links neben der zweiten Tür angebracht werden.

Wie genau die Fahrgastinformation einmal aussehen wird, werden wir 2017 erfahren und wünschen uns, dazu befragt zu werden.

Die Warnsignale

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Eine eigenwillige Front ziert das Modell. Auffällig die klassische „Lok-Tür“ mit zwei Griffen und Trittbrett, die zum illegalen S-Bahn-Surfen einladen könnten. Foto: Holger Mertens
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Der Türraum ist mit LED-Leisten ausgestattet, die bei freigegebener Tür grün und bei sich schließender Tür rot leuchten. Foto: Marc Heller
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Die Führerhausrückwand dient als Infovitrine, die Tür zum Führerstand hat eine Glasscheibe und gewährt einen Blick auf die Strecke. In der rechten Türwute ist eine faltbare Rollstuhlrampe verstaut, die vom Lokführer auf Wunsch herausgeholt und angelegt wird. Foto: Holger Mertens
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Was ist die TSI PRM?

Die TSI PRM ist eine Vorschrift des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes und soll einen für Europa einheitlichen Standard festlegen. TSI steht für Technische Spezifikation für die Interoperabilität. Es gibt mehrere davon, die meisten sind für die Fahrgäste nicht relevant. PRM ist die Abkürzung für Personen mit reduzierter Mobilität. Sie enthält mehr oder weniger sinnvolle Vorschriften im Umgang mit Rollstuhlfahrern und anderen Menschen mit körperlichen Einschränkungen.

Da die S-Bahn ein in sich geschlossenes System ist, ist sie nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr nicht Bestandteil des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes. In der Anlage T zum Berliner S-Bahn-Vertrag wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die TSI PRM nicht zur Anwendung kommt. Auch ist der Türfindeton kein Bestandteil der TSI PRM. Er wurde auf Wunsch des VBB, nicht des Senats, dort eingebaut.

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Am Übergang Triebwagen/Mittelwagen ist nur ein Sitz. Hier sieht die IGEB Platz, um einen Doppelsitz anzubringen. Das bedeutet 16 zusätzliche Sitze in einem Vollzug. An den Rippen des Faltenbalgs lässt sich leider kein Liniennetzplan mehr anbringen wie bisher. Foto: Michael Dittrich
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Der Mittelgang ist frei von vertikalen Griffstangen. Diese sind in den Eingangsräumen seitlich angeordnet und laden Radfahrer dazu ein, mit ihrem Fahrrad den gesamten Durchgang zu versperren. Im Gang fehlen oben horizontale Griffstangen. Foto: Marc Heller
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Das Modell des Triebwagens in der von Stadler/büro+staubach vorgeschlagenen Farbgebung. Das Modell wurde von den Kulissenbauern des Studio Babelsberg täuschend echt hergestellt. Die erste und letzte Fahrgasttür lassen sich öffenen und schließen, mit leider zu vielen Warn- und Orientierungstönen. Foto: Marc Heller
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Außen auf den Türblättern sind LED-Leisten verbaut, die durch grün oder rot signalisieren, ob die Tür freigegeben ist oder nicht. Foto: Marc Heller
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Zum Vergleich die eher traditionelle Farbaufteilung der aktuellen Baureihe 481. Foto: Marc Heller

Die neuen Züge sollen bis zu vier verschiedene Warnsignale bekommen. Zum einen der Türfindeton, der Sehbehinderten den Weg zur Tür erleichtern soll. Unserer Meinung nach ist der nicht nur überflüssig, sondern auch nicht wirklich hilfreich, denn der Abstand der Türen ist so gering, dass die Pieptöne sich überlagern. Sie sind auch nicht vorgeschrieben, selbst wenn man die Vorschriften der TSI PRM (siehe Kasten Seite 6) anwendet, was bei der S-Bahn nicht erforderlich wäre, aber nach Auskunft des Herstellers wohl gemacht wird. So möchte man Problemen bei der Zulassung entgehen.

