Nach 12 Jahren wieder Personenverkehr Joachimsthal—Templin

Das Wunder in der Uckermark

Für viele Jahre hatte man jegliche Hoffnung aufgegeben, dass es im ländlich geprägten Brandenburg Streckenreaktivierungen geben könnte. Nach mehreren radikalen Abbestellungswellen in den 1990er und 2000er Jahren und nach der Amtszeit von Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (2010 bis 2014), der jegliche Reaktivierung strikt ablehnte, begann unter Ministerin Kathrin Schneider ein Umdenken. Zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2018 war es dann soweit: Auf der Strecke Joachimsthal—Templin, auf der im Dezember 2006 der Personenverkehr abbestellt worden war, fuhren nach 12 Jahren zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 erstmals wieder Personenzüge.

Wie war das möglich?

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Im Dezember 2018 wurde auf der Strecke Eberswalde—Templin der Abschnitt Joachimsthal—Templin nach 12 Jahren für den regelmäßigen Personenverkehr reaktiviert. Für Brandenburg ist das ein kleines Wunder. Foto: Florian Müller

Viele engagierte Personen aus der Region und im Landtag Brandenburg haben sich für die Wiedereröffnung der Strecke eingesetzt – vor allem die Bürger und Bürgermeister der anliegenden Gemeinden und die beiden Landkreise Barnim und Uckermark. Der VBB, das Ministerium für Infrastruktur mit Ministerin Schneider, die Niederbarnimer Eisenbahn und die Hanseatische Eisenbahn-Infrastrukturgesellschaft (HIG) unterstützten die Initiative, als es konkret wurde.

Die Finanzierung teilen sich die Landkreise, Anliegergemeinden und das Land Brandenburg, das für die nächsten drei Jahre jährlich zwei Millionen Euro dazugibt. Üblicherweise finanziert das Land den regionalen Eisenbahnverkehr komplett aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes.

Bisher pendelte ein NEB-Regioshuttle als RB 63 zwischen Eberswalde und Joachimsthal. Zwischen Joachimsthal und Templin bestand bis vor kurzem Güterverkehr für einen Anschließer in Milmersdorf, und anlassweise gab es während der Sperrung des Karower Kreuzes in Berlin Umleiterfahrten mit Güterzügen.

Die Streckeninfrastruktur gehört zur HIG, die ebenso wie das Infrastrukturunternehmen RegioInfra sowie die Verkehrsunternehmen Eisenbahngesellschaft Potsdam (EGP) und Hanseatische Eisenbahn (HANS) zur in Putlitz ansässigen DESAG-Holding gehören. Dahinter stehen zu großen Teilen die Leute, die vor über 20 Jahren mit der Prignitzer Eisenbahn viel zur Rettung des Schienenverkehrs auf mehreren Strecken im Nordwesten Brandenburgs beitrugen.

Alle sechs Bahnhöfe und Haltepunkte (inkl. der zweiten Bahnsteigkante in Templin Stadt) auf dem Abschnitt sind mit einfachen Mitteln wieder für Fahrgäste nutzbar gemacht worden.

Templin besitzt im Innenstadtgebiet zwei betriebene Bahnhöfe: Templin und Templin Stadt. Vom etwas außerhalb der Innenstadt gelegenen Bahnhof Templin (dem ehemals betrieblichen „Hauptbahnhof“) führen zwei eingleisige Strecken parallel nach Templin Stadt. Die RB 12 aus Löwenberg nutzt das Gleis der Strecke nach Prenzlau, die seit Jahren kurz hinter dem Haltepunkt Templin Stadt gesperrt ist. Die Strecke nach Joachimsthal nutzt das danebenliegende Gleis und in Templin Stadt ihren eigenen Bahnsteig.

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Zugkreuzung in Joachimsthal. Die langen Standzeiten der Züge von 11 Minuten ließen sich vielleicht noch etwas straffer gestalten, so würde sich die Reisezeit verkürzen. Foto: Florian Müller
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Blick auf die ehemals noch viel umfänglicheren Gleisanlagen in Milmersdorf. Hier fiinde noch Holzverladung auf Güterzüge statt. Foto: Florian Müller
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Die Fahrplaninformation der NEB im Zug. Foto: Florian Müller

Die Strecke ist eingleisig, in Milmersdorf befinden sich mehrere Ladegleise zur Holzverladung. Es pendeln zwei Regioshuttle der NEB (einer davon von der HANS zur Verfügung gestellt) und bieten einen Stundentakt zwischen Eberswalde und Joachimsthal. Montags bis freitags sind sieben und am Wochenende sechs Zugpaare etwa im Zweistundentakt nach Templin durchgebunden. Die Fahrt von Eberswalde nach Templin dauert etwa eine Stunde, bei einer Streckengeschwindigkeit von meist 80 Kilometer pro Stunde. Durch eine Straffung der Aufenthaltszeit beim Kreuzungshalt in Joachimsthal (bis zu 11 Minuten Standzeit) ließe sich die Reisezeit verkürzen.

