Bis zum 31. Juli 2016 konnten interessierte
Bürger und Verbände zu dem vorgestellten
Entwurf Stellungnahmen bzw. Verbesserungsvorschläge
abgeben. Auch seitens des
Deutschen Bahnkunden-Verbands wurden
Vorschläge zum Bereich Verkehr unterbreitet.
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Nachhaltigkeitsstrategie 2002: Kläglich versagt hat die Verkehrspolitik beim Ziel „Verlagerung von Transportleistungen von der Straße auf Bahn und Schiff“. Foto: Christian Schultz |
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Nicht nachvollziehbar ist bei dem Entwurf,
dass das bisherige Verlagerungsziel,
welches einen höheren Marktanteil des
klimafreundlichen Schienenverkehrs vorsieht,
gestrichen wurde. Denn gerade der
Verkehrsbereich hat als einziger Sektor der
Volkswirtschaft seit 1990 (im Gegensatz
beispielsweise zu Industrie, Handel und privaten
Verbrauchern) keine Senkung der von
ihm ausgehenden Treibhausgasemissionen
erzielen können.
Der Verkehr ist in Deutschland nach Angaben
des Umweltbundesamtes für rund
18 Prozent der Treibhausgasemissionen
verantwortlich. Verursacher ist hierbei mit
einem Anteil von 95 (!) Prozent der Straßenverkehr.
Weil kontinuierlich mehr Güter auf der
Straße transportiert werden und zusätzlich
auch der Trend zu schwereren Fahrzeugen
mit höherer Leistung geht, haben sparsamere
Motoren dem Klimaschutz letztlich
wenig genutzt. Allein im Jahr 2015 war beispielsweise
eine Steigerung der
Kohlendioxid-Emissionen um 1,5 Prozent auf 163,6
Mio. Tonnen zu verzeichnen.
Dabei war ein zentraler Bestandteil der aktuellen
Nachhaltigkeitsstrategie, welche im
Jahr 2002 erarbeitet wurde, die Verlagerung
von Straßenverkehr auf Schiene und Wasser.
Als Ziel wurde für das Jahr 2015 seinerzeit
ein Anteil des Schienengüterverkehrs von 25
Prozent bzw. der Binnenschifffahrt von 14
Prozent formuliert.
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Quelle: Allianz pro Schiene auf Basis von Statistisches Bundesamt, 2016 = 1. Quartal. |
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Aber diese Werte wurden deutlich verfehlt!
Während es in den Jahren 2003 bis
2008 noch kontinuierliche Steigerungen
des Marktanteils der Schiene von 15,7 auf
17,7 Prozent gab, lag der Wert 2015 (nach
Einbrüchen in den Jahren 2009 und 2010)
bei gerade einmal 17,6 Prozent. Unverständlich
ist die Untätigkeit der Verkehrspolitik
vor dem Hintergrund der erheblichen
Unterschiede bezüglich der Emissionen
an Treibhausgasen (angegeben als
Kohlendioxid-Äquivalente):
LKW (ab 3,5 t) | 97,5 g/tkm |
Eisenbahn | 23,4 g/tkm |
Binnenschiff | 33,4 g/tkm |
Flugzeug | 1539,6 g/tkm |
Schlimmer noch: Staatlich induzierte Kostenbelastungen,
u. a. durch die Novellierung
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
(EEG), sorgen ausgerechnet beim ressourcenschonenden
Schienenverkehr für spürbare
Steigerungen der Transportkosten.
Und während die Trassenpreise im Schienenverkehr
kontinuierlich angehoben wurden
– und zwar seit Jahren deutlich über
dem Anstieg des Verbraucherpreisindexes,
profitiert der Straßengüterverkehr von
sinkenden Mautsätzen. So lag der Durchschnittsmautsatz
2010 bei 17,42 Cent/Kilometer,
2015 dagegen bei rund 14,7 Cent/Kilometer. Diese Maßnahme konterkariert
damit die oben beschriebenen Verlagerungsziele.
Konsequente Maßnahmen zur
Erreichung der obigen Ziele sehen anders
aus!
Verkehrsvermeidung muss
verkehrspolitisches Ziel sein
Für eine verantwortungsvolle, nachhaltige
Verkehrspolitik muss es selbstverständliches
Ziel sein, die Verkehrsbelastung für
Mensch und Umwelt nicht ständig weiter zu
erhöhen. Das Hinnehmen des ungehemmtem
Verkehrswachstums, und zwar schwerpunktmäßig
des Straßen- und Luftverkehrs,
hat nichts mit nachhaltiger Verkehrspolitik
zu tun.
Das im Bundesverkehrswegeplan (BVWP)
2030 vorgestellte Szenario ist dabei eine verkehrspolitische
Bankrotterklärung: Im Zeitraum
zwischen 2010 und 2030 wird ein Zuwachs
der Transportleistung von 437,3 Mrd.
tkm auf 607,4 Mrd. tkm beim Verkehrsträger
Straße (d.h. + 170,1 Mrd. tkm), aber lediglich
von 107,6 Mrd. tkm auf 153,7 Mrd. tkm beim
Verkehrsträger Schiene (d.h. + 46,1 Mrd.
tkm) prognostiziert.
