Regionalverkehr

Regio-Bahnsteig Griebnitzsee endlich eröffnet
Desaströses Bedienkonzept mit RB 21/22

Zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2016 ist endlich der lange erwartete und noch länger geforderte zweite Regionalbahnsteig in Potsdam-Griebnitzsee ans Netz gegangen. Doch des einen Freud, ist des anderen Leid. Denn auf der einzigen dort haltenden Linie RB 21/22 fallen dafür andere Halte aus. Ein Konzept ist für den Fahrgast dabei nicht erkennbar.

Bahnhof
Der neue Regionalbahnsteig Potsdam Griebnitzsee, Fahrtrichtung Potsdam Hbf: Damit an dieser seit Jahren angekündigten und im Dezember 2016 endlich fertiggestellten Bahnsteigkante die aus Berlin kommenden RB-Züge auch halten können, hat man andere Halte in Berlin geopfert. Der Bahnsteig hat 5 Buswartehäuschen und immerhin einen LCD-Zugzielanzeiger. Der Aufzug soll erst am 27. Januar in Betrieb gehen. Foto: Florian Müller

Sind RB 21 und RB 22 nicht zwei Linien?

Auf dem Papier, ja, in Wirklichkeit nicht. Eigentlich ist es eine einzige Linie, die in Golm geflügelt wird, das heißt, der eine Zugteil fährt in die eine Richtung weiter, der andere in eine andere.

Welcher Halt ist jetzt für Griebnitzsee weggefallen?

Zwei Halte entfallen alternierend für Griebnitzsee, das ist zum einen Berlin-Charlottenburg und zum anderen Berlin-Wannsee.

Wieso alternierend?

Eigentlich wollte man nur den Halt in Charlottenburg streichen, doch jeweils stündlich fährt der RE 7 direkt vor der RB 21/22. Es bestünde demnach die Gefahr, dass die Züge trotz Haltausfall warten müssten, da der RE 7 ja in Charlottenburg gehalten hat und daher langsamer ist. Erst hinter Wannsee kurz vor Griebnitzsee trennen sich die Trassen.

Woran erkenne ich nun, wo nicht gehalten wird?

Schwieriger ist es, zu erkennen, wann welcher Zug wo hält und wo nicht. Die Züge, die planmäßig wenige Minuten hinter dem RE 7 fahren, halten in Charlottenburg und nicht in Wannsee, alle anderen umgekehrt. Alles klar? Natürlich nicht.

Den Verantwortlichen beim Verkehrsunternehmen DB Regio und dem Verkehrsverbund VBB ist das offensichtlich auch egal. Weder auf den Linienperlschnüren noch in der Netzspinne wird auf das undurchsichtige Bedienkonzept hingewiesen.

Das stellt ein komplettes Versagen der Mitarbeiter dar. Wer seinen Fahrgästen solch ein kompliziertes Haltekonzept zumuten will, der muss mindestens angemessen und verständlich darüber informieren! Wenn er das nicht kann oder will, dann darf er im Umkehrschluss auch solch ein Bedienkonzept nicht umsetzen. Doch VBB und DB Regio ignorieren dies einfach und lassen die Fahrgäste ein weiteres Mal uninformiert. Damit werden Fahrgäste mit einem Ticket Berlin AB, die in Berlin-Wannsee, dem letzten Bahnhof im Tarifgebiet Berlin AB, nicht mehr aussteigen können, unfreiwillig zu Schwarzfahrern.

Wieso muss ein Halt wegfallen? Ist die Stadtbahn Schuld?

Nein, das hat mit der Stadtbahn nichts zu tun und natürlich ist der Haltausfall auch nicht alternativlos. Diese Lösung ist einfach nur sehr bequem für die Verantwortlichen, weil sie mit keinem Aufwand verbunden ist.

Das aktuelle Bedienkonzept ist eine Notlösung. Ursprünglich war ein anderes Bedienkonzept ausgeschrieben, bei denen die beiden Linien nicht miteinander verknüpft waren. RB 21 und RB 22 sollten jeweils in Golm ankommend mit einem dort bereitstehenden Zugteil verbunden werden und dann mit erhöhter Kapazität auf die Stadtbahn verkehren. Auf der Rückfahrt sollten die Züge dann in Golm wieder getrennt werden, wobei der abgekuppelte Teil für den nächsten ankommenden Zug Richtung Stadtbahn dort verbleiben sollte.