Der Zug entlässt im Bahnhof Templin Stadt alle Fahrgäste und fährt leer weiter bis zum Bahnhof Templin, um den Bahnübergang in Templin Stadt freizuschalten und Pausenzeit für die Rückfahrt zu nehmen. Da die zweite Bahnsteigkante im Bahnhof Templin baufällig bzw. abgebaut und der Bahnsteigtunnel gesperrt ist, ist hier kein Fahrgastwechsel möglich. Lediglich der Hausbahnsteig wird nach wie vor im Stundentakt von der RB 12 (Templin Stadt—Templin—Löwenberg—Berlin-Lichtenberg—Berlin-Ostkreuz) im Personenverkehr bedient, ist aber nicht aus Richtung Joachimsthal erreichbar.

Von den Anlagen des Bahnhofs Templin, der betrieblich einmal der Hauptbahnhof mit fünf Bahnsteigkanten für fünf Strecken war, ist leider nur noch ein minimaler Rest in Betrieb, der Warteraum im sanierten Empfangsgebäude ist wegen Vandalismus geschlossen. Auch der leerstehende Rundlokschuppen und die Drehscheibe nebenan künden von besseren Zeiten.

Drei Jahre „Probebetrieb“

Zunächst ist der Verkehr Joachimsthal—Templin für drei Jahre bestellt mit dem Ziel, pro Tag 300 Fahrgäste zu erreichen. Dann soll über eine Weiterbestellung entschieden werden.

Die sieben Zugpaare Joachimsthal—Templin wurden zunächst durch etwa acht Busfahrtenpaare (Linie 515) in den „zuglosen“ Zeiten ergänzt, die auch die Schule im Milmersdorf bedienen. Der Bahnhof Milmersdorf liegt etwa 1,1 Kilometer von der Schule entfernt. Hintergrund für diesen „Parallelverkehr“ war die späte verbindliche Zusage der beiden Landkreise für den Zugverkehr, die weit hinter der Beauftragungsfrist für den Busverkehr lag, zum Teil sogar einige Tage nach Betriebsaufnahme zum Fahrplanwechsel. Um auf jeden Fall ein Verkehrsangebot zu sichern, entschied sich der Aufgabenträger zunächst für die sichere Beauftragung des Busverkehrs, auch wenn dieser die erste Zeit parallel zu den Zugfahrten stattfand.

Seit 12. März 2019 ist das parallele Busangebot deutlich ausgedünnt, so dass sich die Fahrten jetzt auf die Schiene konzentrieren. Der Bus und der Zug brauchen für die Strecke Joachimsthal—Templin mit rund 37 Minuten etwa gleich lang.

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Der reaktivierte Bahnhof Ringenwalde Foto: Florian Müller

Generell ist das durchfahrene Gebiet eher dünn besiedelt. Umso mutiger ist das Engagement für die Bahnstrecke.

Touristisch bieten sich Perspektiven vor allem für das Sommerhalbjahr, so z. B. in Ringenwalde mit einem Gasthaus direkt am Bahnhof oder als Ausgangspunkt für Wander- oder Fahrradtouren.

Bei einer Fahrt am kalten und bedeckten Sonnabend eine Woche nach Wiedereröffnung konnten etwa 30 Fahrgäste im Zug und eine Fahrgastnachfrage an fast jedem Haltepunkt verzeichnet werden. Augenscheinlich waren die Nutzer zum überwiegenden Teil Anwohner mit einem „echten“ Transportbedürfnis – vor allem nach Eberswalde und weiter. In Eberswalde besteht Anschluss vormittags in Richtung Berlin, nachmittags aus Berlin.

Regionale Initiativen aus den Gemeinden und Landkreisen können also Bahnstrecken retten und auch wiederbeleben. Solches Engagement ist in Brandenburg sehr zu begrüßen und unterstützenswert!

Unter Ministerin Kathrin Schneider ist im Unterschied zu ihrem Vorgänger ein Umdenkprozess zu mehr Personenverkehr auf der Schiene in Gang gekommen. Allerdings heißt das nicht, dass man in absehbarer Zeit mit allzuvielen Reaktivierungen im Land rechnen könnte. Nur selten hat man das Glück, dass die nötige Infrastruktur noch nicht beseitigt wurde. Und in einigen Fällen müssen zusammen mit Brandenburg auch die benachbarten Bundesländer umdenken, etwa bei den Strecken von Falkenberg nach Riesa oder von Meyenburg in den Westteil der Mecklenburgischen Seenplatte. (fm/kut)

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 1/2019 (Mai 2019), Seite 22-23

 

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