Eigentlich begann der winterliche Fahrplanabschnitt
ja schon am 29. September, jedenfalls bei der Bahn
und den meisten Verkehrsbetrieben. Im Berliner Nahverkehr
aber vertagte man sich auf den 5. Oktober,
und einige Änderungen bei der Tram traten
erst zum 22.10. in Kraft. Ein solcher Terminsalat
ist nicht gerade kundenfreundlich.
Nicht leicht für die Fahrgäste ist auch, daß
sich viele von ihnen den gültigen Fahrplan
ihrer Linie nun aus zwei Büchern zusammensuchen
müssen. Doch es kommt noch
besser: Zum Jahreswechsel sind erneute
Fahrplanänderungen zu erwarten.
Berliner Logik:
Mehr Fahrgäste, weniger Angebote
Auf nicht weniger als 30 Buslinien sind die
neuen Fahrpläne mit einer Taktausdünnung
verbunden, Damit wurde der vom rot-grünen Senat
eingeschlagene Weg zum 10-Minuten-Grundtakt beim Bus kurz vor dem
Ziel wieder verlassen. Dabei hatte auch der
CDU/SPD-Senat sich eindeutig für die Förderung
des ÖPNV ausgesprochen. Doch
den schönen Worten folgten entgegengesetzte
Taten: Für 1992 wurde der Zuschuß
an BVG und BVB um 150 Mio DM gekürzt.
Durch Festhalten an der Einstellungssperre
bei der BVG für Bewohner des
sogenannten Beitrittsgebietes wurde ein
vermeidbarer Personalmangel herbeigeführt.
Der kontinuierlichen Personalabwanderung bei
der BVB durch die nicht länger
tragbare 60%-Tarifregelung wurde tatenlos
zugesehen. Und schließlich will der Verkehrssenator
den Betrieben noch weitere
Kosten aufbürden, z.B. durch Verweigerung
neuer oder gar Einschränkung vorhandener
Busspuren.
Die im Nachtragsfahrplan angekündigte
und von der IGEB sogleich heftig kritisierte
Erweiterung des 3-Minuten-Taktes der U-Bahn-Linie 7
auf 4 Minuten ist zwar kurzfristig wieder
rückgängig gemacht worden,
doch fallen nach wie vor täglich 20 bis 30
Fahrten allein auf der U7 ersatzlos aus.
Dies führt dann natürlich erst recht zu einem
Chaos, weil so größere Fahrplanlücken
entstehen und der nachfolgende Zug durch
längere Bahnhofsaufenthalte die vorgesehene
Fahrzeit nicht mehr einhalten kann. Regelmäßige
U7-Benutzer leiden inzwischen
nicht nur unter Platzangst, sondern fürchten
aus Erfahrung Taktlücken von bis zu einer
Viertelstunde!
Änderungen im Busliniennetz
Die Linie 142 endet nicht mehr an der Philharmonie,
sondern fährt bis zum Wittenbergplatz.
Diese Linienverlängerung ist
nicht nur unter dem Gesichtspunkt der
verbesserten Verknüpfung zwischen Ost- und
West-Berlin zu begrüßen, sondern durch sie
erfolgt auch eine wesentlich verbesserte
Anbindung des Gebietes Kurfürstenstraße/Magdeburger
Platz. Es fehlen jedoch noch
Haltestellen, z.B. an der Kurfürsten- Ecke
Genthiner Straße oder am Kemperplatz in
Fahrtrichtung Westen. Der Verkehrswert
dieser Linie wird allerdings durch die praktisch
ganztägige Behinderung durch den
Autoverkehr erheblich geschmälert. Versäumt
hat es die BVG leider, die dank der
Flächenerschließung durch den 142er nun
nicht mehr erforderliche Zick-Zack-Fahrt
des l29ers über Lützowstraße zu korrigieren.
Mit einer geradlinigen Führung über
Lützowufer ließen sich immerhin vier Abbiegevorgänge
und einige Minuten Fahrzeit
einsparen.
Zu begrüßen ist die Verlängerung der Linie
396 zur Köpenicker Allee. Da es sich jedoch
nur um jeweils 3 bis 4 Einzelfahrten im Berufsverkehr
handelt, wird diese Linie wohl
keinen großen Zuspruch erhalten. Durch
eine Zusammenlegung mit der Linie 296
und eventuell durch Einsatz von kleineren
Fahrzeugen müßte sich eine Auslastung erzielen
lassen, die einen ganztägigen Betrieb,
auch am Wochenende, möglich macht.
Denn es gibt im Einzugsgebiet schließlich
nicht nur Industrie, sondern auch Bewoner.
Und die Wohngebiete rechts und links
der Hermann-Duncker-Straße sind jetzt
teilweise nur unzureichend erschlossen. Alle
dort verkehrenden Linien haben einen sehr
dünnen Fahrplan und werden zumeist nur
werktags betrieben. Die Wegstrecken zur
Tram können bis zu 2 km erreichen.
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Erfreulich: Die Buslinie 142 wurde von der Philharmonie zum Wittenbergplatz verlängert. Aber die wenigen Verbesserungen seit dem 5. Oktober werden durch Taktausdünnungen bei nicht weniger als 30 Buslinien in den Schatten gestellt. Foto: M. Horth |
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Die Einstellung der HVZ-Linie 347, die fast
auf ganzer Strecke parallel zur U8 verkehrte,
ist zu begrüßen. Im Zusammenhang mit
den erforderlichen Neuordnungen der Buslinien
am Michaelkirch- und Arkonaplatz,
wo das Busangebot noch immer gänzlich
durch den alten Mauerverlauf geprägt wird,
ist aber auch die Einstellung des parallel zur
U8 laufenden Abschnitts der Linie 147 zugunsten
eines Personal- und Wageneinsatzes an sinnvollerer Stelle geboten.
