Die Wiederinbetriebnahme der Potsdamer
Stammbahn auf dem Korridor Potsdam
Hauptbahnhof—Zehlendorf—Potsdamer
Platz—Berlin Hauptbahnhof wurde seit langer
Zeit kontrovers diskutiert. Sie erfordert
einen Neubau der Eisenbahninfrastruktur inklusive
Elektrifizierung zwischen dem Bahnhof
Griebnitzsee (Land Brandenburg) und
dem Abzweig Landwehrkanal (Land Berlin)
und somit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe.
Zum Zwecke einer Verständigung der
Länder Berlin und Brandenburg und der DB
Netz AG unter Beteiligung des Bundes wurde
der Wiederaufbau einer Nutzen-Kosten-
Untersuchung unterzogen. Denn es bestand
Konsens zwischen den Beteiligten, dass eine
Investition in der hier in Frage stehenden Größenordnung
nur dann erfolgen kann, wenn
im Rahmen eines standardisierten Regelverfahrens
die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen
wird. Da es sich um öffentliche Mittel handelt,
gebietet dies schon der Grundsatz der Sparsamkeit
und Wirtschaftlichkeit, an den die
öffentlichen Verwaltungen gebunden sind.
Im Ergebnis der Untersuchung eines anerkannten
Verkehrsplanungsbüros erreicht
die Wiederinbetriebnahme der Stammbahn
lediglich einen Nutzen–Kosten–Indikator in
Höhe von 0,64, was eine erhebliche Unwirtschaftlichkeit
zum Ausdruck bringt. Die Untersuchungsergebnisse
wurden am 21. April
2008 auf Initiative des Ministeriums für Infrastruktur
und Raumordnung des Landes Brandenburg
durch den Gutachter einer breiten
interessierten Öffentlichkeit vorgestellt und
erläutert. Das Gutachten wurde veröffentlicht.
Es wurde darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet,
Stellungnahmen abzugeben. Diese
wurden im Einvernehmen der Länder Berlin
und Brandenburg gewürdigt. Hierzu gehört
auch die in SIGNAL 1/2009 abgedruckte Stellungnahme
der Bürgerinitiative Stammbahn.
Sie stellte nur eine Meinungsäußerung dar.
Neben kritischen Beiträgen wurden auch
entgegengesetzt zustimmende Stellungnahmen
abgegeben.
Den einzelnen Interessengruppen ist jeweils
eine mit dem Land Berlin abgestimmte
Stellungnahme zugegangen. Im Ergebnis
kommt der Gutachter zu dem Schluss, dass
auch bei einer kumulativen Berücksichtigung
der belastbaren Einwendungen bei weitem
kein positives Ergebnis im Rahmen einer
standardisierten Bewertung erreicht werden
kann.
Zu den Kerneinwendungen wurde wie
folgt Stellung genommen:
Prognosedaten
Die für das Land Berlin zu unterstellenden
Strukturentwicklungen (Einwohner und Beschäftigte)
wurden mit dem Bund und Berlin
abgestimmt. Eine 15-prozentige Steigerung
der Beschäftigtenzahlen im Bezirk Mitte
wurde genauso berücksichtigt wie die vergleichsweise
geringen Einwohner- und Beschäftigtenentwicklungen
im Bezirk Steglitz-
Zehlendorf.
Die in die Untersuchungen eingespeisten
Einwohner- und Beschäftigtenzahlen für die
Gebietskörperschaften des Landes Brandenburg
sind einer Einwohnerprognose des Bundes
entnommen. Im Land Brandenburg wurden
Entwicklungen zwischen 2005 und 2015
nur in den primär vom Vorhaben betroffenen
kommunalen Gebietskörperschaften Potsdam
und Kleinmachnow berücksichtigt. Bei
den Kommunen im erweiterten Einzugsbereich
der Potsdamer Stammbahn, wie Teltow
und Stahnsdorf, wurde von einer Status-quo-
Entwicklung ausgegangen. Darüber hinaus
wurden die Prognosestrukturdaten sachund
regelgerecht auf die Landeshauptstadt
Potsdam und die Gemeinde Kleinmachnow
als Haupteinzugsgebiet eingegrenzt.
Für den Europarc Dreilinden existierten
unterschiedliche Prognosen. Diese liegen in
einer Bandbreite von 3000 bis 6000 Beschäftigten
bezogen auf den Prognosehorizont
2015. Der Mittelwert von 4500 Beschäftigten
im Europarc erscheint realistisch.
