Wie
war das möglich?
|
Im Dezember 2018 wurde auf der Strecke Eberswalde—Templin der Abschnitt Joachimsthal—Templin nach 12 Jahren für den regelmäßigen Personenverkehr reaktiviert. Für Brandenburg ist das ein kleines Wunder. Foto: Florian Müller |
|
Viele engagierte Personen aus der Region
und im Landtag Brandenburg haben sich
für die Wiedereröffnung der Strecke eingesetzt
– vor allem die Bürger und Bürgermeister
der anliegenden Gemeinden und die beiden
Landkreise Barnim und Uckermark. Der
VBB, das Ministerium für Infrastruktur mit
Ministerin Schneider, die Niederbarnimer
Eisenbahn und die Hanseatische Eisenbahn-Infrastrukturgesellschaft
(HIG) unterstützten
die Initiative, als es konkret wurde.
Die Finanzierung teilen sich die Landkreise,
Anliegergemeinden und das Land
Brandenburg, das für die nächsten drei
Jahre jährlich zwei Millionen Euro dazugibt.
Üblicherweise finanziert das Land den regionalen
Eisenbahnverkehr komplett aus den
Regionalisierungsmitteln des Bundes.
Bisher pendelte ein NEB-Regioshuttle
als RB 63 zwischen Eberswalde und Joachimsthal.
Zwischen Joachimsthal und Templin
bestand bis vor kurzem Güterverkehr
für einen Anschließer in Milmersdorf, und
anlassweise gab es während der Sperrung
des Karower Kreuzes in Berlin Umleiterfahrten
mit Güterzügen.
Die Streckeninfrastruktur gehört zur HIG,
die ebenso wie das Infrastrukturunternehmen
RegioInfra sowie die Verkehrsunternehmen
Eisenbahngesellschaft Potsdam
(EGP) und Hanseatische Eisenbahn (HANS)
zur in Putlitz ansässigen DESAG-Holding
gehören. Dahinter stehen zu großen Teilen
die Leute, die vor über 20 Jahren mit der
Prignitzer Eisenbahn viel zur Rettung des
Schienenverkehrs auf mehreren Strecken im
Nordwesten Brandenburgs beitrugen.
Alle sechs Bahnhöfe und Haltepunkte
(inkl. der zweiten Bahnsteigkante in Templin
Stadt) auf dem Abschnitt sind mit einfachen
Mitteln wieder für Fahrgäste nutzbar
gemacht worden.
Templin besitzt im Innenstadtgebiet zwei
betriebene Bahnhöfe: Templin und Templin
Stadt. Vom etwas außerhalb der Innenstadt
gelegenen Bahnhof Templin (dem ehemals
betrieblichen „Hauptbahnhof“) führen zwei
eingleisige Strecken parallel nach Templin
Stadt. Die RB 12 aus Löwenberg nutzt das
Gleis der Strecke nach Prenzlau, die seit Jahren
kurz hinter dem Haltepunkt Templin Stadt
gesperrt ist. Die Strecke nach Joachimsthal
nutzt das danebenliegende Gleis und in Templin
Stadt ihren eigenen Bahnsteig.
|
Zugkreuzung in Joachimsthal. Die langen Standzeiten der Züge von 11 Minuten ließen sich vielleicht noch etwas straffer gestalten, so würde sich die Reisezeit verkürzen. Foto: Florian Müller |
|
Blick auf die ehemals noch viel umfänglicheren Gleisanlagen in Milmersdorf. Hier fiinde noch Holzverladung auf Güterzüge statt. Foto: Florian Müller |
|
Die Fahrplaninformation der NEB im Zug. Foto: Florian Müller |
|
Die Strecke ist eingleisig, in Milmersdorf
befinden sich mehrere Ladegleise zur Holzverladung.
Es pendeln zwei Regioshuttle
der NEB (einer davon von der HANS zur
Verfügung gestellt) und bieten einen Stundentakt
zwischen Eberswalde und Joachimsthal.
Montags bis freitags sind sieben
und am Wochenende sechs Zugpaare etwa
im Zweistundentakt nach Templin durchgebunden.
Die Fahrt von Eberswalde nach
Templin dauert etwa eine Stunde, bei einer
Streckengeschwindigkeit von meist 80 Kilometer
pro Stunde. Durch eine Straffung der
Aufenthaltszeit beim Kreuzungshalt in Joachimsthal
(bis zu 11 Minuten Standzeit) ließe
sich die Reisezeit verkürzen.
