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Das Empfangsgebäude des S-Bahnhofs Bornholmer Straße zu Beginn der Bauarbeiten im Sommer 1990. Foto: M. Heller |
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Schon lange vor Abschluß der Arbeiten wurde der S-Bahnhof wiedereröffnet. Der eingerüstete Abgang führt auf den geplanten Bahnsteig B, an dem später einmal alle Züge nach Norden abfahren werden. Foto: U. Dittfurth |
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Die S-Bahn-Züge der BVG werden “voraussichtlich Anfang
oder Mitte 1991 wieder
ständig auf dem Bahnhof Bornholmer Straße halten", hatte
die Senatsbauverwaltung
vor einem Jahr angekündigt
(vgl. SIGNAL 2/90 ).
Nachdem solche Ankündigungen bisher meist nicht
eingehalten werden konnten, zuletzt beim 10-Minuten-Takt auf der
S2-Süd nach Lichtenrade, mußte es umso
mehr überraschen, daß der alte S-Bahnhof
Bornholmer Straße schon vor Weihnachten
1990 wieder in Betrieb genommen wurde -
nach nur einem halben Jahr Bauzeit, So gab
es also für den Bausenator Wolfgang Nagel,
den Weddinger Bezirksbürgermeister Wolfgang Spiller
und Vertreter von BVG und
DR einen berechtigten Anlaß zum Feiern.
(Apropos Weddinger Bürgermeister: Hatte
man eigentlich übersehen, daß der Bahnhof
im Bezirk Pankow liegt?)
Noch aber ist der 1935 im Zusammenhang
mit dem Bau der Nord-Süd-S-Bahn errichtete
Bahnhof (nach Entwürfen des berühmten “Bahnarchitekten"
Richard Brademann) eine einzige Baustelle. So fehlt u.a.
die Bahnsteigüberdachung, und der Zugang
ist noch nicht über das alte Empfangsgebäude
auf der Südseite der Bösebrücke möglich,
sondern nur über provisorische Holztreppen auf der
Nordseite, wo ein neuer,
bisher nicht vorhandener Zugang im Bau
ist, Den zweiten Bahnsteig, an dem später
wieder die Züge Richtung Norden halten
sollen, gibt es gar nicht mehr, lediglich die
Zugänge werden gleich jetzt gebaut. Zunachst müssen
die Fahrgäste, die in Bornholmer Straße von den Zügen der BVG in
die der DR umsteigen wollen, zur Bösebrücke hochsteigen
und zum provisorischen
Bahnsteig laufen, den die DR bis zum
Sommer fertigstellen will.
Trotz oder gerade wegen dieser Situation
betrachtet die IGEB den Bahnhof Bornholmer Straße
als Erfolg. Warum? Als Anfang
1990 die Wiedereröffnung der seit 1961 stillgelegten
S- und U-Bahnhöfe vorbereitet
wurde, gab es beim S-Bahnhof Bornholmer
Straße unterschiedliche Meinungen, wie
dies geschehen soll. Denn hier gab es zwei
besondere Aspekte zu berücksichtigen:
- Die Wiederverknüpfung der hier jetzt aneinander
vorbeifahrenden und sorgfältig
entflochtenen West- und Ost-Berliner S-Bahn-Linien durch
Verbindung der Gleisanlagen mit Umsteigemöglichkeit am
S-Bahnhof Bornholmer Straße.
- Die Berücksichtigung der Fernbahn, die
mit ihren gerade fertiggestellten neuen,
elektrifzierten Gleisen zwischen den S-Bahnstrecken
West und Ost liegt und die
mittel- bis langfristig erheblich ausgebaut
und verändert werden soll, wofür eine Planungs- und
Realisierungszeit von mehreren
Jahren eingeplant werden muß.
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Bausenator Nagel und Bezirksbürgermeister Spiller am 22.12.1990. Bahnhofseröffnungen sind bei Politikern sehr beliebt, aber warum gibt es davon nur so wenige? Foto: G. Radke |
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Der neue Abgang nördlich der Bösebrücke. Foto: U. Dittfurth |
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An dieser Haltestelle kurz vor dem Bahnhof hält unverständlicherweise die Nachtlinie 16, nicht aber die Tageslinie 89. Foto: M. Horth |
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Zielplanung für den S-Bf. Bornholmer Straße. Aus: VEP Region Berlin |
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Zwei Positionen bildeten sich heraus
(vgl. SIGNAL 4/90 ):
Die einen wollten zwar eine Reaktivierung
des alten S-Bahnhofes für die BVG-Züge,
aber die Verknüpfung mit den östlichen S-Bahn-Strecken
sollte erst im Rahmen einer
Gesamtlösung für das “Nordkreuz” erfolgen. Den
Bau des provisorischen Bahnsteiges, der zwar noch keine
betriebliche Verknüpfung, aber eine kurzfristige Umsteigemöglichkeit
schafft, lehnten sie wegen der
"verlorenen Kosten“ für das Provisorium,
wegen der Lärmbelastung für die Anwohner
und der Gefahr einer Verzögerung für die
“große Lösung" ab.
Die anderen, darunter die IGEB, forderten
den provisorischen Bahnsteig, weil damit
wenigsten überhaupt eine Umsteigemöglichkeit
geschaffen wird. Für das natürlich
weiterhin angestrebte bequeme Umsteigen
am Bahnsteig sind so umfangreiche Umbauten
erforderlich, daß es noch Jahre dauern
wird, weil dafür noch nicht einmal eine abgestimmte
Planung vorliegt und weil deren
Kosten von insgeesamt rund 200 Mio. DM
auf absehbare Zeit nicht finanzierbar sein
werden.
