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Seilbahnen als innerstädtisches Personenbeförderungsmittel
erwartet man natürlich am
ehesten in bergigen oder zumindest hügeligen
Regionen. Entsprechend ungewöhnlich
war, womit Kiel von 1974 an für anderthalb
Jahrzehnte aufwarten konnte: Die Seilbahn
des damaligen Kaufhauses Weipert verband
das Geschäftsgebäude mit dem Parkhaus
des Unternehmens auf der anderen Seite des
Bootshafens. In 18 Metern Höhe verkehrten
zwei Gondeln auf einer 143 Meter langen
Strecke.
Eine noch immer existierende Attraktion
ist hingegen die Seilbahn in Köln, die 2017 ihren
sechzigsten Geburtstag feiern kann. Über
den Rhein hinweg überspannt die Mitte der
sechziger Jahre leicht veränderte Anlage, die
heute den Kölner Verkehrs-Betrieben gehört,
eine Entfernung von 935 Metern. Entstanden
war sie für die vierte Bundesgartenschau 1957.
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Im Herbst 2013 wurde die Seilbahn in Wrocław (Breslau) eröffnet. Sie verbindet das Hauptgelände der Technischen Universität mit dem neuen Forschungs- und Bildungszentrum „Geo-Centrum“ auf der anderen Seite der Oder. 373 Meter lang, besitzt die „Polinka“ genannte Anlage zwei hin- und her pendelnde Kabinen für je 15 Passagiere. Damit kann sie pro Stunde 366 Personen transportieren. Sie wird von der Hochschule betrieben, ist aber öffentlich zugänglich. Kostenlos befördert werden jedoch nur die rund 34 000 Studenten und über 4000 Mitarbeiter der TU. Foto: Frank Lammers, Okt. 2016 |
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Für solche Veranstaltungen Seilbahnen zu
bauen, wie es nun auch in Berlin geschehen
ist, ist seither nichts Besonderes mehr. Oft wurden
sie aber nach dem Ende der Gartenschau
demontiert, so in Hamburg oder in Rostock.
Noch immer in Betrieb ist hingegen die zur
BUGA 2011 errichtete Seilbahn in Koblenz, die
ebenfalls den Rhein überquert. Da dieser hier
zum Welterbe Oberes Mittelrheintal gehört,
musste die UNESCO ihre Zustimmung zum
Weiterbetrieb geben: Er wurde genehmigt bis
zum Ende der technisch längstmöglichen Betriebsdauer
im Jahre 2026. Als Deutschlands
erste Dreiseilumlaufbahn
kann die Anlage
7600 Personen pro Stunde befördern und gilt
damit als die leistungsfähigste der Welt.
Womöglich liegt es an der dennoch vergleichsweise
geringen Transportkapazität,
dass Seilbahnen nur selten auch Funktionen
im „alltäglichen“ öffentlichen Personennahverkehr
erfüllen sollen. Dies gilt selbst für Kommunen
mit großen Höhenunterschieden im
Stadtgebiet und nicht nur für Gondelbahnen:
Auch die Standseilbahnen in Stuttgart und
Dresden haben kaum Nachahmer gefunden.
Dementsprechend eher eine Ausnahme
ist das aktuell diskutierte, heftig umstrittene
Projekt einer Wuppertaler Gondelbahn
vom Hauptbahnhof auf die Südhöhen, insbesondere
zur Anbindung der Universität.
Ungewöhnlich ist dabei auch, dass damit der
umfangreiche Busverkehr auf dieser Verbindung
reduziert werden soll. Gemeinhin wird
ebenjene Überwindung von Höhendifferenzen
über Straßen bevorzugt.
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Die „Roosevelt Island Tramway“ in New York verläuft parallel zur Queensboro Bridge. Die beiden Kabinen fahren unabhängig voneinander auf eigener Bahn und können aufgrund von je zwei Tragseilen im Abstand von 4,2 Metern auch bei Windgeschwindigkeiten über 80 km/h stabil fahren. Jede Kabine fasst 110 Fahrgäste und einen Fahrer. Foto: Reinhard Dietrich/Wikipedia |
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Anders in Portland im Nordwesten der
USA, wo die Oregon Health and Science University
bereits seit 2006 Seilbahnanschluss
besitzt: Zwischen dem Kern der Stadt und
einem oberhalb von ihr gelegenen Viertel
überwindet die 1033 Meter lange Anlage 145
Meter Höhenunterschied und bietet eine Alternative
zur engen, gewundenen Straße. Übrigens
gibt es in den Vereinigten Staaten nur
eine weitere innerstädtische Luftseilbahn: In
New York dient sie seit 1975 der Anbindung
von Roosevelt Island, einer schmalen, im East
River neben Manhattan gelegenen Insel, die
damals in ein Wohngebiet umgewandelt
wurde. Ursprünglich war die Seilbahn nur
als Provisorium gedacht, bis die geplante
U-Bahn fertig war.
