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Die Mittelspur als der goldene Mittelweg?

Heftig umstritten waren die geplanten Busspuren auf Berlins Renommierstraße, dem Kurfürstendamm. Zwar war zuletzt keiner mehr grundsätzlich dagegen, aber über die geeignetste Ausführung gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Einig waren sich aber alle, daß die von der Senatsverkehrsverwaltung vorgeschlagene Lösung am rechten Fahrbahnrand die schlechteste ist. Dies wurde bei mehreren Anhörungen deutlich. Denn anders als bei seiner Entscheidung für Tempo 100 auf der Avus hatte Verkehrssenator Wagner (SPD) dieses Mal Befürworter und Kritiker seiner Planung vorab angehört. Und er hat sich von den Einwänden gegen die Planung seines Hauses überzeugen lassen und sich daraufhin für eine Busspur auf der mittleren statt der rechten Fahrbahn entschieden! Sollte dieses Modell auf dem Kurfürstendamm funktionieren, muß es natürlich auch auf andere Geschäftsstraßen mit drei Richtungsfahrbahnen übertragen werden.

Intensiv fortgeführt wurde in den letzten Wochen die Debatte um die für den 1. Oktober geplante Einrichtung der Busspuren auf dem Kurfürstendamm. Nachdem die Senatsverkehrsverwaltung ihren Beschluß, konventionelle Busspuren am rechten Fahrbahnrand auch auf dem Ku’damm einzuführen, per Zeitungsbeilage bereits jedem Berliner Haushalt zukommen ließ, wurde klar, daß diese Lösung nicht durchsetzbar ist.

Modell
Modell und Fotos: J. Schmitt und W. Däumel
Modell
Verkehr auf dem Kurfüstendamm heute - ohne Busspur - (Foto oben) und ab 1. Oktober mit der Busspur in der Mitte. Modell und Fotos: J. Schmitt und W. Däumel

Bei einer Anhörung der betroffenen Verbände und Organisationen bei der Senatsverkehrsverwaltung am 17. Juli wurde deutlich, daß das bisherige Busspurkonzept des Senats für den Kudamm so nicht realisierbar ist. Fast alle der ca. 20 vertretenen Organisationen sprachen sich zwar mehr (z.B. IGEB, VCD, AG City) oder weniger (DGB, IHK, ADAC !) für Busspuren aus, alle lehnten jedoch, mit unterschiedlichen Argumenten, die rechten Busspuren auf der bisherigen Parkspur ab. Aus Sicht der Gewerbetreibenden und ihrer Interessenvertreter lag dabei das Hauptproblem in der nur bis 10 Uhr vormittags vorgesehenen Liefermöglichkeit. Die IGEB hat in ihrer Stellungahme die bei der Senatslösung wahrscheinlich nur geringen Vorteile für den Busverkehr zur Sprache gebracht und insbesondere auch auf die negativen stadträumlichen Auswirkungen der Busspuren am rechten Fahrbahnrand hingewiesen (vgl. SIGNAL 6/89 ). Zum Abschluß ließ Verkehrssenator Wagner deutlich werden, daß er als Ergebnis der Anhörung eine nochmalige Prüfung aller Alternativen vornehmen werde.

Zwei Tage später war dann das vom Charlottenburger Baustadtrat Dyckhoff (SPD) initiierte "Charlottenburger Stadtgespräch" diesmal ebenfalls dem Thema Busspuren auf dem Ku'damm gewidmet. zahlreiche Bürger, Verbandsvertreter und Politiker Eillten den großen Saal im Rathaus. Vorgestellt wurden hier nochmals die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten. Bei der anschließenden Plenums- und Publikumsdiskussion wurde deutlich, daß auch hier niemand die konventionelle Busspurlösung am Ku’damm für zweckmälg hält. Ein beachtenswerter Beitrag kam vom BVG-Direktor Lorenzen, der erläuterte, daß für die BVG auch andere Lösungen als die heftig vom Vertreter der Senatsverkehrsverwaltung, Herrn Gerdum, verteidigte rechte Busspur denkbar seien. Nachteil des IGEB-Vorschlags, die Busspur auf der bisherigen linken Fahrspur anzulegen (vgl. SIGNAL 5/89 ), wurden in erster Linie die nur mittel- bis langfristige Realisierbarkeit und die vergleichsweise hohen Baukosten gesehen.

Favorisiert wurde daher von der Mehrheit der Anwesenden der von der AL Charlottenburg und der AG City initiierte Vorschlag für Bussonderstreifen auf der Mittelspur, bei dem die bisherige Parkspur in eine Ladespur umgewandelt wird und für den fließenden Individualverkehr die linke Spur verbleibt. Vor den Kreuzungen soll die Busspur dann nach rechts verschwenkt werden, so daß die Haltestellen zunächst in ihrer Lage belassen werden können und der IV hier zwei Fahrspuren zur Verfügung hat. Diese Lösung wird inzwischen auch von den Bezirksämtern Charlottenburg und Wilmersdorf unterstützt. In einem weiteren Gespräch bei der Charlottenburger Bezirksbürermeisterin Wissel machte die IGEB deutlich, daß prinzipiell auch die Mittellage der Busspur akzetabel sei, sofern u.a. eine geeignete Beschilderung der Ladespur (absolutes Halteverbot mit Ausnahme des gewerblichen Lieferverkehrs) erfolgen würde und an den Kreuzungen keine Benachteiligung des Busverkehrs durch verkürzte Bus-Grünphasen eintritt.

Am 27. Juli fiel dann die Entscheidung: Die Busspuren sollen entsprechend dem Vorschlag der AL Charlottenburg und der AG City auf der mittleren Fahrspur des Ku’ amms angelegt werden. Die rechte Spur bleibt dem Lieferverkehr vorbehalten, die linke dem Individualverkehr. Offen sind noch die Details: So sind an den Kreuzungen sowohl Haltestellenkaps wie auch ein Verschwenk der Busspur auf die rechte Spur denkbar. Erste Meldungen, wonach für den IV außerdem eine Beschränkung auf Tempo 30 angeordnet werden soll, erwiesen sich leider als voreilig.

Dennoch bleibt festzuhalten, daß die nun geplante Variante einen tragbaren Kompromiß darstellt, auch wenn sie für den Busverkehr sicherlich nicht die beste Lösung ist und insbesondere zwischen Bussen und Radfahrern noch erhebliche Probleme auftreten können. Es spricht für den Verkehrssenator, daß er die zunächst gefällte Entscheidung noch einmal rückgängig machte und die Einwände der Verkehrsinitiativen und der anderen Interessengruppen berücksichtigte. Aber er hätte sich diesen Rückzieher und die gut gemeinte, aber nun ins Leere zielende Public Relation-Aktion auch sparen können, wenn er vor der ersten Entscheidung seiner Verwaltung ein solches Anhörurngsverfahren durchgeführt und die Bedenken und Anregungen berücksichtigt hätte.

IGEB

aus SIGNAL 7/1989 (August 1989), Seite 7-8

 

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