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S-Bf. Gesundbrunnen. In den ersten Juli-Tagen ahnten viele Fahrgäste noch nicht das Ausmaß des Chaos und warteten lange auf eine S-Bahn. Aber schon bald suchten sie sich andere Wege. Fotos: Marc Heller |
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Fahrplan für den Ersatzverkehr am S-Bf. Tiergarten. Da hier und am S-Bf. Bellevue keine Regionalzüge halten können, wurden diese Stationen mit Bussen angefahren. Die S-Bahn hatte größte Mühe, für die Restverkehre der S-Bahn und die Ersatzverkehre stets aktuelle Fahrpläne zu hängen. |
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Mit markigen Sprüchen artikulierte die Boulevardpresse den Ärger der Fahrgäste. Für die Berliner Medien fiel das Sommerloch 2009 aus, weil die S-Bahn ständig neue (Negativ-) Schlagzeilen lieferte. Abb: Berliner Kurier vom 1. Juli 2009 |
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Da die planmäßigen Regionalzüge auf der Stadtbahn die Fahrgäste der S-Bahn nicht aufnehmen konnten, wurden zwischen Ostbahnhof und Potsdam Hbf zusätzlich Züge mit Doppelstockwagen von der Strecke Hamburg — Lübeck und aus Rostock eingesetzt. Fotos: Marc Heller und Florian Müller |
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Zug der Heidekrautbahn (NE 27) im Bf. Gesundbrunnen. Die Niederbarnimer Eisenbahn (Veolia) fuhr mit einzelnen Umläufen nicht zum Bahnhof Karow, sondern nach Gesundbrunnen. Viele Fahrgäste wünschen sich das schon lange als Dauerzustand. Foto: Marc Heller |
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Im Sommer 2009 musste ein großer Teil des Fahrzeugparks der Berliner S-Bahn in die Werkstatt, so dass auf vielen Linien der Verkehr reduziert oder gar eingestellt werden musste. Für die Ersatzverkehre holte die Deutsche Bahn Fahrzeuge aus ganz Deutschland nach Berlin, darunter zahlreiche Busse aus Nordrhein-Westfalen. Fotos: Marc Heller |
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S-Bahn-Züge aus München und Stuttgart pendelten vom 20. Juli bis 2. August zwischen Gesundbrunnen und Südkreuz durch den Fernbahntunnel und erschlossen den vom S-Bahn-Netz abgekoppelten Berliner Hauptbahnhof. |
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Ab dem 13. Juli fuhren zwischen Potsdam Hbf und Berlin Ostbahnhof lokbespannte Regionalzüge als sogenannte S-Bahn-Ergänzungszüge, zunächst nur mit Doppelstockwagen, später auch mit diesen X-Wagen aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet. |
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Ein erhöhter Wartungsaufwand als Folge
des Radbruchs am 1. Mai in Kaulsdorf hatte
bereits im Juni zu verkürzten Zügen und
Zugausfällen geführt. Doch die Lage war viel
dramatischer, als die Öffentlichkeit ahnte.
Die S-Bahn setzte immer mehr Wagen ein,
bei denen die Wartungsfristen insbesondere
an den Achsen und Rädern nicht eingehalten
worden waren.
Als das Eisenbahn-Bundesamt bei Kontrollen
Ende Juni diese Missstände entdeckte
und zugleich feststellen musste, dass
Zusagen der S-Bahn-Geschäftsführung gegenüber
dem Eisenbahn-Bundesamt nicht
eingehalten wurden, war die Stilllegung der
meisten Fahrzeuge der Baureihe 481 unvermeidlich.
Da von den 1260 Wagen genau
1000 zu dieser jüngsten Baureihe gehören,
war das Chaos im S-Bahn-Betrieb vorprogrammiert.
Gravierender aber war der Vertrauensverlust.
Natürlich fühlte sich das Eisenbahn-
Bundesamt getäuscht und belogen, was
sicherlich noch Jahre nachwirken und den
S-Bahn-Betrieb erschweren wird. Vor allem
aber waren Fahrgäste und Politiker entsetzt,
dass für die S-Bahn-Geschäftsführung entgegen
allen Beteuerungen die Sicherheit
ihrer Kunden nicht oberstes Gebot war.