Wegen der parallel verkehrenden Buslinie
626 ist die Einstellung der Linie 117 auf
dem Abschnitt Lichterfelde, Lindenstraße -
Stahnsdorf, Waldschänke zu vertreten. Aber
daß der damit eingesparte Wagenumlauf
nicht zur Verdichtung des völlig unzureichenden
Stundentaktes eingesetzt wurde, ist
ärgerlich. Immer noch nicht durch Busse
befahren wird übrigens die längst für den
Autoverkehr geöffnete Knesebeckbrücke
(Vgl. u.a SIGNAL 2/91 und Medienecho in
diesem Heft).
Zementierung der Mauer
Schon mehrfach wurde von der IGEB auf
den Fortbestand der Mauer im Berliner
Busnetz hingewiesen, was nicht immer die
Schuld von BVG und BVB ist. Neue Versäumnisse
für dringend erforderliche Netzverknüpfungen
zwischen Ost- und West-Berlin sind mit der
am 15. November erfolgten
Wiederherstellung der Straßenverbindungen
Wilhelmsruher Damm und Späthbrücke
festzuhalten.
Für insgesamt fast 5 Mio DM wurde nicht
nur der Wilhelmsruher Damm zwischen
Märkischem Viertel und Rosenthal für den
Straßenverkehr befahrbar gemacht, sondern
auch gleich noch eine Lkw-Entlastungsstrecke
parallel zum grünen Mauerstreifen
hergestellt. Im Ostabschnitt aber blieb der
Wilhelmsruher Damm für Busse unbefahrbar,
so daß die Netzlücke zwischen den Buslinien
121/124 auf der Westseite und der
Tramlinie 22 auf der Ostseite nicht geschlossen
werden kann. Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel
wird somit dauerhaft
ein Umsteigeweg von ca. 600 m zugemutet,
der sich auch durch die von der BVG im
kommenden Frühjahr geplante Verlegung
der Buslinie 124 zum Zerpenschleuser Ring
nur unwesentlich verkürzen wird.
Anders sieht es zwischen Neukölln und
Treptow aus. Hier wurde bei der Sanierung
der Späthbrücke die Befahrbarkeit durch
BVG-Busse berücksichtigt. Doch aus den
eingangs genannten Gründen lehnt es die
BVG ab, die dringend benötigte Netzlücke
zu schließen.
Weniger Tram
Die Änderungen im Tramverkehr zum
Oktober 1991 - teilweise auch erst im Dezember -
sind nur der Anfang von deutlichen
Angebotsverschlechterungen, die mit
zurückgehenden Fahrgastzahlen begründet werden.
Es handelt sich aber nicht um die Aufgabe
von Strecken, sondern "nur" um Ausdünnungen
und Verkürzungen von meist lediglich in der
HVZ betriebenen Linien. So verkehrt die Tramlinie
14 auch im Berufsverkehr nur noch zwischen
Leninallee/Dimitroffstraße, die Verlängerungsßahrten zur
Mollstraße entfallen. Weitere Änderungen
betreffen ab Dezember die Linien 19 und
80.
Mit Ausdünnungen der Fahrpläne und dem
bei der Tram weit verbreiteten 20-Minuten-Takt
läßt sich ein weiterer Umstieg von
Fahrgästen auf den Pkw natürlich nicht verhindern.
Im Gegenteil: Hier beginnt der
hinlänglich bekannnte Teufelskreis: schlechteres
Angebot - weitere Abnahme der Fahrgastzahlen - erneute
Fahrplanausdünnung
usw. Und die BVB hat gleich noch eins
draufgesetzt: Die Reduzierung des Behangungsgrades
auf zahlreichen Tramlinien
dürfte zwar die Kosten des Trambetriebes
nur marginal gesenkt haben, dafür aber den
Ärger zahlreicher (bisher noch) treuer
Tramfahrgäste hervorgerufen haben, da
zumindest zu bestimmten Zeiten im Berufsverkehr
die verkürzten Züge völlig überfüllt
sind. Inzwischen ist der Behängungsgrad
wenigstens auf einzelnen Linien wieder zugunsten
eines größeren Platzangebotes erweitert worden.
Nachtliniennetz
Eindeutig in die richtige Richtung gehen die
Veränderungen im Nachtbusnetz. Die Buslinie N8,
die von der Osloer Staße zum Hermannplatz verkehrt,
fährt größtenteils auf
dem Rücken der U-Bahn-Linie 8 und verbindet damit
den Weddinger Nachtknoten
über den Alexanderplatz mit dem Neukölln-Kreuzberger Zentrum
und hat Anschluß zu
sehr vielen anderen Nachtlinien. Änderungen
bei den Linien N27, N44 und N90
sind auf die Einführung dieser neuen Verbindung zurückzuführen.
Ein weiteres Zusammenführen der Nachtnetze
erfolgte durch die Verlängerungen
der Nachtbuslinien N58 und N98 nach Westen.
Die bisher Prenzlauer Allee Ecke Ostseestraße endende
Linie N58 wurde zum U-Bf. Osloer Straße, die Linie N98 von der
Eberswalder Straße zum Betriebshof Usedomer
Straße verlängert. Veränderungen
gab es, im wesentlichen durch Austausch
von Linienästen, auch bei den Nachtlinien
N42, N54, N55, N90 und N93.
IGEB
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