Ebenfalls über einen breiten Fluss hinweg
führt die nach ihrem Sponsor benannte
„Emirates Air Line“ im Osten von London, die
zwischen Greenwich und den Docklands die
Themse überquert. Die mit 34 Gondeln für je
zehn Fahrgäste und zwei Fahrräder ausgestattete
Anlage, die auch rollstuhlgeeignet
ist, wurde zu den Olympischen Spielen 2012
eröffnet. Obwohl der Bau wesentlich von
Transport for London finanziert wurde und
die Verkehrsgesellschaft die Seilbahn auch
betreibt, gilt für diese ein Sondertarif.
Ganz andere Dimensionen, auch hinsichtlich
der Aufgaben, die sie im städtischen
ÖPNV erfüllt, besitzt die Wolga-Seilbahn in
Nischni Nowgorod. Sie verbindet die zentralrussische
Millionenstadt mit einem auf der
anderen Seite des Stroms gelegenen Vorort.
Obwohl dieser ein wichtiger Industriestandort
ist, gibt es keine direkte Straßen- oder Eisenbahnverbindung
über die Wolga hinweg,
die beiden einzigen Brücken sind rund sieben
Kilometer entfernt. Bei der Eröffnung 2012
besaß die 3661 Meter lange Seilbahn 28 Kabinen
für je acht Personen, inzwischen ist die
Zahl der Gondeln wie vorgesehen verdoppelt
worden. Damit können nun je Stunde und
Richtung 1000 Menschen befördert werden,
und dies übrigens bei Außentemperaturen
bis hinab zu minus 30 Grad Celsius.
Waren die beiden Anlagen in ihren Ländern
jeweils die erste Luftseilbahn für den ÖPNV,
so ist dieses Verkehrsmittel in Algerien seit
langem üblich. Beispielsweise verfügt Algier
gleich über fünf davon: Die älteste wurde 1956,
als die Stadt noch Teil Frankreichs war, zur Anbindung
neuer Wohnviertel gebaut, drei weitere
folgten in den achtziger Jahren, die jüngste
und mit drei Kilometern längste ging 2014
in Betrieb. Mit 57 Gondeln ausgestattet, überwindet
sie eine Höhendifferenz von mehr als
300 Metern. Weitere Seilbahnen sind geplant.
In der algerischen Küstengroßstadt Annaba,
unweit der Grenze zu Tunesien, schafft eine
vier Kilometer lange Gondelbahn eine Verbindung
zu einem Vorort, der sonst nur über eine
13 Kilometer lange Bergstraße zu erreichen
ist. Auch in anderen algerischen Städten setzt
man auf diese Form des ÖPNV.
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Im bolivischen La Paz hat man die Seilbahn als urbanes Verkehrsmittel entdeckt und überschwebt so das Verkehrschaos auf den Straßen. Foto: TheGamerJediPro/Wikipedia |
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La Paz hat bisher drei Seilbahnlinien in Betrieb (rote, gelbe und grüne Linie) mit zusammen zehn Stationen und 443 Kabinen. Weitere sechs Linien sind im Bau. Grafik: Michael F. Schönitzer/Wikipedia |
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Allerdings geschieht dies nirgends auf der
Welt stärker als in der bolivianischen Kapitale
La Paz. Rechnet man deren inzwischen
eigenständig gewordenen Vorort El Alto (der
mittlerweile mehr Einwohner zählt als La Paz)
ein, so erstreckt sie sich auf einer Höhe von
etwa 3200 bis 4100 Metern über dem Meeresspiegel
– im faktischen Stadtgebiet gibt
es also eine Höhendifferenz von rund 1000
Metern. Die Topographie behindert erheblich
den Verkehr, der ÖPNV wurde vor allem
von Minibussen und Sammeltaxis bewältigt,
bis 2012 ein Vertrag über die Errichtung eines
ganzen Netzes von Seilbahnen geschlossen
wurde – wenig überraschend mit der österreichischen
Firma Doppelmayr, ist diese doch
Weltmarktführer im Seilbahnbau. Die ersten
drei Linien gingen 2014 in Betrieb. Insgesamt
443 Kabinen, die jeweils zehn Personen Platz
bieten, verkehren auf 9788 Metern Strecke
mit zehn Stationen. Sechs weitere Linien werden
derzeit gebaut. Bis 2019 soll so ein Netz
von fast 30 Kilometern Länge entstehen, das
größte urbane weltweit.
Jan Gympel
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