Ein weiterer Warnton ertönt bei jedem Schließen der Tür. Steht der Zug längere Zeit am Bahnsteig, z. B. an einer Endstation, wird bei jedem Schließen der Tür ein Piepton abgeben. Da sich die Türen wegen der Klimaanlage nach kurzer Zeit selbsttätig schließen, kann man sich in einem solchen Fall auf ein Piepkonzert gefasst machen.

Da Türen auch aufgehen müssen, ertönt beim Öffnen ebenfalls ein Piepton in einer anderen Tonlage. Alle drei Töne wurden in dem Modell verbaut und haben schon ein beachtliches Nervpotenzial. Der vierte Warnton wird nur erzeugt, wenn der Lokführer des Zuges das sogenannte Zwangsschließen auslöst. Es ist das Türschließsignal in einer schnelleren Tonfolge.

An allen Türen gibt es oberhalb des Fensters Leuchtbänder, die in Grün oder Rot leuchten, je nachdem ob die Türen frei oder verschlossen sind. Beim Zwangsschließen blinken diese in Rot.

Die Inneneinrichtung

Bedingt durch Vorschriften über das Verhalten des Fahrzeugs beim Aufprall auf ein Hindernis, z. B. an Bahnübergängen, und zum Schutz des Lokführers ist der Führerstand vergrößert worden. Dem geschuldet entfallen die Sitze hinter dem Führerstand, wie sie derzeit bei den Baureihen 480 und 481 vorhanden sind.

Direkt hinter dem Führerstand befindet sich die erste Einstiegstür, an der eine Rampe für Rollstuhlfahrer angelegt werden kann. Dahinter folgt dann das Mehrzweckabteil für Rollstühle, Kinderwagen oder Fahrräder. In diesem Bereich befinden sich Klappsitze, an deren Rückseite (im abgeklappten Zustand) mit einer Prioritätenliste auf den Zweck des Abteils hingewiesen wird. Obwohl es durchaus Bedenken dagegen gibt, werden diese Sitze von vielen gewünscht, um das Sitzplatzangebot nicht weiter einzuschränken.

Dieses Mehrzweckabteil ist vorrangig für Rollstuhlfahrer vorgesehen, deswegen wurde in dem Abteil eine Rückwand vom Fußboden bis kurz unter dem Fenster eingebaut. Dahinter befindet sich auf jeder Seite ein Doppelsitz. Die Sitzbezüge sind in dem typischen DB-Regio-Blau gehalten, was kostengünstiger sei.

Nach der Tür 2 folgt dann das „klassische“ Vierer-Abteil, wie man es aus den bisherigen Baureihen kennt. Der Sitzabstand beträgt 60 cm. In dem Modell fehlen hier die Querstangen zum Festhalten für stehende Fahrgäste. Dies ist eine der vier Fragen, die von der S-Bahn Berlin GmbH in der Befragung der Besucher gestellt wurden. Die IGEB ist der Meinung, dass diese unbedingt eingebaut werden sollten.

Zwischen der zweiten und dritten Tür befinden sich nur ein Vierer-Abteil und ein Einzelsitz. Danach folgt schon der Übergang zum nächsten Wagen. Hier endet das Modell an einer Wand, die mit einem Spiegel versehen ist. (md)

Einen Eindruck von den vielfältigen Pieptönen der Türen bekommen Sie in einem Video auf www.facebook.com/
fahrgastverband.igeb

Den Vertrag zwischen Berlin/Brandenburg und der S-Bahn Berlin GmbH, der Grundlage für die neuen Fahrzeuge ist, gibt´s unter www.stadtentwicklung.berlin.de/
verkehr/politik_planung/
oepnv/s_bahn/
Die „Anlage T“ beschäftigt sich mit den Fahrzeugen

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IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 5/2016 (November 2016), Seite 4-6

 

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