Die in den Stellungnahmen dargelegten
Prognosen, die einen Einwohnerzuwachs in
Kleinmachnow auf über 20 000 erwarten lassen,
hätten auf die Ergebnisse der Planungen
und Bewertungen nur geringen Einfluss. In
der Untersuchung wurde von knapp unter
20 000 Einwohnern ausgegangen.
Auch die übrigen, abweichenden Einschätzungen
der Bevölkerungsentwicklung wirken
sich nur geringfügig auf das Gesamtergebnis
aus.
Linienkonzept –
Ohnefall/Mitfallvarianten
Das der Untersuchung zu Grunde liegende
Linienkonzept basiert auf einem zwischen
den Ländern Berlin und Brandenburg abgestimmten
Betriebskonzept. Abweichend vom
Standardverfahren zur Durchführung einer
Nutzen-Kosten-Untersuchung wurde der
Gutachter zusätzlich beauftragt, eine verkehrliche
Voruntersuchung mehrerer Varianten
als unabhängiger Sachverständiger durchzuführen.
Das verkehrlich beste Ergebnis, ein
zusätzliches Angebot im Halbstundentakt
auf der Stammbahn in Ergänzung zum RE 1,
wurde als Mitfallvariante der Nutzen-Kosten-
Untersuchung unterzogen.
Halte in Steglitz und Schöneberg
Die Haltepunkte Berlin-Steglitz und Berlin-
Schöneberg wurden in den Mitfallvarianten
D 11b und D 11c untersucht. Zum einen sollte
eine Verknüpfung zum S-Bahn-Südring, zum
anderen die Anbindung an die U-Bahn-Linie 9
geschaffen werden. Es zeigte sich jedoch, dass
die verkehrlichen Wirkungen mit einem zusätzlichen
Halt in Berlin-Schöneberg (D 11b)
geringer sind als in Variante D 11 ohne Halt.
In der Variante D 11c mit Halt in Berlin-Steglitz
zeigte sich, das sich die verkehrliche Wirkung
nicht nur verringert, sondern eine Zunahme
des Motorisierten Individualverkehrs festzustellen
ist. Die Effekte sind im Gutachten im
Einzelnen erläutert.
Auf eine Übertragung dieser Untervarianten
auf die Vorzugvariante E1 wurde aufgrund
der negativen verkehrlichen Wirkung
Abstand genommen.
Linienführung U 5
Eine Verlängerung der U 5 vom Alexanderplatz
über den Hauptbahnhof zur Turmstraße
entspricht den Zielplanungen des
Landes Berlin. Die Verlängerung der U 5 bis
Turmstraße ist voraussichtlich bis 2015 nicht
fertig gestellt, bleibt jedoch feste Planung
des Landes Berlin. Es ist festzustellen, dass
sich eine in der Planung bis zur Turmstraße
geführte U 5 mit einer schnellen, direkten
Verbindung vom Hauptbahnhof nach Moabit
positiv auf den Nutzen-Kosten-Indikator
auswirkt.
Fahrzeugeinsatz
Der Gutachter wurde beauftragt, einen alternativen
Triebwageneinsatz zu prüfen. Er führt
aus, dass unter Berücksichtigung des zusätzlichen
Reisezeitnutzens der Nutzen-Kosten-
Indikator mit 0,7 immer noch deutlich unter
dem kritischen Wert von 1,0 läge.
Buslinie 115
Die in die Untersuchung eingebrachte Verlängerung
der Buslinie 115 ist aus verkehrlicher
und verkehrswirtschaftlicher Sicht fehlerhaft.
Der Verzicht auf eine Verlängerung würde
das Bewertungsergebnis jedoch nur in der
zweiten Kommastelle verändern.
Alternative S-Bahn-Anbindung
Die Zielsetzung der Länder Berlin und Brandenburg,
des Bundes und der Bahn war die
Untersuchung des Wiederaufbaus der Potsdamer
Stammbahn. Eine S-Bahn-Variante
war daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung.
Aktuell laufen Untersuchungen der S-Bahn
Berlin GmbH zur Betriebswürdigkeit einer
S-Bahn-Verbindung. Die Ergebnisse bleiben
abzuwarten.
Fazit
Es ist festzustellen, dass eine Wiederinbetriebnahme
der Potsdamer Stammbahn aus
gesamtwirtschaftlicher Sicht derzeit nicht
zu rechtfertigen ist. Die Länder Berlin und
Brandenburg sprechen sich jedoch für eine
Freihaltung der Flächen als Option für eine
zukünftige Wiederinbetriebnahme der Strecke
aus. Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg
|