Sachverhalt
Der Beschwerdeführer wollte ursprünglich
mit einem Zug um 10.56 Uhr von
Güstrow nach Köln-Chorweiler fahren.
Für diese Fahrt hatte er eine Fahrkarte
zu einem Preis von 49 Euro erworben.
Aufgrund von angekündigten Streikmaßnahmen
fiel jedoch die gewählte
Verbindung aus, so dass sich der Beschwerdeführer
noch vor Antritt der
Fahrt nach einer alternativen Verbindung
erkundigte. Von der Reiseauskunft
wurde ihm ein Zug mit Abfahrt bereits
um 8.56 Uhr in Güstrow genannt.
Am Reisetag kam es auf der Fahrt zu
einer weiteren streikbedingten Veränderung
der Reiseplanung, so dass der
Beschwerdeführer nach eigenen Angaben
tatsächlich erst um 9.01 Uhr in
Güstrow losfuhr und Köln-Chorweiler
um 20.30 Uhr erreichte. Planmäßig hätte
er bereits um 18.49 Uhr dort ankommen
sollen.
Nach der Fahrt wandte sich der Beschwerdeführer
an das Servicecenter
Fahrgastrechte und machte eine Verspätungsentschädigung
geltend.
Antwort der Beschwerdegegnerin
Das Servicecenter bezifferte die Verspätung
auf 101 Minuten und zahlte eine
Verspätungsentschädigung in Höhe von
12,25 Euro (25 Prozent des Fahrpreises).
Im Rahmen der weiteren Korrespondenz
bat der Beschwerdeführer, die ca. zwei
Stunden frühere Abfahrt in Güstrow
bei der Berechnung der Verspätungsentschädigung
mit einzubeziehen. Dies
wurde vom Servicecenter abgelehnt, da
„eine Verlängerung der Fahrzeit durch
Nutzung eines früher fahrenden Zuges“
bei der Prüfung nicht berücksichtigt
werden kann. Der Beschwerdeführer
war damit nicht zufrieden und bat die
söp um Prüfung.
Schlichtungsarbeit
Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers
und kam zu dem Ergebnis,
dass der Entschädigungsantrag
vom Servicecenter Fahrgastrechte korrekt
bearbeitet worden ist.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 a) Verordnung
(EG) Nr. 1371/2007 (VO) besteht ein Anspruch
auf Verspätungsentschädigung
bei Zugverspätungen ab 60 Minuten
in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises
und ab 120 Minuten 50 Prozent des
Fahrpreises. In Art. 3 Nr. 12 VO wird
„Verspätung“ als „die Zeitdifferenz zwischen
der planmäßigen Ankunftszeit
des Fahrgastes gemäß dem veröffentlichten
Fahrplan und dem Zeitpunkt
seiner tatsächlichen oder erwarteten
Ankunft“ definiert. Planmäßig sollte der
Beschwerdeführer um 18.49 Uhr an seinem
Zielort ankommen, tatsächlich erreichte
er Köln-Chorweiler aber erst um
20.30 Uhr. Die entschädigungsrelevante
Verspätung lag also unter 120 Minuten,
so dass nur ein Anspruch in Höhe von
25 Prozent des Fahrpreises geschuldet
war. Entschädigungsansprüche wegen
verfrühter Abfahrt oder Fahrzeitverlängerung
sieht die VO nach ihrem Wortlaut
nicht vor.
Die söp wies aber darauf hin, dass dem
Beschwerdeführer durch die streikbedingten
Verspätungen Unannehmlichkeiten
und erhebliche zeitliche Einbußen
entstanden sind. So musste er seine
Reise ca. 120 Minuten früher antreten
und kam trotzdem noch 101 Minuten
später an seinem Zielort an. Seine Reise
war damit über 3,5 Stunden länger
als geplant. Darüber hinaus machte die
söp deutlich, dass der Beschwerdeführer
die Verspätung nur dadurch minimieren
konnte, indem er sich bereits am Vortag
über eine alternative Reiseverbindung
informiert hatte. Wäre er wie geplant
um 10.56 Uhr am Bahnhof erschienen,
ist wohl davon auszugehen, dass die
Verspätung am Zielort mehr als 120
Minuten betragen hätte. Dann hätte er
einen Anspruch auf 50 Prozent der Ticketkosten
gehabt. Diese Kosten hat der
Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin
nunmehr erspart.
Die söp schlug daher vor, dem Beschwerdeführer
aus Kulanz einen Reisegutschein
im Wert von 10 Euro zu gewähren,
um den Unannehmlichkeiten
und der erheblichen Fahrzeitverlängerung
Rechnung zu tragen. Die Beschwerdegegnerin
zeigte sich nach Abwägung
der Umstände, insbesondere aufgrund
der um zwei Stunden vorverlegten Abfahrt,
bereit, dem Beschwerdeführer
entgegen zu kommen und akzeptierte
den Vorschlag der söp. Auch der Beschwerdeführer
war mit dem Gutschein
einverstanden, so dass die streitige Angelegenheit
einvernehmlich beigelegt
werden konnte.
Dr. Katja Schmidt
Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff
können von Verkehrsunternehmen wie
von deren Kunden noch so gut geplant
und organisiert sein: Es wird immer wieder
zu Problemen kommen, die Anlass
zur Beschwerde geben. Wer auf seine
Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort
bekommt, kann sich an die söp, die
Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet
dann einen Schlichtungsvorschlag zur
einvernehmlichen und außergerichtlichen
Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten
Geld, Zeit und Ärger.
SIGNAL-Leserinnen und -Leser können
in jeder Ausgabe anhand eines konkreten
Falls einen Einblick in die praktische Arbeit
der söp bekommen.
Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der
Länder Baden-Württemberg, Bayern,
Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen-Anhalt und Thüringen
können sich an die söp wenden, wenn
sie auf ihre Beschwerde hin von dem an
der Schlichtung teilnehmenden Verkehrsunternehmen
der Region keine sie zufriedenstellende
Antwort erhalten haben.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
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