Dazu muss man sich zunächst
die Streckenführung genauer
ansehen. Für das Gartenschau-Gelände ist diese ideal gewählt.
Verbindet sie doch den U-Bahnhof
als An- und Abreisepunkt mit
der Aussichtsplattform auf dem
Kienberg und die am weitesten
von der U-Bahn entfernten
Punkte mit der Freilichtbühne
als Veranstaltungs- und damit
Fahrgastgarant. Außerdem liegt
sie komplett im eingezäunten
Bereich.
Einzugsgebiet
Nach der IGA wird die eingezäunte
Fläche jedoch wieder in etwa
auf Vor-IGA-Größe schrumpfen.
Das Auftaktgelände an der
Wuhle und der Kienberg liegen
dann nicht mehr in den Gärten
der Welt und sind wieder frei
zugänglich. Folglich wird wohl
auch die zweite Talstation am Blumberger
Damm aus den Gärten ausgekoppelt. Als
ÖPNV-Einzugsgebiet dienen für diese Station
dann das Hochhaus-Wohngebiet zwischen
Blumberger Damm und Allee der Kosmonauten
sowie die angrenzenden Einfamilienhäuser
in der Elisabethstraße.
Beide sind allerdings auf der anderen Seite
in der Allee der Kosmonauten an eine Straßenbahnlinie
(M 8) angebunden, die direkt
ins Stadtzentrum und zum Hauptbahnhof
fährt. Gute Konkurrenz also.
Zum Einzugsgebiet hinzu gesellen sich
noch die alljährigen Besucher der Gärten der
Welt, die damit eine attraktive Anbindung an
die U-Bahn (U 5) erhalten, sowie die Besucher
von Veranstaltungen in der Freilichtarena,
welche allerdings eher punktuelle Nachfragespitzen
erzeugen wird.
Die Station auf dem Kienberg stellt ebenfalls
eine recht geringe Attraktivität für Quellund
Zielverkehre dar.
ÖPNV-Anschluss
Zum Schluss noch die Seilbahnstation am
U-Bahnhof, in derer direkten Nähe sich als
einziges Ziel tatsächlich nur der U-Bahnhof
anbietet – zum Weiterfahren. Womit wir
schon bei der Verknüpfung mit anderen
Verkehrsträgern wären – einem wichtigen
Punkt für erfolgreichen ÖPNV. Eine Bushaltestelle
liegt fast direkt davor. Der U-Bahnhof ist
hingegen von der Seilbahnstation etwa 200
Meter Fußweg entfernt. Dazu muss zusätzlich
eine vierspurige Straße überquert werden.
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Die Umlaufseilbahn ist durch ihre kontinuierliche Abfahrt attraktiv, siehe Abb auf Seite 7. Foto: Michael Dittrich |
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Genauso am Blumberger Damm. Das
Wohngebiet liegt auf der anderen Seite der
vierspurigen Straße. Und unglücklicherweise
auch noch genau zwischen zwei relativ weit
entfernten Querungsmöglichkeiten. Ebenso
weit weg befinden sich auch die Bushaltestellen.
Die Seilbahnstation hat die weitest
mögliche Entfernung zu den beiden nächstgelegenen
Bushaltestellen, die kürzlich sogar
neu gebaut wurden.
Ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen,
z. B. eine Querungsmöglichkeit und Verlegung
der neu gebauten Bushaltestellen, sieht
es also ziemlich schlecht mit der Erschließung
und Einbindung ins bestehende ÖPNV-Netz
aus.
Der Tarif
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Lageplan der IGA-Seilbahn mit drei Stationen. Grafik: Holger Mertens |
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Doch mindestens genauso wichtig wie die
Erschließungsfunktion ist der Tarif, mit der
die dann ÖPNV-Seilbahn genutzt werden
können soll. Hier ist derzeit geplant, neben
Einzeltickets auch günstige Monatspauschalen
anzubieten.
Kurzer Abstecher: Als 2016 das Verleihradsystem
in Berlin neu ausgeschrieben wurde,
gewann nicht Call-A-Bike der Deutschen
Bahn, sondern der Konkurrent Nextbike.