Auch mehrmonatigen verwaltungsinternen
und öffentlichen Diskussionen fiel endlich
die Entscheidung zugunsten der kurzfristig
realisierbaren, provisorischen Lösung: An
den S-Bahn-Gleisen zwischen Pankow und
Schönhauser Allee werden 1991 zwei einfache
Seitenbahnsteige mit Zugängen nördlich der
Bösebrücke und einem ebenerdigen
Zugang von der Norweger Straße zum Gleis
Richtung S-Bf. Pankow gebaut.
Bei einer späteren Realisierung der “großen
Lösung" werden die beiden Seitenbahnsteige
wieder aufgegeben. Der Verkehr der verschiedenen
S-Bahn-Strecken soll dann im
Richtungsbetrieb über zwei Bahnsteige (mit
vier statt früher drei Gleisen) des alten,
jetzt wiedereröffneten Bahnhofes abgewickelt werden
(s. Abb.). Die Züge sollen von
allen in alle Richtungen fahren können, also
von Norden wahlweise auf den Ost- oder
Westring oder in den Nord-Süd-Tunnel und
von Süden auf die Nord- oder die Stettiner
Bahn. Die heutige Trasse der von der DR
betriebenen S-Bahn wird für den Fernverkehr benötigt.
Mit der Entscheidung für das Provisorium
konnte am S-Bahnhof Bornholmer Straße
endlich einmal die von der IGEB seit Jahren
vertretene Position durchgesetzt werden,
daß schnelle Verbesserungen für die
Fahrgäste wichtiger sind, als perfekte Lösungen
in ferner Zukunft.
Ein weiterer Erfolg für die Fahrgäste ist die
Wiederinbetriebnahme des alten Bahnhofes
schon lange vor dem Abschluß der Bauarbeiten.
Zwar sind auch bisher schon S-Bahnhöfe unter Betrieb
umgebaut (Steglitz), renoviert (Anhalter Bahnhof) oder vor
Abschluß von “Feinarbeiten" eröffnet worden
(Wannseebahn 1985). Aber eine Inbetriebnahme
nach nur wenigen Monaten
Bauzeit mit zahlreichen kleinen Provisorien
und noch umfangreichen Bauarbeiten ist -
leider - neu. Dieser erfolgreichen Premiere,
die zeigt, daß es auch anders geht als bisher,
müssen nun weitere Schritte in diese Richtung
folgen, z.B, beim geplanten S-Bahnhof
Kolonnenstraße und bei der Wiederinbetriebnahme
der Kremmener Bahn:
- (Wieder-)Herstellung mit Minimal-Standard, d.h. Bahnsteig,
mindestens eine Treppe und notwendige Technik- und Diensträume,
ggf. - wie bei Bornholmer Straße - zunächst in Containern.
- (Wieder-)Inbetriebnahme für die Fahrgäste.
- Fortsetzung und Fertigstellung der Arbeiten unter Betrieb.
Dieses Verfahren ist sinngemäß auch auf
andere Maßnahmen zu übertragen, so die
Reaktivierung der Ringbahn und der Radialstrecken
ins Berliner Umland, Es ist
nachvollziehbar, daß BVG und Reichsbahn
lieber schlüsselfertige Bahnhöfe bekommen
wollen statt - wie in Bornholmer Straße -
einen halbfertigen und einen provisorischen.
Aber die große Zahl stilliegender
Strecken und fehlender Bahnhöfe bei wachsenden
Straßenverkehrsproblemen und sinkenden Etats
zwingen zum überfälligen
Umdenken.
Wohin es führt, wenn die Planer meinen,
den Fahrgästen nur perfekte oder gar luxuriöse
Bahnhöfe anbieten zu können (das
Stichwort Buckower Chaussee soll genügen),
und wohin es führt, wenn die Techniker meinen,
sich mit modernster, vermeintlich zukunftsträchtiger
Zugsicherungstechnik ihren Platz in der Chronik der
Eisenbahn sichern zu müssen (Stichwort EZS
800), das hat der Westteil Berlins exemplarisch
vorgeführt: Vor sieben Jahren wurde
die S-Bahn, verbunden mit großen Hoffnungen,
von der DR in Westregie übernommen. Aber
seit der Wiederinbetriebnahme
der Wannseebahn am 1. Februar 1985 kamen kein einziger
Meter Strecke und nur
ein Bahnhof (Schichauweg) hinzu. Nun
konnte dieser (Mißerfolgs-)Bilanz mit dem
S-Bf. Bornholmer Straße - früher als erwartet - ein
positives Beispiel angefügt werden
Weitere folgen hoffentlich schon bald.
P.S.: Zwei behebbare Mängel sind nachzutragen.
Auf dem Bahnsteig des S-Bfs Bornholmer Straße
hat die DR - wie auf vielen
ihrer Bahnhöfe - die überholte BVG-Netzspinne
vom April 1990 aufgehängt. In diesem Fall
ist das nicht nur irritierend, sondern grotesk,
da dieser S-Bf. darin noch als
"Bahnhof ohne Halt" gekennzeichnet ist.
Ärgerlich ist auch, daß an der Bushaltestelle,
die dem Bahnhofszugang am nächsten
ist, nur die Busse der BVG-Nachtlinie 16
halten, während die Tageslinie 89 daran
vorbeifährt. Wenn schon kein Halt auf der
schmalen Bösebrücke möglich ist, so sollte
der 89er im Interesse der Umsteiger in beiden Richtungen
wenigstens unmittelbar vor und hinter der langen Brücke halten. IGEB
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