Diese Fakten, ergänzt um peinliche öffentliche
Auftritte des S-Bahn-Geschäftsführers
Tobias Heinemann, ließen der
Deutschen Bahn keine andere Wahl, als sich
am 2. Juli von der gesamten vierköpfigen
Geschäftsführung zu trennen. Befremdet
hat allerdings, dass der
Geschäftsführer Produktion,
Peter Büsing, nach
nur einem Monat gehen
musste, während sein
zur DB-Regio-Zentrale
in Frankfurt am Main gewechselter
Vorgänger Ulrich
Thon verschont blieb,
obwohl er maßgeblich für die technischen
Missstände bei der Berliner S-Bahn verantwortlich
war.
Hoffnung auf neue Geschäftsführung
Nachfolger von Tobias Heinemann als Vorsitzender
der Geschäftsführung wurde Peter
Buchner, in Berlin und Brandenburg gut bekannt
als langjähriger Geschäftsführer von
DB Regio Nordost mit Sitz in Potsdam.
Bezüglich der Ursache des Radbruchs
vertritt natürlich auch er die offizielle Linie
der Deutschen Bahn, die da lautet: Der Hersteller
Bombardier hat bei der Baureihe 481
nicht dauerfeste Räder geliefert. Der Radbruch
ist also ein Herstellungsmangel. Dass
Experten wie Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht,
Fachmann für Schienenfahrzeuge an der TU
Berlin, auch andere Ursachen für denkbar
halten, für die möglicherweise
die S-Bahn selbst
verantwortlich ist, wird
ggf. erst gerichtlich geklärt
werden. Derzeit ist
allerdings nicht erkennbar,
dass die DB den Hersteller
verklagen wird.
Aus Fahrgastsicht sehr
erfreulich ist, dass der
neue S-Bahn-Chef nicht
nur den gesamten Prozess
der Fahrzeugwartung bei
der S-Bahn auf den Stand
bringen will, wie er bei anderen
DB-Töchtern längst
erreicht ist, sondern dass
er den Kundenservice der
S-Bahn in weiten Teilen
unumwunden als unzureichend
einschätzt und Verbesserungen
verspricht.
So versucht er gar nicht
erst, die von den Herren
Heinemann und Thon zu
verantwortende Reduzierung
vieler Zugzielanzeiger
auf Blechschilder zu
rechtfertigen, sondern
hält dynamische Zugzielanzeiger
und zusätzlich eine Beschallung
für unabdingbar. Einschränkungen macht
er lediglich bei S-Bahnhöfen, von denen aus
nur ein Zielbahnhof angefahren wird. Hier
genügten LED-Anzeiger, die nur im Verspätungsfall
aktiviert werden. Demgegenüber
sind die vielen wechselnden Betriebszustände
in den letzten Monaten durch das Chaos
und in den nächsten Jahren durch Bauarbeiten
für die IGEB Grund genug, an der Forderung
nach dynamischen Zugzielanzeigern
auf allen S-Bahnhöfen festzuhalten. Den
S-Bahn-Kunden muss derselbe Standard
geboten werden, wie er bei der Berliner U-Bahn
seit Jahren üblich ist.
Entschädigung großzügig regeln
Beim Bemühen der S-Bahn, dass Vertrauen
ihrer Kunden zurückzugewinnen, hat sich
die Entschädigung zu einer Schlüsselfrage
entwickelt. Als das Chaos bei der S-Bahn Anfang
Juli immer größere Ausmaße annahm,
versuchte die Deutsche Bahn einen Befreiungsschlag
und versprach eine Entschädigung
auf Kulanzbasis. In einer Pressemitteilung
vom 9. Juli hieß es:
DB-Personenverkehrsvorstand Homburg
kündigte außerdem freiwillige Kompensationsleistungen
für Stammkunden an: „Abo- und
Jahreskarteninhaber, die für die Tarifbereiche
Berlin A, B oder C im Dezember noch
entsprechende Karten besitzen, erhalten im
Dezember einen Monat freie Fahrt.“ Diese
Regelung gelte für die VBB-Umweltkarte,
Auszubildende/Schüler und Geschwisterkarten
sowie Abo65plus-Nutzer und Firmenticketinhaber.
Damit erhalten Fahrgäste eine
Kompensation, die sich langfristig an die
öffentlichen Verkehrsmittel gebunden haben
und nicht mit der Angebotsminderung
rechnen konnten. Die Entschädigung ist unabhängig
vom jeweiligen VBB-Verkehrsunternehmen,
bei dem der Fahrgast Kunde ist.
Man hätte sich natürlich auch andere Formen
von Entschädigungsregelungen vorstellen
können, zum Beispiel an allen Wochenenden
2010 freie Fahrt in Brandenburg
für Fahrgäste mit Berliner Zeitkarten oder
Ähnliches, aber nach der Ankündigung vom
9. Juli gibt es kein zurück.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB hält es
zwar für richtig, sich bei der Entschädigung
auf die Stammkunden zu konzentrieren,
aber hierbei darf niemand vergessen werden.