Hinzu kommt, dass im neuen Bundesverkehrswegeplan
offen zugegeben wird, dass
die Vorhaben des BVWP zumindest teilweise
auch zusätzlichen Verkehr induzieren oder
höhere Reisegeschwindigkeiten ermöglichen,
die wiederum mit zusätzlichen Emissionen
verbunden sind.
Mit den Projekten des Vordringlichen Bedarfs
(VB) und der Vordringlichen Bedarfs-Engpassbeseitigung
(VB-E) der Verkehrsträger
Straße, Schiene und Wasserstraße
wurde eine Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes
von gerade einmal 0,4 Millionen
Tonnen errechnet, wobei für 2030 sogar eine
Gesamtmenge von insgesamt 190 Millionen
Tonnen prognostiziert wird. Dabei leistet der
Straßenverkehr einen deutlich negativen
und lediglich die Verkehrsträger Schiene
und Wasserstraße einen positiven Beitrag
zu der geringen Emissionsreduzierung.
Dabei muss auch berücksichtigt werden,
dass bei der Mittelverteilung nicht das im
Bundesverkehrswegeplan beschriebene
„Investitionsszenario 3“ (d.h. eine Stärkung
der Verkehrsträger Schiene/Wasserstraße)
festgelegt wurde.
Völlig unverständlich: Es wurde mit
dem am 3. August 2016 vom Bundeskabinett
beschlossenen Bundesverkehrswegeplan
2030 die Chance vertan, dieses
Investitionsprogramm als strategischen
Bestandteil der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
weiterzuentwickeln. Letzteres
wäre jedoch dringend notwendig
gewesen! Das zeigt, wo die verkehrspolitischen
Prioritäten weiterhin gesetzt
werden.
Aussagekräftige Indikatoren in der
Nachhaltigkeitsstrategie 2016 festlegen!
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Der Kombinierte Verkehr ist ein wichtiges Element der Klimapolitik. Daher muss die sogenannte Verlagerungsinfrastruktur (Umschlaganlagen, Kapazitätserhöhung des Schienennetzes) forciert ausgebaut werden. Foto: Christian Schultz |
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In der Endfassung der Nachhaltigkeitsstrategie
müssen konkrete, messbare Marktanteilsziele
aufgenommen werden, die eine
Veränderung des Modal Splits zugunsten
energieeffizienter und klimaschonender
Verkehrsträger bewirken. Bis zum Jahr 2025
sollten daher Zielwerte von 25 Prozent für
den Anteil des Schienenverkehrs bei der
Güterverkehrsleistung und von 15 Prozent
für den Anteil des Schienenverkehrs bei der
Personenverkehrsleistung in die Nachhaltigkeitsstrategie
aufgenommen werden.
Ein Verzicht auf aussagekräftige Indikatoren
wäre nicht nachvollziehbar.
Auch das EU-Weißbuch Verkehr formuliert
ambitionierte Ziele für den Klimaschutz: 30
Prozent des Straßengüterverkehrs über 300
km sollen bis 2030 auf andere Verkehrsträger
wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr
verlagert werden, mehr als 50 Prozent bis
2050 – angesichts teilweise chaotischer Zustände
auf den Fernstraßen eine überfällige
Maßnahme!
Um o. g. Ziele zu erreichen, müssen verkehrspolitische
Rahmenbedingungen angepasst
werden. Im Folgenden sind einige
wesentliche Aspekte zum Güterverkehr beschrieben.
Überfällig:
externe Kosten stärker berücksichtigen
Notwendig ist eine deutlich stärkere Internalisierung
der externen Kosten. Im Güterverkehr
bedeutet dies die Berücksichtigung
von Kosten durch zum Teil schwerste Unfälle,
kontinuierlich steigenden Flächenverbrauch
für Straßen und Parkplätze (dazu
zählen z. B. auch Lkw-Parkplatzflächen an
den Bundesautobahnen), Zerschneidung
der Landschaft bzw. steigender Emissionen
durch Treibhausgase, Luftschadstoffe und
Lärm bei der Festlegung der Mauthöhe.
Des Weiteren muss die Mautpflicht auch
auf Landes- und Kreisstraßen ausgedehnt
werden. Allein im Bundesland Brandenburg
besteht ein Netz von 5707 km Landes- und
2970 km Kreisstraßen (Stand 1. Januar 2016).
Schließlich muss der Bahnkunde ebenfalls
für jeden gefahrenen Kilometer eine „Maut“
(Trassenpreis), noch dazu auf Basis einer
Vollkostenkalkulation, über seinen Fahrbzw.
Frachtpreis entrichten.
