Bis Ende 2007 erhielt die BVG vom Land Berlin
einen pauschalen Betrag für die Sanierung
des Unternehmens, der unabhängig
vom tatsächlich erbrachten Verkehrsangebot
war. Das ist jetzt anders. Mit dem zum
Jahresbeginn in Kraft getretenen Verkehrsvertrag
erhält die BVG nun, ähnlich wie zuvor
bereits die S-Bahn und die Regionalbahnunternehmen,
Geld für erbrachte Verkehrsleistungen.
Fallen Fahrten aus, zum Beispiel
durch Streik, Fahrermangel oder Fahrzeugschäden,
oder kürzt die BVG ihr Verkehrsangebot,
dann erhält sie nun weniger Geld
vom Land Berlin.
Andererseits hat die BVG jetzt bei vom Senat
bestellten Angebotsausweitungen einen
Anspruch auf mehr Geld. Das gilt allerdings
nicht für den Pendelverkehr auf der U 55 (geplant
ab August 2009) sowie den Betrieb auf
den Straßenbahnverlängerungen zur Wissenschaftsstadt
Adlershof (geplant ab 2010)
und zum Hauptbahnhof (derzeit geplant ab
2011). Diese Leistungen müssen zwar nach
Fertigstellung der Trassen vom Senat noch
bestellt werden, sind aber in den gemäß Verkehrsvertrag
vom Land Berlin an die BVG zu
leistenden Zahlungen bereits enthalten.
Geld nur gegen Leistung
Die Regelung „Geld-nur-gegen-Leistung“
hat sich aus Sicht des Fahrgastverbands
IGEB schon bei den Verträgen im Schienenverkehr
bewährt. Damit das Land Berlin
aber auch weis, ob die BVG Leistungen
gemäß den Vereinbarungen des Verkehrsvertrags
erbracht hat, ist ein Vertragscontrolling
erforderlich, bei dem zum Beispiel
die ausgefallenen Fahrten ermittelt werden.
Wie wichtig das ist, hat die BVG selbst bewiesen, als sie in den letzten Jahren vor allem bei der Straßenbahn nicht die Verkehrsleistungen erbracht hat, die im alten Unternehmensvertrag vereinbart und vom Land Berlin ohne Abstriche bezahlt worden waren (siehe SIGNAL 2/2008, Seite 14).
Die S-Bahn kann sich Vergleichbares nicht
erlauben. Damit ihr für den Ausfall von Fahrten,
die vor allem durch Bauarbeiten nicht
gefahren werden konnten, keine Bestellgelder
abgezogen werden, hat sie beispielsweise
2006 zur Fußball-Weltmeisterschaft freiwillig
den Nachtverkehr des Wochenendes
innerhalb Berlins auf die übrigen Wochentage
ausgeweitet.
Auch die BVG reagierte bereits auf die Neuregelung im Sinne der Fahrgäste, indem sie nach vielen Einsparrunden nun einige Angebotsausweitungen vornimmt. Besonders profitieren werden die Fahrgäste der Straßenbahnlinie M 2, auf der zum 1. September die erforderliche und von der IGEB seit langem geforderte Taktverdichtung (siehe SIGNAL 5/2007, Seite 12) nun endlich umgesetzt wird. Weitere, meist kleine Angebotsverbesserungen auf anderen Linien sind zum Fahrplanwechsel im Dezember geplant.
Qualifizierung des Verkehrsangebots
Heutige Verkehrsverträge basieren auf dem
Besteller-Ersteller-Prinzip. Die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung bestellt in
Abstimmung mit der BVG bei der BVG ein
Verkehrsangebot, zum Beispiel Linie A soll
alle 5 Minuten fahren fahren, Linie B nur
alle 10 Minuten. Dieses Angebot wird vom
Verkehrsunternehmen BVG erstellt, also gefahren
und
vermarktet. Um aber für jede einzelne
Linie das geeignete Angebot bestellen
zu können, benötigt die Senatsverwaltung
ein von BVG-Mitarbeitern unabhängiges
Expertenwissen. Erst dieses Expertenwissen
ermöglicht es der Senatsverwaltung, mit der
BVG auf Augenhöhe zu verhandeln und das
Verkehrsangebot im Interesse der Kunden
weiterzuentwickeln.
Außerdem will der Senat ein Qualitätssteuerungssystem
aufbauen lassen, um die
Kundenzufriedenheit bei BVG und S-Bahn
messen zu können. Bei sinkender Kundenzufriedenheit,
zum Beispiel mit der Pünktlichkeit,
Zuverlässigkeit und Sauberkeit, wird
BVG und S-Bahn dann Geld abgezogen. Bei
steigender Kundenzufriedenheit erhalten
sie eventuell einen Bonus.
IGEB begrüßt neue Institution
Mit dem Abschluss des BVG-Verkehrsvertrags
hat der Senat die Verantwortung
dafür übernommen, dass die mit Steuergeldern
unterstützten Verkehrsleistungen
bei U-Bahn, Straßenbahn und Bus künftig
zum größtmöglichen Nutzen der Fahrgäste
erbracht werden. Diesem ersten richtigen
Schritt folgte nun konsequenterweise der
zweite mit der Einrichtung des Center Nahverkehr
Berlin. Um die hohen Anforderungen
an einen Besteller qualifiziert bewältigen zu
können, war es notwendig und richtig, die
erforderlichen Spezialkenntnisse durch Beauftragung
Dritter einzukaufen.
Schließlich geht es nicht nur um die Kontrolle
des ob, sondern des wie. Natürlich
ist es unerlässlich zu kontrollieren, ob die
BVG die bezahlten Verkehrsleistungen auch
tatsächlich fährt. Aber mindestens ebenso
wichtig ist es, stets aufs Neue zu prüfen, ob
die Verkehrsleistungen an den richtigen Orten
zu den richtigen Zeiten erbracht werden.
„Richtig“ bedeutet hier, zum größtmöglichen
Nutzen für die Fahrgäste, aber auch zum
größtmöglichen Nutzen behinderter, alter,
schulpflichtiger oder armer Fahrgäste, zum
Nutzen der Stadtentwicklung und der Umwelt
– und das alles unter Berücksichtigung
betrieblicher und finanzieller Rahmenbedingungen.
Angesichts dieser wichtigen und schwierigen
Aufgaben begrüßt der Berliner Fahrgastverband
IGEB ausdrücklich die Entscheidung
der Senatsverkehrsverwaltung
zur Gründung des Center Nahverkehr Berlin.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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