Tunnelbau ist extrem teuer und erfordert
sehr viel Zeit. Aktuelle Beispiele sind die
Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 vom
Alexanderplatz zum Hauptbahnhof und
die sogenannte S 21, der zweite Nordsüd-Tunnel für die Berliner S-Bahn.
Während die U 5-Verlängerung nach einem
20-jährigen Planungs- und Bauzeitraum
voraussichtlich Ende 2020 in Betrieb
genommen werden kann, ist für die S 21
noch keine Fertigstellung in Sicht, nicht
einmal für den im Bau befindlichen nördlichen
Abschnitt vom Nordring zum Hauptbahnhof.
Für den mittleren Abschnitt zwischen
Hauptbahnhof und Potsdamer Platz
ist lediglich klar, dass eine Fertigstellung
erst nach 2030 realistisch ist.
Vor diesem Hintergrund war es konsequent,
dass der Berliner Senat seit zwei
Jahrzehnten über die U 5-Verlängerung
hinaus keine konkreten U-Bahn-Projekte
verfolgt hat – gleich welche Parteien den
Senat gebildet haben. Niemals gab es ein
grundsätzliches Votum gegen die U-Bahn,
sondern es gab Entscheidungen zugunsten
anderer Prioritäten.
Besonders konsequent ist in dieser Hinsicht
die Koalitionsvereinbarung 2016 des
aktuellen rot-rot-grünen Senats: Klare
Aussagen zum Ausbau des Straßennetzes,
keine Aussage zum U-Bahn-Netz.
Natürlich gibt es in Berlin auch noch
sinnvolle Projekte zur Erweiterung des
U-Bahn-Netzes, aber der extrem hohe
Finanz- und Zeitbedarf sind gute Gründe
für andere Prioritäten. Dass diese Politik
lebhaft diskutiert wird, ist verständlich.
Nicht verständlich aber ist, dass auch
der rot-rot-grüne Senat intensiv über
U-Bahn-Bau diskutiert und damit die Koalitionsvereinbarung
in Frage stellt. Die von
den Grünen eingesetzte Verkehrssenatorin
Regine Günther geht hier mit schlechtem
Beispiel voran. Aber auch in der SPD
hat so mancher seine Liebe zum U-Bahn-Bau
entdeckt, allen voran der Regierende
Bürgermeister Michael Müller.
Im Protokoll der Senatssitzung vom 21.
März 2017 heißt es: „Der Regierende Bürgermeister
hält es für überlegenswert, ungeachtet
der Konzentration des Ausbaus
des schienengebundenen Nahverkehrs
auf die Straßenbahn auch verkehrlich
sehr wirksame U-Bahn-Erweiterungen im
Blickfeld zu haben. Hierzu zählen nach
seiner Ansicht eine Verlängerung der U 8
in das Märkische Viertel und die Prüfung
einer Anbindung des BER durch eine Verlängerung
der U 7. Darüber hinaus sollten
die vorhandenen Vorratsbauten für
U-Bahn-Strecken auf eine Verwendung
geprüft werden.“
Personalkapazitäten der Planer knapp
Es ist kaum zu glauben: Statt alle Personalkapazitäten
auf das ehrgeizige Straßenbahnprogramm
zu konzentrieren, soll nun also
ausgerechnet unter diesem Senat verstärkt
der U-Bahn-Bau geprüft werden.
Dabei gibt es gute Gründe, warum
U-Bahn-Neubau-Projekte nicht aufgegeben,
aber seit Jahren auf unbestimmte
Zeit zurückgestellt wurden. So steht beispielsweise
in der „Mitteilung zur Kenntnisnahme“
zum Stadtentwicklungsplans
Verkehr (StEP Verkehr) vom 16. Juli 2003
(Abgeordnetenhaus-Drucksache 15/1920):
„Verlängerung U 7 bis Rudow Süd und/oder
bis Schönefeld: Bei hohen Investitionskosten
und zusätzlichen Betriebskosten ist
weder durch eine Verlängerung bis Rudow
Süd noch bis zum Flughafen Schönefeld
ein signifikanter verkehrlicher Nutzen zu
erzielen. (Die Einrichtung einer Express-U-Bahn
nach Schönefeld scheidet aus
technischen und betrieblichen Gründen
aus.) Ein Verzicht auf die Darstellung wird
empfohlen.“ Verantwortlich dafür waren
der Regierende Bürgermeister Klaus
Wowereit und Stadtentwicklungssenator
Peter Strieder (beide SPD). Und Michael
Müller war SPD-Fraktionsvorsitzender.
Natürlich kann man ein 14 Jahre altes
Prüfergebnis wieder in Frage stellen. Aber
an den Rahmenbedingungen, dass ein Kilometer
U-Bahn-Bau das Zehnfache von
einem Kilometer Straßenbahnbau kostet
und deutlich länger dauert, hat sich nichts
geändert. Deshalb sollten sich der Regierende
Bürgermeister und die Verkehrssenatorin
endlich darauf konzentrieren, die
ehrgeizige Koalitionsvereinbarung vom
16. November 2016 (s. SIGNAL 6/2016) umzusetzen.
Zur Erinnerung, darin steht: „Die Koalition
will den Ausbau der Straßenbahn vorantreiben.
Unter Beteiligung der Öffentlichkeit
wird sie innerhalb der nächsten
fünf Jahre ein Zielnetz für den Ausbau der
Straßenbahn festlegen, dieses in den StEP
Verkehr einarbeiten und im Flächennutzungsplan
verankern.“ Um diese Zusage
einzulösen, darf der Senat sein knappes
Fachpersonal nicht länger mit U-Bahn-Untersuchungen
belasten – jedenfalls nicht
in dieser Legislaturperiode.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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