|
Fotos/Montage: BfVst |
|
Einst startete die im Volksmund „Heidekrautbahn“
genannte Strecke vom Bahnhof
Reinickendorf-Rosenthal und fuhr über Basdorf
nach Liebenwalde bzw. Groß Schönebeck.
Mit dem Mauerbau 1961 wurde die
Personenbeförderung auf dem Streckenabschnitt
Wilhelmsruh—Schönwalde eingestellt.
Seit der Wende ist es erklärtes Ziel, die alte
14 km lange Stammstrecke zwischen Abzweig
Schönwalde und Berlin-Wilhelmsruh
komplett zu reaktivieren, und es wurden
seitens der NEB bereits zahlreiche Anstrengungen
dafür unternommen. Der Großteil
der Strecke existiert noch heute und wird
für Zubringerfahrten zum Werk Stadler
Pankow genutzt. Für einen zügigen Regionalverkehr
muss diese jedoch ertüchtigt
werden, da die aktuell fahrbaren 30 km/h
allenfalls für den Rangierverkehr zum Werk
und den historischen Ausflugsverkehr der
Berliner Eisenbahnfreunde ausreichen.
Ferner war die Verbindung zur Nordbahn
abgebaut worden und muss nun komplett
neu errichtet werden, wie auch ein neuer
Regionalbahnhof am heutigen S-Bahnhof
Berlin-Wilhelmsruh. Für diesen Bahnhof
liegt bereits ein Planfeststellungsbeschluss
vor (s. Abb. auf Seite 18).
|
Viele Wege führen nach Berlin. Heute noch an Karow vorbei nach Gesundbrunnen, morgen vielleicht auch über die alte Stammstrecke der Heidekrautbahn bis Wilhelmsruh? Mit „nur“ rund 22 Mio Euro zählt dieses i2030-Projekt noch zu einem der kostengünstigen. Foto: BfVst |
|
Die NEB könnte theoretisch „morgen“
schon loslegen – vorausgesetzt, dass die
Länder Berlin und Brandenburg Regionalzugverkehr
über die neue Verbindung bestellen,
denn niemand möchte Kosten in
Höhe von 22,1 Millionen Euro verantworten,
die dann nahezu ungenutzt abgeschrieben
werden müssten.
Es gibt allerdings noch eine weitere Hürde.
Zwar hatte Berlins Verkehrssenatorin
Regine Günther nach dem Lenkungskreis
am 18. Juni 2018 erklärt: „Auch die Planung
für eine Reaktivierung der Heidekrautbahn
läuft an, zunächst geht es dabei um die Teilstrecke
bis Wilhelmsruh, perspektivisch bis
Gesundbrunnen. Das ist eine gute Nachricht
für Pendler im Norden Berlins und darüber
hinaus.“
|
Geschätzte Kosten für den Wiederaufbau der Heidekrautbahn bis Wilhelmsruh. Quelle: NEB |
|
Den Beweis, dass auf die gute Nachricht
auch gute Taten folgen, muss die Senatorin
allerdings noch liefern, denn seit dem
Mauerfall hat ihre Verwaltung kaum eine
Regionalbahnstrecke so konsequent ausgebremst
wie die Heidekrautbahn. Deshalb
wäre es nicht überraschend, wenn ihre für
die Planfeststellung auf dem Berliner Abschnitt
zuständige Landeseisenbahnbehörde
ein Planfeststellungsverfahren für
die Streckenertüchtigung ebenso wie für
die Haltepunkte fordern würde, auch dort,
wo es sich um den Wiederaufbau ehemaliger
Stationen handelt. Als Begründung für
wesentliche Veränderungen ließen sich die
Streckenausrüstung, die neue Entwässerung,
die Kabelkanäle, die Geschwindigkeitserhöhung,
der Schallschutz und vielleicht auch
der Baulärm anführen. Wenn man etwas
nicht will, findet man immer Gründe. Da hat
die Senatsverkehrsverwaltung schon in der
Vergangenheit Großes geleistet.
Mit der Forderung nach einem Planfeststellungsverfahren
wäre eine Wiederinbetriebnahme
der Heidekrautbahn bis Wilhelmsruh
in nur wenigen Jahren natürlich
unmöglich. Und die von der NEB geschätzten
Kosten könnten sich schnell verdoppeln.
Durchbindung bis Gesundbrunnen
Richtigerweise soll in Wilhelmsruh nicht
Schluss sein. Denn die meisten Fahrgäste
wollen schnell in die verschiedensten Ecken
von Berlin gelangen. Dafür bietet die Verlängerung
auf der Nordbahn bis Berlin Gesundbrunnen
mit den dort zahlreichen Anschlussmöglichkeiten
beste Voraussetzungen.
Aber muss, um dort hinzukommen, die
Stammstrecke wieder aufgebaut werden?