Der Zug entlässt im Bahnhof Templin Stadt
alle Fahrgäste und fährt leer weiter bis zum
Bahnhof Templin, um den Bahnübergang in
Templin Stadt freizuschalten und Pausenzeit
für die Rückfahrt zu nehmen. Da die zweite
Bahnsteigkante im Bahnhof Templin baufällig
bzw. abgebaut und der Bahnsteigtunnel
gesperrt ist, ist hier kein Fahrgastwechsel
möglich. Lediglich der Hausbahnsteig wird
nach wie vor im Stundentakt von der RB 12
(Templin Stadt—Templin—Löwenberg—Berlin-Lichtenberg—Berlin-Ostkreuz) im
Personenverkehr bedient, ist aber nicht aus
Richtung Joachimsthal erreichbar.
Von den Anlagen des Bahnhofs Templin,
der betrieblich einmal der Hauptbahnhof
mit fünf Bahnsteigkanten für fünf Strecken
war, ist leider nur noch ein minimaler Rest
in Betrieb, der Warteraum im sanierten
Empfangsgebäude ist wegen Vandalismus
geschlossen. Auch der leerstehende Rundlokschuppen
und die Drehscheibe nebenan
künden von besseren Zeiten.
Drei Jahre „Probebetrieb“
Zunächst ist der Verkehr Joachimsthal—Templin
für drei Jahre bestellt mit dem Ziel,
pro Tag 300 Fahrgäste zu erreichen. Dann
soll über eine Weiterbestellung entschieden
werden.
Die sieben Zugpaare Joachimsthal—Templin
wurden zunächst durch etwa acht
Busfahrtenpaare (Linie 515) in den „zuglosen“
Zeiten ergänzt, die auch die Schule
im Milmersdorf bedienen. Der Bahnhof
Milmersdorf liegt etwa 1,1 Kilometer von
der Schule entfernt. Hintergrund für diesen
„Parallelverkehr“ war die späte verbindliche
Zusage der beiden Landkreise für den
Zugverkehr, die weit hinter der Beauftragungsfrist
für den Busverkehr lag, zum Teil
sogar einige Tage nach Betriebsaufnahme
zum Fahrplanwechsel. Um auf jeden Fall ein
Verkehrsangebot zu sichern, entschied sich
der Aufgabenträger zunächst für die sichere
Beauftragung des Busverkehrs, auch wenn
dieser die erste Zeit parallel zu den Zugfahrten
stattfand.
Seit 12. März 2019 ist das parallele Busangebot
deutlich ausgedünnt, so dass sich die
Fahrten jetzt auf die Schiene konzentrieren.
Der Bus und der Zug brauchen für die Strecke
Joachimsthal—Templin mit rund 37 Minuten
etwa gleich lang.
|
Der reaktivierte Bahnhof Ringenwalde Foto: Florian Müller |
|
Generell ist das durchfahrene Gebiet eher
dünn besiedelt. Umso mutiger ist das Engagement
für die Bahnstrecke.
Touristisch bieten sich Perspektiven vor
allem für das Sommerhalbjahr, so z. B. in
Ringenwalde mit einem Gasthaus direkt am
Bahnhof oder als Ausgangspunkt für Wander-
oder Fahrradtouren.
Bei einer Fahrt am kalten und bedeckten
Sonnabend eine Woche nach Wiedereröffnung
konnten etwa 30 Fahrgäste im Zug und
eine Fahrgastnachfrage an fast jedem Haltepunkt
verzeichnet werden. Augenscheinlich
waren die Nutzer zum überwiegenden Teil
Anwohner mit einem „echten“ Transportbedürfnis
– vor allem nach Eberswalde und
weiter. In Eberswalde besteht Anschluss
vormittags in Richtung Berlin, nachmittags
aus Berlin.
Regionale Initiativen aus den Gemeinden
und Landkreisen können also Bahnstrecken
retten und auch wiederbeleben. Solches
Engagement ist in Brandenburg sehr zu begrüßen
und unterstützenswert!
Unter Ministerin Kathrin Schneider ist im
Unterschied zu ihrem Vorgänger ein Umdenkprozess
zu mehr Personenverkehr auf
der Schiene in Gang gekommen. Allerdings
heißt das nicht, dass man in absehbarer
Zeit mit allzuvielen Reaktivierungen im
Land rechnen könnte. Nur selten hat man
das Glück, dass die nötige Infrastruktur
noch nicht beseitigt wurde. Und in einigen
Fällen müssen zusammen mit Brandenburg
auch die benachbarten Bundesländer
umdenken, etwa bei den Strecken von Falkenberg
nach Riesa oder von Meyenburg in
den Westteil der Mecklenburgischen Seenplatte.
(fm/kut)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
|