Doch das Konzept ging nicht auf, weil Fahrzeuge fehlten und der Kuppelvorgang komplizierter und störanfälliger war als erwartet. Mit dem aktuellen Konzept wurden die Kuppelvorgänge auf ein Minimum beschränkt und es verbleiben keine Zugteile mehr in Golm. Dafür ist es jetzt ungleich komplizierter:

Grafik
Keine Verschnaufpause. Hier sind die Fahrt- und Wendezeiten von RB 21/22 dargestellt. Exakt 90 Minuten sind komplett verplant. Jede Verzögerung bleibt für den Umlauf dauerhaft bestehen, da der Puffer exakt Null beträgt. Jedem zusätzlicher Halt muss daher ein anderer Halt geopfert werden – vorausgesetzt, man will dieses labile Kartenhauskonzept beibehalten. Grafik: Holger Mertens

Ein Zug der RB 22 trifft in Golm auf einen Zug der RB 21. Beide werden dort zusammen gekuppelt und verkehren dann gemeinsam auf die Stadtbahn. In Friedrichstraße hat der Zug nun nur die Mindestwendezeit von 5 Minuten, um in die Gegenrichtung nach Golm zurückzufahren. In Golm wird er dann nicht getrennt, sondern fährt wiederum nach der Mindestwendezeit von 5 Minuten zurück nach Berlin Friedrichstraße, wo ein drittes Mal in Folge wieder nur die Mindestwendezeit von 5 Minuten besteht, um in die Gegenrichtung zurückzufahren. Erst bei der zweiten Ankunft in Golm wird der Zug nun getrennt und fährt dann als RB 21 und RB 22 in die jeweiligen Richtungen weiter.

Betriebswirtschaftlich ist das Konzept, bei dem die Züge immer unterwegs sind und niemals still stehen, natürlich äußerst attraktiv. Einen Fahrplan dermaßen auf Kante zu nähen, hat allerdings betriebliche Nachteile. Jede Verspätung wirkt sich sofort auf alle zukünftigen Fahrten dieses Zuges aus. Puffer für Verspätungen gibt es nicht. Und das spürt man auch. Denn immer wieder werden wegen Verspätungen Züge der RB 21/22 nicht bis Friedrichstraße gefahren, sondern kehren bereits in Berlin Zoo. Nach IGEB-Beobachtungen passiert das im Schnitt an 2 Tagen einer 5-Tage-Bedienwoche für diese Linie. Der Fahrplan ist also für eine zuverlässige Bedienung zu eng gestrickt.

Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn dann hat man natürlich auch keine 2 Minuten, um irgendwo zusätzlich zu halten. Der zusätzliche Halt in Griebnitzsee muss also irgendwo anders auf der Fahrt wieder eingespart werden, damit die Mindestwendezeit nicht gefährdet wird.

Moment Mal, aber bei den Zügen, die in Golm geteilt werden und nach Wustermark und Schönefeld weiterfahren, müsste der zusätzlich Halt doch möglich sein, weil keine Mindestwendezeit in Golm besteht?

Gut beobachtet! In Wustermark hat die RB 21 auch tatsächlich über 20 Minuten Wendezeit. Leider wurde die RB 22 vor einiger Zeit von Schönefeld nach Königs Wusterhausen verlängert. Und da besteht nur eine Wendezeit von knappen 6 bis 7 Minuten. Also auch hier wieder: betriebswirtschaftlich super, betrieblich und aus Fahrgastsicht unschön.

Also doch alternativlos?

Keineswegs! Es geht nur nicht mit dem aktuellen Bedienkonzept. Doch das ist betrieblich ohnehin so instabil wie ein Kartenhaus. Man hält nur daran fest, weil es betriebswirtschaftlich so attraktiv ist. Und weil es so schön einfach ist, daran festzuhalten und sich hinter fadenscheinigen sogenannten „Sachzwängen“ zu verstecken, anstatt ein besseres, stabileres Konzept auszuarbeiten. Möglichkeiten bestehen viele.

Beispielsweise würde ein zusätzlicher Wagenumlauf sofort Stabilität ins System bringen, und man könnte auch von Friedrichstraße über den sehr stark nachgefragten Alexanderplatz nach Ostbahnhof weiterfahren. Dann wäre auch genug Zeit für den zusätzlichen Halt, ohne andere dafür aufzulassen. Allein die Tatsache, dass man es geschafft hat, das aktuelle Bedienkonzept mit den extrem optimierten Wendezeiten bis exakt zum bestellten Endpunkt Friedrichstraße und keinen Millimeter weiter auf der Stadtbahn unterzubringen, zeigt doch, dass ganz offensichtlich ausreichend Spielraum bei den Fahrplantrassen auf der Stadtbahn besteht.

Ein Fazit?

Abschließend bleibt zu sagen, dass hier alle Beteiligten sich weder mit Ruhm bekleckert noch mit Kompetenz gestrahlt haben. Viel schlimmer: Man hat diverse Ausreden erfunden und den tatsächlich Sachzwang verschwiegen. Denn mit dem Wissen der echten Gründe wäre klar, es geht sehr wohl besser! Dazu müsste man aber auch an einer besseren Lösung interessiert sein und ein Konzept erarbeiten. Das ist Arbeit und Aufwand, den man gern scheut – vor allem, da das aktuelle Konzept so schön „effizient“ ist. Bis endlich jemand einschreitet und die nötige Überarbeitung durchsetzt, muss zumindest die Kundeninformation sofort verbessert werden!

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 6/2016 (Dezember 2016/Januar 2017), Seite 22-23

 

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