Dieser hatte große Pläne: Man wollte als
ÖPNV-Angebot in der breiten Öffentlichkeit
angenommen und wahrgenommen werden.
Ähnlich wie die erfolgreichen Systeme in anderen
Großstädten, beispielsweise Wien oder
Hamburg. Denn das war Call-A-Bike bisher in
Berlin nicht gelungen.
Ursachen gibt es reichlich, die schwerwiegendste
ist aber schlicht der Preis, den
der Verbraucher zu zahlen hat. Denn die
erfolgreichen Systeme haben allesamt eine
Gemeinsamkeit: Im Gegensatz zu den dahindümpelnden
Experimenten können Nutzer
diese mindestens die ersten 30 Minuten kostenlos
nutzen. Bei ausnahmslos allen nicht
erfolgreichen Systemen ist das nicht so.
Warum? Als die preiswerte Monatskarte für
den Nahverkehr in Berlin 1989 von der grünen
Vorgängerpartei Alternative Liste eingeführt
wurde, nannte man sie „Umweltkarte“.
Nicht ohne Grund: Der Nutzer sollte mit einer
Monatspauschale alle umweltfreundlichen
Verkehrsmittel unbegrenzt nutzen können
(heute nennen wir das Flatrate).
Kann ich als Kunde nun also Busse und
Bahnen nutzen – wieso sollte ich für ein
weiteres umweltfreundliches Transportmittel
extra bezahlen? Und sei es nur mit einer
zusätzlichen Pauschale? Was bringt mir das,
wenn ich doch, ohne mich abzustrampeln
und ohne Zusatzkosten, weiter mit Bahn und
Bus fahren kann? Dazu muss ich ideologisch
und/oder sportlich leicht überdreht sein, und
zusätzlich muss das Geld auch noch äußerst
locker sitzen.
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Die Fahrplanauskunft für eine Umlaufseilbahn in der Schweiz zeigt „Minutentakt“ – attraktiv für ein ÖPNV-Angebot. DB AG |
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Funktioniert für die Masse nicht. Das Leihrad
kommt für mich nur dann als echte Alternative
in Frage, wenn ich es schon mitbezahlt
habe. Das gilt entsprechend auch für die Seilbahn.
Warum soll ich als Anwohner für die
Seilbahn extra bezahlen, und sei es auch nur
ein geringer monatlicher Kostenpunkt, wenn
ich doch für die drumherum fahrenden Busse,
die U-Bahn, Straßenbahn, S-Bahn etc. bereits
bezahlt habe und diese vom jetzigen Standpunkt
kostenlos nutzen kann?
Erschwerend kommt hinzu, dass die Seilbahnlinie
allein unattraktiv ist, da sie im Süden
tatsächlich nur den U-Bahnhof anbindet,
aber keinen direkten Zielpunkt, wie etwa ein
Einkaufszentrum oder Ärztestandort. Man
muss demnach in jedem Fall mit der U-Bahn
weiterfahren – also extra bezahlen.
Tariflich sinnvoll ist nur eine Komplettintegration
in den VBB. Tickets für das Tarifgebiet
Berlin B, in dem sich die Seilbahn befindet,
müssten uneingeschränkt akzeptiert werden.
Darüber hinaus sollte man der Seilbahngesellschaft
einen Haustarif zugestehen, ähnlich
den Straßenbahn- und Busbetrieben im
Berliner Umland. Alles andere ist zum Scheitern
verurteilt. Dann wäre die Seilbahn ein
Ausflugsziel, aber kein Verkehrsmittel.
Fazit
Die Seilbahn eignet sich generell durchaus als
attraktives urbanes Transportmittel. Doch mit
den bestehenden Seilbahnstationen wird sie
es nicht leicht haben, sich zu behaupten. Ohne
bauliche Maßnahmen, die die Seilbahnstation
dichter ans Wohngebiet und die Bushaltestellen
heranbringt, wird es zusätzlich schwierig.
Kommen dann für die potenziell wenigen regelmäßigen
Nutzer noch zusätzliche Kosten
zur Umweltkarte dazu, ist das Scheitern als
ÖPNV-Angebot vorprogrammiert. (hm)
Berliner Fahrgastverband IGEB
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