Vom 11. Juni bis 10. Juli 2018 erfolgte endlich
die Öffentliche Auslegung der Planfeststellungsunterlagen
für den Straßenbahnneubau
von der Wissenschaftsstadt Adlershof
zum Regional- und S-Bahnhof Schöneweide,
genannt „Adlershof II“.
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Grafik: renderwerke |
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Es ist merkwürdig,
dass ausgerechnet
diese Planung so viel später als angekündigt
ausgelegt wurde, denn schon vor zwei Jahren
lagen nahezu identische Pläne von Senat
und BVG vor. Dazu kommt, dass von den drei
bisher gestarteten Vorhaben diese Strecke
die einfachste ist. Ein langer Abschnitt der
Trasse wurde schon vor vielen Jahren im
Mittelstreifen des Groß-Berliner-Damms
freigehalten, so dass hier zum Beispiel kaum
Straßenbauarbeiten oder die Verlegung unterirdischer
Leitungen erforderlich werden.
Eigentlich hätte diese Strecke also schon
in diesem Jahr in Betrieb gehen können.
Das wäre auch deshalb gut gewesen, damit
die jetzt neu nach Adlershof ziehenden
Bewohner einerseits von Beginn an die
Straßenbahn hätten nutzen können und
andererseits nicht zu Bedenkenträgern
in der Planfeststellung hätten werden
können.
Überall Verfahrenshürden
Am Projekt „Adlershof II“ lassen sich anschaulich
die Hürden zeigen, die solche
Vorhaben heutzutage generell bewältigen
müssen. Zunächst muss in den dafür zuständigen
Behörden ausreichend Personal vorhanden
sein. Doch jahrelang gab es für das
größte deutsche Straßenbahn-Netz bei der
Senatsverkehrsverwaltung nur einen einzigen
Planer – und auch jetzt sind noch nicht
alle neuen Stellen besetzt.
Außerdem muss die genehmigungsfähige
Detailplanung auch umsetzbar sein, u. a. müssen
alle Maßnahmen im Umfeld abgeschlossen
sein. Am Bahnhof Berlin-Schöneweide ist
das leider nicht der Fall. Zusammen mit der
neuen Strecke durch die Wissenschaftsstadt
Adlershof sollten auch die Bestandsanlagen
in Schöneweide umgebaut werden.
Eine
neue Wendeanlage für Bus
und Tram soll sowohl den Betriebsablauf
als auch die Umsteigesituation verbessern.
Zwar lagen für die Neugestaltung des Verkehrsknotens
die Pläne ebenfalls rechtzeitig
vor, aber diese gingen von einem pünktlichen Abschluss der zuvor nötigen Umbauten
im Eisenbahnteil der Station aus und
sind außerdem umstritten (siehe SIGNAL 6/2008 und 6/2017).
Der nun schon um Jahre verzögerte Umbau
des Bahnhofs Schöneweide durch die
Deutsche Bahn sorgte aber dafür, dass die
Planungen für die Straßenbahn schon weit
vor einem möglichen Baubeginn veraltet
waren, weil sich zahlreiche Vorschriften
inzwischen geändert hatten. Der Beginn
eines teuren Planfeststellungsverfahrens
mit nicht genehmigungsfähigen Plänen ist
natürlich ausgeschlossen.
In der Folge standen Senat und BVG vor
der Alternative, entweder wegen fehlender
500 Meter Strecke den gesamten Neubau
um weitere Jahre zu verschieben oder das
schon fertige Verfahren in zwei separate
Teile zu trennen, so dass nur die eigentliche
Neubaustrecke ihre endgültige Gestalt
erhält, aber der Anschluss an das Bestandsnetz
in Schöneweide in einem Provisorium
erfolgt, das dem späteren Umbau des Bahnhofs
nicht vorgreift.
Diese (unvermeidliche) Notlösung verschlechtert
die betrieblichen Möglichkeiten
für die Straßenbahn: Da in der alten Anlage
in Schöneweide die Bahnen aus Adlershof
nicht wenden können, sind Durchbindungen
von Linien nötig, was durch die damit
einhergehenden langen Umlaufzeiten die
Betriebsqualität verschlechtern und eine
Reaktion auf Störungen erschweren wird.
