Nahverkehr

Fahrplanwechsel bei BVB und BVG

Offiziell gibt es ja nur noch einen Jahresfahrplan, und die Änderungen sollen zum jährlichen Fahrplanwechsel Ende Mai stattfinden. Aber der dicke Nachtrag zum Berlin-Potsdamer Kursbuch, der kostenlos verteilt wurde, zeigt, daß zum 5. Oktober faktisch doch wieder ein Fahrplanwechsel stattfand. Es gab sowohl Fahrplan- als auch Linienänderungen. Außerdem markiert der Fahrplanwechsel eine Negativwende: Seit 1989 gab es bei der BVG erstmals wieder erhebliche Angebotskürzungen, obwohl sich die Fahrgastzahlen in den letzten beiden Jahren um 25% erhöht(!) haben.

Eigentlich begann der winterliche Fahrplanabschnitt ja schon am 29. September, jedenfalls bei der Bahn und den meisten Verkehrsbetrieben. Im Berliner Nahverkehr aber vertagte man sich auf den 5. Oktober, und einige Änderungen bei der Tram traten erst zum 22.10. in Kraft. Ein solcher Terminsalat ist nicht gerade kundenfreundlich. Nicht leicht für die Fahrgäste ist auch, daß sich viele von ihnen den gültigen Fahrplan ihrer Linie nun aus zwei Büchern zusammensuchen müssen. Doch es kommt noch besser: Zum Jahreswechsel sind erneute Fahrplanänderungen zu erwarten.

Berliner Logik:
Mehr Fahrgäste, weniger Angebote

Auf nicht weniger als 30 Buslinien sind die neuen Fahrpläne mit einer Taktausdünnung verbunden, Damit wurde der vom rot-grünen Senat eingeschlagene Weg zum 10-Minuten-Grundtakt beim Bus kurz vor dem Ziel wieder verlassen. Dabei hatte auch der CDU/SPD-Senat sich eindeutig für die Förderung des ÖPNV ausgesprochen. Doch den schönen Worten folgten entgegengesetzte Taten: Für 1992 wurde der Zuschuß an BVG und BVB um 150 Mio DM gekürzt. Durch Festhalten an der Einstellungssperre bei der BVG für Bewohner des sogenannten Beitrittsgebietes wurde ein vermeidbarer Personalmangel herbeigeführt. Der kontinuierlichen Personalabwanderung bei der BVB durch die nicht länger tragbare 60%-Tarifregelung wurde tatenlos zugesehen. Und schließlich will der Verkehrssenator den Betrieben noch weitere Kosten aufbürden, z.B. durch Verweigerung neuer oder gar Einschränkung vorhandener Busspuren.

Die im Nachtragsfahrplan angekündigte und von der IGEB sogleich heftig kritisierte Erweiterung des 3-Minuten-Taktes der U-Bahn-Linie 7 auf 4 Minuten ist zwar kurzfristig wieder rückgängig gemacht worden, doch fallen nach wie vor täglich 20 bis 30 Fahrten allein auf der U7 ersatzlos aus. Dies führt dann natürlich erst recht zu einem Chaos, weil so größere Fahrplanlücken entstehen und der nachfolgende Zug durch längere Bahnhofsaufenthalte die vorgesehene Fahrzeit nicht mehr einhalten kann. Regelmäßige U7-Benutzer leiden inzwischen nicht nur unter Platzangst, sondern fürchten aus Erfahrung Taktlücken von bis zu einer Viertelstunde!

Änderungen im Busliniennetz

Die Linie 142 endet nicht mehr an der Philharmonie, sondern fährt bis zum Wittenbergplatz. Diese Linienverlängerung ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt der verbesserten Verknüpfung zwischen Ost- und West-Berlin zu begrüßen, sondern durch sie erfolgt auch eine wesentlich verbesserte Anbindung des Gebietes Kurfürstenstraße/Magdeburger Platz. Es fehlen jedoch noch Haltestellen, z.B. an der Kurfürsten- Ecke Genthiner Straße oder am Kemperplatz in Fahrtrichtung Westen. Der Verkehrswert dieser Linie wird allerdings durch die praktisch ganztägige Behinderung durch den Autoverkehr erheblich geschmälert. Versäumt hat es die BVG leider, die dank der Flächenerschließung durch den 142er nun nicht mehr erforderliche Zick-Zack-Fahrt des l29ers über Lützowstraße zu korrigieren. Mit einer geradlinigen Führung über Lützowufer ließen sich immerhin vier Abbiegevorgänge und einige Minuten Fahrzeit einsparen.

Zu begrüßen ist die Verlängerung der Linie 396 zur Köpenicker Allee. Da es sich jedoch nur um jeweils 3 bis 4 Einzelfahrten im Berufsverkehr handelt, wird diese Linie wohl keinen großen Zuspruch erhalten. Durch eine Zusammenlegung mit der Linie 296 und eventuell durch Einsatz von kleineren Fahrzeugen müßte sich eine Auslastung erzielen lassen, die einen ganztägigen Betrieb, auch am Wochenende, möglich macht. Denn es gibt im Einzugsgebiet schließlich nicht nur Industrie, sondern auch Bewoner. Und die Wohngebiete rechts und links der Hermann-Duncker-Straße sind jetzt teilweise nur unzureichend erschlossen. Alle dort verkehrenden Linien haben einen sehr dünnen Fahrplan und werden zumeist nur werktags betrieben. Die Wegstrecken zur Tram können bis zu 2 km erreichen.

