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Der neue Regionalbahnsteig Potsdam Griebnitzsee, Fahrtrichtung Potsdam Hbf: Damit an dieser seit Jahren angekündigten und im Dezember 2016 endlich fertiggestellten Bahnsteigkante die aus Berlin kommenden RB-Züge auch halten können, hat man andere Halte in Berlin geopfert. Der Bahnsteig hat 5 Buswartehäuschen und immerhin einen LCD-Zugzielanzeiger. Der Aufzug soll erst am 27. Januar in Betrieb gehen. Foto: Florian Müller |
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Sind RB 21 und RB 22 nicht zwei Linien?
Auf dem Papier, ja, in Wirklichkeit nicht. Eigentlich
ist es eine einzige Linie, die in Golm
geflügelt wird, das heißt, der eine Zugteil
fährt in die eine Richtung weiter, der andere
in eine andere.
Welcher Halt ist jetzt für Griebnitzsee
weggefallen?
Zwei Halte entfallen alternierend für Griebnitzsee,
das ist zum einen Berlin-Charlottenburg
und zum anderen Berlin-Wannsee.
Wieso alternierend?
Eigentlich wollte man nur den Halt in Charlottenburg
streichen, doch jeweils stündlich
fährt der RE 7 direkt vor der RB 21/22.
Es bestünde demnach die Gefahr, dass die
Züge trotz Haltausfall warten müssten, da
der RE 7 ja in Charlottenburg gehalten hat
und daher langsamer ist. Erst hinter Wannsee
kurz vor Griebnitzsee trennen sich die
Trassen.
Woran erkenne ich nun, wo nicht gehalten
wird?
Schwieriger ist es, zu erkennen, wann welcher
Zug wo hält und wo nicht. Die Züge, die
planmäßig wenige Minuten hinter dem RE 7
fahren, halten in Charlottenburg und nicht
in Wannsee, alle anderen umgekehrt. Alles
klar? Natürlich nicht.
Den Verantwortlichen beim Verkehrsunternehmen
DB Regio und dem Verkehrsverbund
VBB ist das offensichtlich auch egal.
Weder auf den Linienperlschnüren noch in
der Netzspinne wird auf das undurchsichtige
Bedienkonzept hingewiesen.
Das stellt ein komplettes Versagen der
Mitarbeiter dar. Wer seinen Fahrgästen
solch ein kompliziertes Haltekonzept zumuten
will, der muss mindestens angemessen
und verständlich darüber informieren!
Wenn er das nicht kann oder will, dann darf
er im Umkehrschluss auch solch ein Bedienkonzept
nicht umsetzen. Doch VBB und
DB Regio ignorieren dies einfach und lassen
die Fahrgäste ein weiteres Mal uninformiert.
Damit werden Fahrgäste mit einem Ticket
Berlin AB, die in Berlin-Wannsee, dem letzten
Bahnhof im Tarifgebiet Berlin AB, nicht
mehr aussteigen können, unfreiwillig zu
Schwarzfahrern.
Wieso muss ein Halt wegfallen? Ist die
Stadtbahn Schuld?
Nein, das hat mit der Stadtbahn nichts zu
tun und natürlich ist der Haltausfall auch
nicht alternativlos. Diese Lösung ist einfach
nur sehr bequem für die Verantwortlichen,
weil sie mit keinem Aufwand verbunden ist.
Das aktuelle Bedienkonzept ist eine Notlösung.
Ursprünglich war ein anderes Bedienkonzept
ausgeschrieben, bei denen die
beiden Linien nicht miteinander verknüpft
waren. RB 21 und RB 22 sollten jeweils in
Golm ankommend mit einem dort bereitstehenden
Zugteil verbunden werden und
dann mit erhöhter Kapazität auf die Stadtbahn
verkehren. Auf der Rückfahrt sollten
die Züge dann in Golm wieder getrennt
werden, wobei der abgekuppelte Teil für
den nächsten ankommenden Zug Richtung
Stadtbahn dort verbleiben sollte.
Doch das Konzept ging nicht auf, weil
Fahrzeuge fehlten und der Kuppelvorgang
komplizierter und störanfälliger war als erwartet.