Eine weitere Hürde konnte unter dem
Vorgängersenat ebenfalls noch nicht abgesehen
werden: die Dringlichkeit eines neuen
Betriebshofes für den Südosten Berlins.
Die bisherigen zaghaften und immer wieder
verzögerten Ausbauplanungen für die
Straßenbahn ließen die bestehenden Betriebshofkapazitäten
der BVG für die nächsten
Jahre ausreichend erscheinen. Zudem
wären die wenigen Neubaustrecken nicht
im dünner besiedelten Südosten, sondern
mehr im Zentrum der Stadt zu finden.
Mit der vom neuen Senat ausgerufenen
ÖPNV-Erweiterungspolitik werden nun
auch im Bestandsnetz mehr Wagen benötigt.
Außerdem wurde die Wissenschaftsstadt
Adlershof (WISTA) eines der erfolgreichsten
Berliner Stadtentwicklungsprojekte
und verlangte nach einer adäquaten
Anbindung mit dichten Takten.
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Links die neugestaltete Anbindung an das Bestandsnetz auf der Kreuzung Sterndamm/Groß-Berliner Damm. Nördlich anschließend wird an der Kombispur Bus/Tram eine provisorische Haltestelle eingerichtet. Grafik: SGT-Plan GmbH |
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Da die alten Betriebshöfe im Umfeld
dieser Neubaustrecke, Köpenick und Schöneweide,
nicht erweiterbar und für Niederflurzüge
kaum nutzbar sind, muss nun sehr
schnell eine neue Lösung her. Nachdem
zunächst ein Standort östlich vom Groß-Berliner Damm favorisiert wurde, entschied
man sich nun für eine Fläche südlich der
Wendeschleife am S-Bahnhof Adlershof,
was Auswirkungen auf den Bauablauf hat.
Schließlich soll eben diese Schleife genutzt
werden, wenn diejenige am heutigen Streckenende
an der Karl-Ziegler-Straße beim
Anschluss der Neubaustrecke aufgelassen
wird.
Betrachtet man die Verzögerungen bei
Adlershof II, einer wichtigen, aber eigentlich
kleinen und einfachen Streckenerweiterung,
fragt man sich besorgt: Wie soll das
erst bei den richtig großen Projekten werden,
zum Beispiel dem Neubau vom Alexanderplatz
zum Potsdamer Platz und weiter
zum Rathaus Steglitz?
Die Strecke im Detail
Da die am 4. September 2011 in Betrieb genommene
Strecke zur Wendeschleife Karl-Ziegler-Straße (siehe SIGNAL 4/2011) schon
der erste Teil der „WISTA-Straßenbahn“ ist,
schließt die neue Trasse genau hinter der
letzten Haltestelle an. Dabei soll die heute
vorhandene Wendeschleife entfallen und
durch eine Wendeanlage für Zweirichtungswagen
gleich an der nächsten Haltestelle
ersetzt werden – dazu unten mehr.
Das erste Stück der neuen Trasse verlässt
das rechtwinklige Straßenraster des
Neubaugebietes und führt diagonal durch
eine öffentliche Grünanlage, das Oktagon,
bevor mit der Haltestelle Landschaftspark
Johannisthal wieder neben eine Straße, die
Hermann-Dorner-Allee, eingeschwenkt
wird. Dementsprechend schließt sich unmittelbar
an diese Haltestelle ein 90-Grad-Bogen in den Groß-Berliner-Damm an, auf
dem die Strecke dann weitgehend geradlinig
bis kurz vor den Bahnhof Schöneweide
geplant ist.
Direkt hinter der Kurve wird im nun benutzten
Mittelstreifen eine Kehranlage mit
zwei hintereinander liegenden Wartepositionen
für 40-m-Züge gebaut, die sich zwar
die Einfahrweichen teilen müssen, aber
separate Gleiswechsel für die Ausfahrt zurück auf das Streckengleis haben. Zusätzlich
ist das Wendegleis am Ende wieder an das
Streckengleis Richtung Schöneweide angeschlossen,
so dass im Störungsfall auch in
der Gegenrichtung gewendet werden kann.
