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Wenn man so schön auf der linken Straßenseite geradelt ist, kann man doch auch noch eben bei Rot den Weg der Straßenbahn kreuzen, die sich gerade in voller Fahrt nähert. Hätte deren Lenker nicht noch rechtzeitig scharf bremsen können oder wäre der forsche Radler auf den Rillenschienen ins Schleudern gekommen, gestürzt und unter die Tram geraten, wäre vermutlich letztere als schuldig dargestellt worden statt zu erörtern, wie einzelne verantwortungslose Pedaltreter die Radfahrer ebenso in Verruf bringen wie sie es mit der Straßenbahn tun. Fotos: Jan Gympel |
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Heute ist die unbedingte Vorrangstellung
für den motorisierten Individualverkehr, die
zu diesem Denken gehörte, nicht mehr so
problemlos zu propagieren – zu deutlich
sind inzwischen die ökologischen, ökonomischen
und gesundheitlichen Folgen der
Kraftfahrzeugflut geworden. Die pathologischen
Straßenbahnhasser haben daher einen
neuen Schlachtruf ersonnen: Statt eines
Verkehrshindernisses ist die Tram –die leistungsfähigste
und neben dem Obus einzige
verlässliche Vertreterin der vielbeschworenen
Elektromobilität auf unseren Straßen –
nun gemeingefährlich.
Im Zeitalter der „alternativen Fakten“ hat
man dann natürlich auch gleich allerlei Zahlen
zur Hand, denen zufolge bei Straßenbahnen
die Unfallgefahr mit Personenschäden
bis hin zum Tod besonders hoch wäre. So
stellte der Gesamtverband der Deutschen
Versicherungswirtschaft (GDV) 2016 eine
Studie vor, die zu Ergebnissen wie diesem
kam: „Bezogen auf die Fahrleistung sind Unfälle
mit Straßenbahnen achtmal so schwer
wie Unfälle mit Pkw, bezogen auf die Beförderungsleistung
allerdings nur ein Fünftel
so schwer. Wird jedoch nur die Anzahl der
Getöteten betrachtet, dann ist die Straßenbahn
auch hinsichtlich Beförderungsleistung
nicht besser als der Pkw und hinsichtlich Fahrleistung sogar 35-mal unsicherer.“
Daraus wurden dann Pressemeldungen
über das „Unfallrisiko Straßenbahn“ (siehe
SIGNAL 2/2017).
„Völlig überraschend“ wurde und wird dabei
gern vergessen zu erwähnen, dass die
Gefahr praktisch nicht für die Fahrgäste der
Straßenbahn existiert, sondern fast nur für
Personen, die der Straßenbahn in die Quere
kommen. Und „erstaunlicherweise“ schenkt
man auch keinerlei Beachtung der Frage,
wer die schweren Unfälle mit schlimmen
Folgen eigentlich verursacht hat.
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Die Unfähigkeit, ein großes, langes, strahlend weiß und leuchtend gelb lackiertes Schienenfahrzeug, welches auf einen zukommt, wahrzunehmen, ist noch lange kein Grund, nicht am Straßenverkehr teilzunehmen (oder zumindest belebte, etwas unübersichtliche Kreuzungen zu meiden). Diese wackere Radlerin rollte jedenfalls schnurstracks auf eine Kollision mit dem Zug zu – bis sie sich nach mehrmaligem Warnsignal doch zu einem Stopp bewegen ließ (wobei sich ihr Vorderrad schon fast im Lichtraumprofil der Tram befand). Fotos: Jan Gympel |
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Unsere Bilder zeigen zwei Fastunfälle mit
Radfahrern, zwei zufällig eingefangene Ereignisse,
die aber, wie man aus Gesprächen
mit Straßenbahnlenkern erfährt, leider keineswegs
Seltenheitswert besitzen und auch
ergänzt werden könnten durch Berichte von
ähnlichen Erlebnissen mit unaufmerksamen
Autofahrern oder Fußgängern.
Angesichts dieser Aufnahmen erübrigt
sich wohl, daran zu erinnern, dass die Fähigkeit
zur Benutzung eines Fahrrades im
Straßenverkehr nicht nachgewiesen werden
muss. Ebenso wenig wie die Fähigkeit,
das Verkehrsgeschehen im Blick zu behalten,
ein großes, langes, strahlend weiß und
leuchtend gelb lackiertes Schienenfahrzeug,
welches sich einem nähert, wahrzunehmen
oder zu begreifen, dass dieses nicht ausweichen
kann, andererseits aber mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch nur den durch die
Gleise vorgegebenen Weg nehmen wird.
So sicher wie letzteres wäre im Übrigen
auch das übliche Wehklagen über die gefährlichen
Straßenbahnen gewesen, hätte
die einzig und allein durch die Radfahrer
verursachte Kollision in diesen beiden Fällen
nicht gerade noch durch die schnelle Reaktion
der Triebfahrzeugführer verhindert
werden können.
Und mit hoher Wahrscheinlichkeit
wäre in den Medien dann von einem
„Straßenbahnunfall“ die Rede gewesen,
wie ja auch Autos oder Fußgänger, die
auf (sogar beschrankten) Bahnübergängen
von einem Schienenfahrzeug erfasst
werden, meist als Opfer eines „Zugunglücks“
gelten.
Deshalb: Wenn Ihnen wieder mal jemand
etwas von der Gefährlichkeit der
Straßenbahn erzählt – zeigen Sie ihm diese
Bilder. Jan Gympel
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