Für eine Kulanzregelung gilt: im Zweifel
für den Betroffenen. Doch hier hat die Deutsche
Bahn einen großen Fehler gemacht.
Um die Kosten der Entschädigungsaktion
zu begrenzen, hat sie eine große Gruppe
von Stammkunden mit falschen und peinlichen
Begründungen von der Regelung
ausgenommen: Die Studierenden mit ihren
Semestertickets.
Nachdem die DB mehrfach gefragt wurde,
warum diese Stammkunden nicht entschädigt
werden sollen, hat Ulrich Homburg am
7. August die Begründung für die Ungleichbehandlung
der Stammkunden nachgereicht.
Das Semesterticket sei bereits stark
rabattiert und die drastischen Einschränkungen
des S-Bahn-Verkehrs seien in die
Ferienzeit gefallen. Beide Argumente sind
falsch:
- Beim Semesterticket handelt es sich keineswegs
um eine rabattierte oder gar
subventionierte Karte. Der günstige Preis
entsteht dadurch, dass alle Studierenden
das Ticket kaufen müssen, auch wenn sie
es vielleicht nur selten oder nie nutzen.
Außerdem müssen sie es für alle Monate
kaufen, auch für die Semesterferien.
- Schul- und Semesterferien begannen
2009 beide Mitte Juli, also zwei Wochen
nach Beginn der ersten S-Bahn-Notfahrpläne.
Doch während die Schülerinnen
und Schüler sich in den letzten Tagen vor
den Sommerferien nicht mehr besonders
anstrengen müssen und ab Ferienbeginn
wirklich frei haben, sind die letzten Tage
an den Universitäten geprägt durch Abgabetermine,
Abschlusspräsentationen
und Prüfungen aller Art. Außerdem sind
auch nach Beginn der Semesterferien,
korrekt: nach Beginn der vorlesungsfreien
Zeit vielfach noch Veranstaltungen oder
Intensivkurse zu besuchen und vor allem
Prüfungen zu bewältigen.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert
deshalb die Deutsche Bahn auf, die Diskriminierung
der Studierenden als „Stammkunden
zweiter Klasse“ zu beenden und sie
in gleicher Weise wie die Schüler und alle
anderen Stammkunden zu entschädigen.
Nachwirkungen
Auf den ersten Blick hatte das S-Bahn-Chaos
für BVG, DB Regio und die privaten Bahnunternehmen
viele schöne Seiten. Sie standen
als „die Guten“ da, die die von der S-Bahn im
Stich gelassenen Fahrgäste transportierten
und für ihre zusätzlichen Verkehrsleistungen
auch noch Bestellgelder bekommen.
Vor allem im Zeitraum vom 20. Juli bis 2. August,
als die S-Bahn nur noch rund ein Viertel
ihres Fahrzeugparks einsetzen konnte,
waren die anderen Unternehmen gefordert
und konnten viele zusätzliche Fahrgäste gewinnen.
Und auch der Verkehrsverbund
konnte sich in den Chaoswochen
profilieren, denn niemand informierte
so schnell und umfassend
über die aktuelle Verkehrssituation
in Berlin und Umland wie der VBB.
Dennoch hat die S-Bahn nicht nur
sich, sondern dem öffentlichen Verkehr
insgesamt geschadet. Viele der
hunderttausende Fahrgäste, die die
S-Bahn in diesem Sommer mieden,
wechselten nicht zu einem anderen
Bahn- oder Busunternehmen, sondern
auf Auto oder Fahrrad oder sie
verzichteten ganz auf eine Fahrt.
Nachwirkungen wird der Fahrzeugmangel
auch noch auf den
Winterfahrplan der S-Bahn haben.
Zwar soll bis zum Dezember nach und nach
wieder der Regelfahrplan gefahren werden,
aber die früheren Zuglängen werden sicher
noch nicht erreicht werden. Sitzplätze und
Plätze für Fahrräder, Kinderwagen und
Rollstühle werden also noch länger knapp
bleiben.
Wie angespannt die Situation ist, sieht man
daran, dass die S-Bahn den zum 31. August
vom Land Brandenburg bestellten 10-Minuten-
Takt nach Teltow (vgl. SIGNAL 3/2009) auf
absehbare Zeit noch nicht fahren kann. Berliner Fahrgastverband IGEB
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