Der eigene Bahnkörper auf dem Mittelstreifen
wird so weit wie möglich als Rasengleis
ausgeführt, lediglich an einer Stelle
im Bereich einer Feuerwache wird er überfahrbar
gestaltet. An dieser Stelle wird auch
eine Ampel (Lichtsignalanlage – LSA) errichtet,
die sowohl die Straßenbahn als auch den
gesamten Autoverkehr stoppt, wenn aus der
Wache zum Einsatz ausgerückt wird.
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Oben beispielhaft ein neu gestalteter Kreuzungsbereich auf dem Groß-Berliner-Damm ohne separate Linksabbiegespuren, was den Straßenbahnvorrang verhindert. Dafür behalten die Autos ihre zwei Fahrspuren pro Richtung trotz prognostiziertem Verkehrsrückgang! Grafik: SGT-Plan GmbH |
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Im übrigen Streckenverlauf werden
zahlreiche Überfahrten für Autos auf dem
Mittelstreifen geschlossen, und an den
verbleibenden Knotenpunkten soll es eine
funktionierende Vorrangschaltung für die
Straßenbahn geben. Die geschlossenen
Überfahrten sollen allerdings als Fußgängerüberwege
erhalten bleiben. Auch die
Bäume auf dem Groß-Berliner-Damm bleiben
fast alle stehen, wenn die Straßenbahn
gebaut wird. Zwischenzeitlich sah es so aus,
als ob die neu gepflanzten Bäume zu dicht
an der Straße stehen und gefällt oder versetzt
werden müssten.
Kfz-Verkehr hat Vorrang vor Tram
Was sich auf den ersten Blick wie eine zeitgemäße
Bahnplanung anhört, hat allerdings
einige Haken in den Kreuzungsbereichen:
Weil der Senat trotz des erklärten Zieles
einer Verringerung des parallelen Autoverkehrs
durch eben diese Neubaustrecke mit
einer Zunahme des Kfz-Verkehrs rechnet,
sollen durchgehend zwei Spuren pro Richtung
erhalten werden, und zwar zulasten
separater Linksabbiegespuren. Das hat zur
Folge, dass die Linksabbieger zusammen
mit dem bahnparallelen Autoverkehr freigegeben
werden und dann auf den Straßenbahngleisen
warten müssen, was wiederum
als „Argument“ gegen mehr Freigaben für
die Tram dient. Das bedeutet, dass die Straßenbahn
stets erst nach dem Straßenverkehr
fahren kann.
Auf einer neuen Trasse auf den ÖPNV-Vorrang
zu verzichten, ist ein Armutszeugnis
für den rot-rot-grünen Senat. So jedenfalls
ist die angestrebte Verkehrswende nicht zu
schaffen.
Da der größte Teil der Strecke heute von
einer Buslinie, quasi im Straßenbahn-Vorlaufbetrieb,
bedient wird, werden im Streckenverlauf
einige Bushaltestellen entbehrlich.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat
sich in seiner Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren
dafür ausgesprochen, dass die Möglichkeit erhalten bleibt, im Störungsfall
schnell einen Ersatzverkehr anbieten
zu können. Dort wo dies nötig ist, sollten
die Bushaltestellen also nicht vorschnell aufgegeben
werden. An den anderen Stellen
sollten die Flächen nicht dem Autoverkehr
überlassen werden, sondern zu gut zugänglichen
Fahrrad-Abstellanlagen umgebaut
werden.
Strecke sucht Anschluss
Der S- und Regionalbahnhof Berlin-Schöneweide
ist einer der letzten nicht modernisierten
in Berlin. Gleiches trifft auch auf die
Straßenbahnanlagen in seinem Umfeld zu.
Nachdem die letzten realisierten Netzverknüpfungen
Straßenbahn/Eisenbahn entweder
schlecht geplant (Adlershof, Pankow)
oder zu umsteige-feindlich gebaut wurden
(Hauptbahnhof, Friedrichstraße), haben Senat,
Deutsche Bahn und BVG hier eine neue
Chance, eine zukunftsweisende fahrgastfreundliche
Verknüpfungsstelle mit kurzen
und wettergeschützten Wegen zwischen
Tram/Bus einerseits und S-Bahn/Eisenbahn
andererseits zu schaffen.