Zurzeit wird die Lkw-Maut lediglich auf
rund 13 000 km Bundesautobahnen und zusätzlich
auf rund 2300 km autobahnähnlich
ausgebauten Bundesstraßen erhoben. Seit
dem 1. Oktober 2015 gilt die Mautpflicht dabei
auch für Lkw zwischen 7,5 und 12 Tonnen
Gesamtgewicht. Die Ausdehnung der
Mautpflicht auf alle Bundesstraßen (zusätzlich
rund 40 000 km) ist geplant, jedoch erst
ab 1. Juli 2018.
Überfällig:
Engpässe im Schienennetz beseitigen
Dass die Stärkung des Schienenverkehrs bislang
verkehrspolitische Lippenbekenntnisse
sind, zeigt wiederum der kürzlich beschlossene
Bundesverkehrswegeplan 2030. Für
insgesamt 40 Schienenprojekte wurde eine
Bewertung bislang gar nicht durchgeführt
(gegenüber 26 neuen Vorhaben der Kategorien
VB und VB-E)!
Für die dafür kreierte Kategorie „Potenzieller
Bedarf“ muss eine Bewertung bzw.
Einstufung in Dringlichkeitskategorien nun
erst noch erfolgen. Unverständlich: Einen
verbindlichen Termin gibt es dafür nicht.
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CargoBeamer: Diese Variante des Kombinierten Verkehrs ermöglicht eine schnelle Bahnverladung speziell auch der seitens des Transportgewerbes (leider) überwiegend eingesetzten nicht kranbaren Sattelauflieger. Technische Lösungen für eine umfassende Verlagerung von Transporten auf die Schiene sind damit vorhanden! Foto: Christian Schultz |
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Dabei gibt es im „Potenziellen Bedarf“
keineswegs Projekte zweitrangiger Bedeutung,
sondern wichtige Maßnahmen zur
Engpassbeseitigung bzw. Kapazitätserhöhung
des Systems Schiene. Ein Beispiel: Mit
dem Projekt „740-m-Netz für Güterzüge“
sollen punktuelle Engpässe im Bereich der
Infrastruktur aufgelöst werden. Die größere
Zuglänge ermöglicht einerseits einen deutlichen
bzw. dringend notwendigen Effizienzsprung,
andererseits eine höhere Kapazität
des bestehenden Netzes.
Diese bislang ungenutzten Kapazitäten
werden für Verkehrsverlagerungen jedoch
benötigt. Nach Angaben der Deutschen
Bahn verkehren derzeit (oft wegen nur geringfügiger
Netzbeschränkungen) gerade
einmal 11 Prozent der Züge mit der europäischen
Standard-Zuglänge. Während sich das
Projekt „740-m-Netz für Güterzüge“ noch in
der Warteschleife befindet, plant Bundesverkehrsminister
Alexander Dobrindt dagegen
bereits die Regelzulassung für Gigaliner
und damit eine Fortsetzung der straßenlastigen
Verkehrspolitik.
Überfällig: Trassenpreise im
Schienenverkehr senken
Die Bundesregierung will von den Eisenbahnverkehrsunternehmen
(EVU) auch
weiterhin die hohen Vollkostenpreise
verlangen und folgt damit nicht der Empfehlung
der EU-Kommision, die deutlich
günstigeren Trassenpreise auf Grenzkostenbasis
(d.h. die unmittelbaren Kosten des
Zugbetriebs) zu veranschlagen. Die derzeit
üblichen Vollkostenzuschläge umfassen
dabei rund 70 Prozent der gesamten Trassenpreise.
Vor dem Hintergrund sinkender Mautsätze
und gesunkener Dieselpreise ist die Höhe
der Trassenpreise gerade für den preissensiblen
Schienengüterverkehr existenziell.
Hier besteht somit dringender Korrekturbedarf!
Überfällig:
Kombinierten Verkehr besser fördern
Für die Förderung von Umschlaganlagen
des Kombinierten Verkehrs will die Bundesregierung
2017 insgesamt 92,7 Millionen
Euro bereitstellen. Im Jahr 2015 waren es
92 Millionen Euro. Allerdings wurden von
dieser Summe nur knapp 28 Millionen Euro
tatsächlich abgerufen, 2014 waren es sogar
nur 17 Millionen Euro.
Zielgruppe dieser Fördermaßnahme sind
dabei Unternehmen in Privatrechtsform.
Nach der notwendigen Vereinfachung des
bislang viel zu komplizierten Förderverfahrens
(dazu zählt auch die deutliche Verkürzung
der Planungszeiten und die deutlich
beschleunigte Bearbeitung von Förderanträgen)
muss die Summe der Investitionsmittel
aufgestockt werden, da die derzeit
bestehenden intermodalen Umschlaganlagen
in der Regel hoch ausgelastet sind.
Die Aufstockung der Fördermittel für
den Neu- bzw. Ausbau von Umschlaganlagen
des Kombinierten Verkehrs ermöglicht
einen entsprechend forcierten Ausbau und
damit die Verlagerung von Verkehren auf
die Schiene. Durch die Zweckbindung eines
Teils einer Lkw-Mauterhöhung kann
dabei künftig eine deutlich verbesserte
Förderung des Kombinierten Verkehrs realisiert
werden.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und
IGEB Fernverkehr
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