Bus
Erfreulich: Die Buslinie 142 wurde von der Philharmonie zum Wittenbergplatz verlängert. Aber die wenigen Verbesserungen seit dem 5. Oktober werden durch Taktausdünnungen bei nicht weniger als 30 Buslinien in den Schatten gestellt. Foto: M. Horth

Die Einstellung der HVZ-Linie 347, die fast auf ganzer Strecke parallel zur U8 verkehrte, ist zu begrüßen. Im Zusammenhang mit den erforderlichen Neuordnungen der Buslinien am Michaelkirch- und Arkonaplatz, wo das Busangebot noch immer gänzlich durch den alten Mauerverlauf geprägt wird, ist aber auch die Einstellung des parallel zur U8 laufenden Abschnitts der Linie 147 zugunsten eines Personal- und Wageneinsatzes an sinnvollerer Stelle geboten.

Wegen der parallel verkehrenden Buslinie 626 ist die Einstellung der Linie 117 auf dem Abschnitt Lichterfelde, Lindenstraße - Stahnsdorf, Waldschänke zu vertreten. Aber daß der damit eingesparte Wagenumlauf nicht zur Verdichtung des völlig unzureichenden Stundentaktes eingesetzt wurde, ist ärgerlich. Immer noch nicht durch Busse befahren wird übrigens die längst für den Autoverkehr geöffnete Knesebeckbrücke (Vgl. u.a SIGNAL 2/91 und Medienecho in diesem Heft).

Zementierung der Mauer

Schon mehrfach wurde von der IGEB auf den Fortbestand der Mauer im Berliner Busnetz hingewiesen, was nicht immer die Schuld von BVG und BVB ist. Neue Versäumnisse für dringend erforderliche Netzverknüpfungen zwischen Ost- und West-Berlin sind mit der am 15. November erfolgten Wiederherstellung der Straßenverbindungen Wilhelmsruher Damm und Späthbrücke festzuhalten.

Für insgesamt fast 5 Mio DM wurde nicht nur der Wilhelmsruher Damm zwischen Märkischem Viertel und Rosenthal für den Straßenverkehr befahrbar gemacht, sondern auch gleich noch eine Lkw-Entlastungsstrecke parallel zum grünen Mauerstreifen hergestellt. Im Ostabschnitt aber blieb der Wilhelmsruher Damm für Busse unbefahrbar, so daß die Netzlücke zwischen den Buslinien 121/124 auf der Westseite und der Tramlinie 22 auf der Ostseite nicht geschlossen werden kann. Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel wird somit dauerhaft ein Umsteigeweg von ca. 600 m zugemutet, der sich auch durch die von der BVG im kommenden Frühjahr geplante Verlegung der Buslinie 124 zum Zerpenschleuser Ring nur unwesentlich verkürzen wird.

Anders sieht es zwischen Neukölln und Treptow aus. Hier wurde bei der Sanierung der Späthbrücke die Befahrbarkeit durch BVG-Busse berücksichtigt. Doch aus den eingangs genannten Gründen lehnt es die BVG ab, die dringend benötigte Netzlücke zu schließen.

Weniger Tram

Die Änderungen im Tramverkehr zum Oktober 1991 - teilweise auch erst im Dezember - sind nur der Anfang von deutlichen Angebotsverschlechterungen, die mit zurückgehenden Fahrgastzahlen begründet werden. Es handelt sich aber nicht um die Aufgabe von Strecken, sondern "nur" um Ausdünnungen und Verkürzungen von meist lediglich in der HVZ betriebenen Linien. So verkehrt die Tramlinie 14 auch im Berufsverkehr nur noch zwischen Leninallee/Dimitroffstraße, die Verlängerungsßahrten zur Mollstraße entfallen. Weitere Änderungen betreffen ab Dezember die Linien 19 und 80.

Mit Ausdünnungen der Fahrpläne und dem bei der Tram weit verbreiteten 20-Minuten-Takt läßt sich ein weiterer Umstieg von Fahrgästen auf den Pkw natürlich nicht verhindern. Im Gegenteil: Hier beginnt der hinlänglich bekannnte Teufelskreis: schlechteres Angebot - weitere Abnahme der Fahrgastzahlen - erneute Fahrplanausdünnung usw. Und die BVB hat gleich noch eins draufgesetzt: Die Reduzierung des Behangungsgrades auf zahlreichen Tramlinien dürfte zwar die Kosten des Trambetriebes nur marginal gesenkt haben, dafür aber den Ärger zahlreicher (bisher noch) treuer Tramfahrgäste hervorgerufen haben, da zumindest zu bestimmten Zeiten im Berufsverkehr die verkürzten Züge völlig überfüllt sind. Inzwischen ist der Behängungsgrad wenigstens auf einzelnen Linien wieder zugunsten eines größeren Platzangebotes erweitert worden.

Nachtliniennetz

Eindeutig in die richtige Richtung gehen die Veränderungen im Nachtbusnetz. Die Buslinie N8, die von der Osloer Staße zum Hermannplatz verkehrt, fährt größtenteils auf dem Rücken der U-Bahn-Linie 8 und verbindet damit den Weddinger Nachtknoten über den Alexanderplatz mit dem Neukölln-Kreuzberger Zentrum und hat Anschluß zu sehr vielen anderen Nachtlinien. Änderungen bei den Linien N27, N44 und N90 sind auf die Einführung dieser neuen Verbindung zurückzuführen.

Ein weiteres Zusammenführen der Nachtnetze erfolgte durch die Verlängerungen der Nachtbuslinien N58 und N98 nach Westen. Die bisher Prenzlauer Allee Ecke Ostseestraße endende Linie N58 wurde zum U-Bf. Osloer Straße, die Linie N98 von der Eberswalder Straße zum Betriebshof Usedomer Straße verlängert. Veränderungen gab es, im wesentlichen durch Austausch von Linienästen, auch bei den Nachtlinien N42, N54, N55, N90 und N93.

IGEB

aus SIGNAL 9/1991 (Dezember 1991), Seite 6-7

 

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