Die bautechnischen Prinzipien zur Erreichung
dieses Ziels wurden im SIGNAL schon
ausführlich vorgestellt (siehe u. a. SIGNAL 6/2017)
In jedem Fall wird die Straßenbahntrasse
nach Johannisthal, in die die von Adlershof
kommende Neubaustrecke einmündet,
von der Seiten- in die Mittellage der Straße
Sterndamm gebracht. In diesem Zusammenhang
wird dann auch die heute noch
bestehende Haltestelle südlich des Bahnhofs
aufgelassen und durch die neue beidseitig
angebundene Kombi-Wendeschleife
für Bus und Bahn mit integrierter Haltestelle
ersetzt.
Weil dieser Umbau aus den oben beschriebenen
Gründen jedoch in ein zweites,
separates Planfeststellungsverfahren
ausgelagert wurde, muss auch in der neuen
Trasse in Mittellage ein Ersatz für den bisherigen
Haltestellenstandort geschaffen
werden. Da die Straßenbahn Richtung Süden
wegen anderer bauzeitlicher Einschränkungen
schon eine neue Haltestelle unter
den Bahnbrücken mit direktem Zugang zu
den Bahnsteigen erhält, wird das Provisorium
im Sterndamm nur Richtung Norden
ausgeführt.
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Das Gleidreieck an der Schleifeneinfahrt Adlershof. Die neu geplante Verbindung dient nicht nur der verlängerten Linie M 17, sondern auch dem geplanten neuen Betriebshof hinter der Wendeschleife. Grafik: SGT-Plan GmbH |
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Am südlichen Streckenende gibt es schon
heute die Wendeschleife am S-Bahnhof Adlershof,
die genau richtig liegt, um während
des Abbaus der Schleife Karl-Ziegler-Straße
die dort verkehrenden Linien 61 und 63 aus
Köpenick aufzunehmen. Diese Wendeanlage
ist der letzte Rest der ehemaligen Strecke
Adlershof—Altglienicke (gebaut von
den Teltower Kreisbahnen), einer von drei
Abschnitten des Tramnetzes, die nach 1989
stillgelegt wurden.
In diesem ebenfalls völlig neu zu bebauenden
Entwicklungsgebiet südlich der WISTA
ergibt sich die einmalige Gelegenheit, einen
neuen Straßenbahn-Betriebshof nahe
am Zentrum des Teilnetzes Schöneweide/Köpenick zu errichten. Da für die geplante
Verlängerung der Linie M 17 über die Neubaustrecke
nach Adlershof die Erweiterung
der Schleifeneinfahrt zum vollständigen
zweigleisigen Gleisdreieck sowieso nötig
ist, bietet sich eine Doppelfunktion dieser
Investition geradezu an. Deshalb wurde
dieser Anschluss neu in den zweiten Anlauf
dieses Planfeststellungsverfahrens aufgenommen
und geschickt so in den Bauablauf
eingearbeitet, dass immer eine der beiden
noch vorhandenen Wendeschleifen nutzbar
bleibt.
Auf die Plätze, fertig, los!
Auch wenn die Planung für dieses Bauvorhaben
zu lange dauerte und mit dem Anschluss
in Schöneweide der wichtigste Teil
der gesamten Maßnahme noch nicht entschieden
ist, kann diese Strecke in den jetzt
zu beschließenden Abschnitten zum größten
Teil überzeugen.
Da die Trasse und ihr Umfeld keine weiteren
Verzögerungen beim Bau erwarten
lassen, könnte dieser Neubau noch die anderen
beiden, schon früher gestarteten Projekte überholen und bei der Eröffnung ganz
vorne liegen. Sowohl der BVG als auch dem
Senat und natürlich ganz besonders den
Fahrgästen wäre eine schnelle Realisierung
zu wünschen, denn das Bautempo bei den
Berliner Straßenbahnprojekten seit 1990 hat
der Stadt schon genug Spott aus aller Welt
eingebracht.
Eine rasche Eröffnung von Adlershof II
hätte aber auch eine Signalwirkung, denn
erstmals nach dem Ende der DDR wäre ein
Stadtentwicklungsgebiet wieder vor seinem
vollständigen Bezug auf der Schiene
erschlossen.
IGEB Stadtverkehr
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