Mit dem aktuellen Konzept wurden
die Kuppelvorgänge auf ein Minimum beschränkt
und es verbleiben keine Zugteile
mehr in Golm. Dafür ist es jetzt ungleich
komplizierter:
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Keine Verschnaufpause. Hier sind die Fahrt- und Wendezeiten von RB 21/22 dargestellt. Exakt 90 Minuten sind komplett verplant. Jede Verzögerung bleibt für den Umlauf dauerhaft bestehen, da der Puffer exakt Null beträgt. Jedem zusätzlicher Halt muss daher ein anderer Halt geopfert werden – vorausgesetzt, man will dieses labile Kartenhauskonzept beibehalten. Grafik: Holger Mertens |
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Ein Zug der RB 22 trifft in Golm auf einen
Zug der RB 21. Beide werden dort zusammen
gekuppelt und verkehren dann gemeinsam
auf die Stadtbahn. In Friedrichstraße hat
der Zug nun nur die Mindestwendezeit von
5 Minuten, um in die Gegenrichtung nach
Golm zurückzufahren. In Golm wird er dann
nicht getrennt, sondern fährt wiederum
nach der Mindestwendezeit von 5 Minuten
zurück nach Berlin Friedrichstraße, wo ein
drittes Mal in Folge wieder nur die Mindestwendezeit
von 5 Minuten besteht, um in die
Gegenrichtung zurückzufahren. Erst bei der
zweiten Ankunft in Golm wird der Zug nun
getrennt und fährt dann als RB 21 und RB 22
in die jeweiligen Richtungen weiter.
Betriebswirtschaftlich ist das Konzept, bei
dem die Züge immer unterwegs sind und
niemals still stehen, natürlich äußerst attraktiv.
Einen Fahrplan dermaßen auf Kante zu
nähen, hat allerdings betriebliche Nachteile.
Jede Verspätung wirkt sich sofort auf alle
zukünftigen Fahrten dieses Zuges aus. Puffer
für Verspätungen gibt es nicht. Und das
spürt man auch. Denn immer wieder werden
wegen Verspätungen Züge der RB 21/22
nicht bis Friedrichstraße gefahren, sondern
kehren bereits in Berlin Zoo. Nach IGEB-Beobachtungen
passiert das im Schnitt an 2
Tagen einer 5-Tage-Bedienwoche für diese
Linie. Der Fahrplan ist also für eine zuverlässige
Bedienung zu eng gestrickt.
Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn
dann hat man natürlich auch keine 2 Minuten,
um irgendwo zusätzlich zu halten. Der
zusätzliche Halt in Griebnitzsee muss also
irgendwo anders auf der Fahrt wieder eingespart
werden, damit die Mindestwendezeit
nicht gefährdet wird.
Moment Mal, aber bei den Zügen, die
in Golm geteilt werden und nach Wustermark
und Schönefeld weiterfahren,
müsste der zusätzlich Halt doch möglich
sein, weil keine Mindestwendezeit
in Golm besteht?
Gut beobachtet! In Wustermark hat die RB 21
auch tatsächlich über 20 Minuten Wendezeit.
Leider wurde die RB 22 vor einiger Zeit
von Schönefeld nach Königs Wusterhausen
verlängert. Und da besteht nur eine Wendezeit von
knappen 6 bis 7 Minuten. Also auch
hier wieder: betriebswirtschaftlich super,
betrieblich und aus Fahrgastsicht unschön.
Also doch alternativlos?
Keineswegs! Es geht nur nicht mit dem aktuellen
Bedienkonzept. Doch das ist betrieblich
ohnehin so instabil wie ein Kartenhaus.
Man hält nur daran fest, weil es betriebswirtschaftlich
so attraktiv ist. Und weil es
so schön einfach ist, daran festzuhalten und
sich hinter fadenscheinigen sogenannten
„Sachzwängen“ zu verstecken, anstatt ein
besseres, stabileres Konzept auszuarbeiten.
Möglichkeiten bestehen viele.
Beispielsweise würde ein zusätzlicher Wagenumlauf
sofort Stabilität ins System bringen,
und man könnte auch von Friedrichstraße
über den sehr stark nachgefragten Alexanderplatz
nach Ostbahnhof weiterfahren.
Dann wäre auch genug Zeit für den zusätzlichen
Halt, ohne andere dafür aufzulassen.
Allein die Tatsache, dass man es geschafft hat,
das aktuelle Bedienkonzept mit den extrem
optimierten Wendezeiten bis exakt zum bestellten
Endpunkt Friedrichstraße und keinen
Millimeter weiter auf der Stadtbahn unterzubringen,
zeigt doch, dass ganz offensichtlich
ausreichend Spielraum bei den Fahrplantrassen
auf der Stadtbahn besteht.
Ein Fazit?
Abschließend bleibt zu sagen, dass hier alle
Beteiligten sich weder mit Ruhm bekleckert
noch mit Kompetenz gestrahlt haben. Viel
schlimmer: Man hat diverse Ausreden erfunden
und den tatsächlich Sachzwang verschwiegen.
Denn mit dem Wissen der echten
Gründe wäre klar, es geht sehr wohl besser!
Dazu müsste man aber auch an einer besseren
Lösung interessiert sein und ein Konzept
erarbeiten. Das ist Arbeit und Aufwand, den
man gern scheut – vor allem, da das aktuelle
Konzept so schön „effizient“ ist. Bis endlich
jemand einschreitet und die nötige Überarbeitung
durchsetzt, muss zumindest die Kundeninformation
sofort verbessert werden!
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
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