Schließlich fahren schon heute einzelne
Züge der RB 27 in der Berufsverkehrszeit am
Bahnhof Berlin-Karow vorbei bis nach Berlin
Gesundbrunnen, während die Gesamtkosten
für die Reaktivierung der Stammstrecke
inklusive Gesundbrunnen-Anschluss auf
mindestens 28 Millionen Euro geschätzt
werden.
Vieles spricht dafür. Zum einen ist die
Stettiner Bahn auf dem Abschnitt Gesundbrunnen—Karow
bereits gut ausgelastet,
zum anderen würden durch die neue Streckenführung
neue Gebiete deutlich besser
erschlossen. Dazu gehören das Gewerbegebiet
PankowPark, Rosenthal Nord und
das östliche Märkische Viertel, die Stadtrandsiedlung
Blankenfelde, Schildow sowie
Mühlenbeck mit einem eigenen Halt direkt
vor der Haustür des Berufsbildungswerkes
Berlin-Brandenburg. Mit einem Halbstundentakt könnte eine S-Bahn-ähnliche
Versorgung gewährleistet werden. Insbesondere
der künftige Halt am Wilhelmsruher
Damm bietet schon heute sehr gute
Anschlussmöglichkeiten im Norden Berlins
durch einen Busknoten und zur Straßenbahn
in Richtung Niederschönhausen, Pankow
und Prenzlauer Berg.
Die Länder Berlin und Brandenburg sahen
für die Heidekrautbahn lange Zeit keinen
Bedarf oder sorgten sich, dass die Züge vom
und zum Märkischen Viertel überfüllt wären.
Inzwischen stehen die Chancen dieser
Strecke im Vordergrund, denn für die circa
15 000 Einwohner des Mühlenbecker Landes
würden sich mit dem Neubau völlig neue,
vor allem schnellere Wege nach Berlin erschließen.
Langfristig könnte das Verkehrsaufkommen
aus Brandenburg nach Berlin sogar
noch mehr steigen, da im aktuellen Entwurf
für den Landesentwicklungsplan für die
Hauptstadtregion der sogenannte Siedlungsstern,
an dessen Achsen die Umlandbebauung
konzentriert werden soll, um den
Siedlungsbereich Wandlitz erweitert wurde.
Das heißt, hier könnten künftig mehr „Großstadtflüchlinge“
angesiedelt werden, so dass
die Gemeinden entlang der Heidekrautbahn
rasant wachsen würden – und dementsprechend
die Pendlerzahlen.
Aber die Zeit drängt hier im besonderen
Maße: Der Planfeststellungsbeschluss für
den Regionalbahnhof Wilhelmsruh von
2011 wird 2021 verfallen, wenn die NEB
nicht zuvor mit den Bauarbeiten beginnt.
Dann müsste das ganze bürokratische Verfahren
erneut eröffnet werden. Auch dieser
Erkenntnis geschuldet hat der i2030-Lenkungskreis
am 18. Juni 2018 das Teilprojekt
als vorrangig deklariert.
Auch nach Wiederinbetriebnahme der
Stammstrecke soll die heutige Verbindung
von Basdorf nach Karow erhalten bleiben,
künftig aber mit einem neuen Halt „Karower
Kreuz“ als Ersatz für Karow und einer regelmäßigen
Weiterfahrt bis Gesundbrunnen.
Während bei den i2030-Untersuchungen
richtigerweise davon ausgegangen wird,
dass auch schon der Vorlaufbetrieb nach
Wilhelmsruh, ebenso wie die spätere Durchbindung
bis Gesundbrunnen, im 30-Minuten-Takt gefahren werden muss, werden für
die Strecke bis Karow (und später über Karower
Kreuz bis Gesundbrunnen) alternativ
ein 30- und ein 60-Minuten-Takt untersucht.
Ein Stundentakt entspricht dem derzeitigen
Entwurf zum Deutschland-Takt. Aber die
Option für eine spätere Verdichtung auf
einen Halbstundentakt darf nicht verbaut
werden.
Nordbahn weiter mit Umwegen
|
Zwei neue Haltepunkte sind geplant: Pankow Park am gleichnamigen Gewerbegebiet und am Wilhelmsruher Damm (im Bild mit dem Zug einer Sonderfahrt im Juli 2018) zur Erschließung von Rosenthal Nord und des Märkischen Viertels. Foto: Florian Müller |
|
Einstiger Haltepunkt Schönwalde, künftig Schönwalde West. Alle Bahnsteige an der alten Heidekrautbahn sollen erneuert werden, was Neubauten gleichkommt. Foto: BfVst |
|
Die Stammstrecke der Heidekrautbahn wird regelmäßig vom Schienenfahrzeughersteller Stadler Pankow für Überführungsfahrten fabrikneuer Fahrzeuge genutzt, so wie hier im Oktober 2018 ein Akku-Flirt am Haltepunkt Schildow. Foto: Thomas Kabisch |
|
Hier neben dem S-Bahnhof Bornholmer Straße sind die niveaufreien Ausfädelungen von der Stettiner Bahn bereits seit dem Neubau des Nordkreuzes nach der Wiedervereinigung vorhanden. Künftig könnten hier die Züge zur Kremmener Bahn (RE 6) und zur Stammstrecke der Heidekrautbahn (RB 27) abzweigen. Die Züge der Nordbahn (RE 5) werden auch weiterhin den Umweg auf der Stettiner Bahn über Karower Kreuz und dem Berliner Güteraußenring nehmen müssen. Foto: BfVst |
|
Für eine Durchbindung der Nordbahn hier an Frohnau vorbei scheint in absehbarer Zukunft kein Konsens möglich, aber einen zweigleisigen Ausbau der S1 bis Oranienburg planen Berlin und Brandenburg im Rahmen des i2030-Teilprojektes S-Bahn, über das wir in SIGNAL 1/2019 berichten werden. Foto: BfVst |
|
Bei Verlängerung der Stammstrecke von
Wilhelmsruh bis Gesundbrunnen nutzt die
Heidekrautbahn die Nordbahn, ebenso wie
der Prignitz-Express auf dem Abschnitt von
Schönholz bis Gesundbrunnen. Deshalb
müssen die Planungen für die Verlängerung
der Heidekrautbahn abgestimmt werden
mit den Planungen für die Durchbindung
des Prignitz-Expresses nach Berlin Gesundbrunnen
und der langfristigen Reaktivierung
einer elektrifizierten Nordbahn über
Frohnau nach Birkenwerder für Fern- und
Regionalzüge. Auch wenn der Bundesverkehrsminister
eine Wiederinbetriebnahme
der Nordbahn derzeit als entbehrlich
einschätzt (s.u.), muss sie im Hinblick auf
künftige Streckenkapazitäten unbedingt
berücksichtigt werden – zweigleisig und
elektrifiziert. Die Planung und Realisierung
dieses Abschnitts ist aber nicht Aufgabe der
NEB, sondern betrifft die Infrastruktur von
DB Netz.
Allerdings ist die Nordbahn kein eigenes
i2030-Teilprojekt. Einst ging diese vom ehemaligen
Nordbahnhof an der Bernauer-/Eberswalder Straße (heutiger Mauerpark
am Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion) entlang
der S 1 über Oranienburg, Fürstenberg (Havel)
nach Rostock bzw. Stralsund. Seit der
Teilung Deutschlands 1961 wird der Fernund
Regionalverkehr ab Birkenwerder auf
dem Berliner Güteraußenring über Karower
Kreuz umgeleitet. Nach der Wiedervereinigung
fand nur ein S-Bahn-Lückenschluss
zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf
für die S 1 nach Oranienburg statt.
Neben dem Ausbau der gesamten Strecke
zur Ertüchtigung auf 160 km/h sah
der Bundesverkehrswegeplan auch einen
Wiederaufbau des Berliner Abschnittes vor,
jedoch bescheinigte Bundesverkehrsminister
Andreas Scheuer dem Vorhaben am 6.
November 2018 eine niedere Priorität und
verweigerte dementsprechend Planungsmittel.
Begründet wurde der Entschluss
damit, dass die Investitionsmaßnahmen
nur geringe Fahrzeitverkürzungen, insbesondere
in Bezug auf den Deutschland-Takt,
brächten.
Deshalb wird im Rahmen des i2030-Projektes
lediglich eine Maßnahme zur Fahrplanstabilisierung
durch eine Entflechtung
von Regional- und S-Bahn im Bahnhof Birkenwerder
geplant – und hoffentlich umgesetzt.
In Birkenwerder teilen sich derzeit die
RB 20 und die S-Bahn-Linien S 1 sowie S 8
einen Bahnsteig. Das führt immer wieder zu
Trassenkonflikten der RB 20 zum einen mit
der S-Bahn, zum anderen wegen der niveaugleichen
Ein- und Ausfädelungen mit Zügen
auf den Fernbahngleisen. Um die wechselseitigen
Störeinwirkungen zu reduzieren,
soll ein separater Regionalbahnsteig für die
RB 20, die Oranienburg und Potsdam über
den nordwestlichen Berliner Güteraußenring
miteinander verbindet, geplant werden.
Die Trennung der beiden Verkehre ist
unstrittig zwingend erforderlich. Kritische
Stimmen stellen jedoch die Kosten-Nutzen-
Frage bezüglich eines neuen Regionalbahnsteiges,
wenn bei Durchfahrung von Birkenwerder
in nur zwei Minuten Entfernung
ohnehin der Umsteigeknoten im regionalen
Oberzentrum Oranienburg zur Verfügung
steht.
Berliner Fahrgastverband IGEB
|