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Nach Fahrplan

BVG-Konzept „2005 plus” wird umgesetzt

Einige haben es der BVG nicht zugetraut, andere hatten auf ein Scheitern gehofft, doch die BVG hat es tatsächlich geschafft, eine beispiellos umfangreiche Neustrukturierung ihres Straßenbahn- und Busliniennetzes pünktlich zum Fahrplanwechsel am 12. Dezember umzusetzen. Kritik gab es allerdings für die vielen Mängel bei der Fahrgastinformation.

Informierente Fahrgäste
In Vorbereitung auf das neue Linienkonzept der BVG (BVG 2005 plus) ab 12. Dezember 2004 lud der Berliner Fahrgastverband IGEB die BVG ein, im Fahrgastzentrum im S-Bahnhof Jannowitzbrücke eine Informations-Ausstellung zu präsentieren. Netzpläne, Stelltafeln und Linienfaltblätter zum Mitnehmen für die Fahrgäste standen vom 29. November bis 10. Dezember bereit. Experten der IGEB betreuten die Ausstellung jeden Tag und beantworteten Fragen, an einigen Tagen unterstützt von BVG-Mitarbeitern. Der regelrechte Ansturm von über 1 000 ratsuchenden Fahrgästen offenbarte einen großen Informationsbedarf der durch Pressemeldungen um „ihre” BVG-Linie besorgten Kunden. Foto: Florian Müller
U-Bahn Perlschnur
Bereits Wochen vor dem Start von „BVG 2005 plus” hat die BVG auf den U-Bahnhöfen mit dem Überkleben der noch gültigen Informationstafeln begonnen und damit ortsunkundige Fahrgäste verwirrt. Das Bild zeigt den U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte, wo zum Zeitpunkt der Aufnahme noch über zwei Wochen die Züge der U 1 zwischen Krumme Lanke und Warschauer Straße verkehrten. Foto: Marc Heller
U-Bahnhof
Ob der Werbeslogan „Formel M” für das Metro-Netz glücklich gewählt wurde, darf bezweifelt werden. Mißlungen ist auch die Fotoauswahl: Im Hintergrund ist ausgerechnet ein großes Parkhaus in Berlin-Mitte zu sehen, dessen Errichtung zudem für viel Unmut beim Bezirksamt und den Anwohnern gesorgt hatte. Wohl noch nie wurde in Berlin so unsensibel für den öffentlichen Nahverkehr geworben. Foto: Marc Heller
Leere Infobox
Anspruch und Wirklichkeit. Trotz des unbestritten großen Engagements der BVG-Mitarbeiter kamen viele der Publikationen zu „BVG 2005 plus” zu spät. Vier Tage vor dem Start am 12. Dezember fehlte nicht nur auf dem U-Bahnhof Mierendorffplatz die versprochene Kundenzeitung „BVGplus extra”. Foto: Florian Müller
Netzspinne
Die neue Netzspinne mit Schnellbahn- und Metro-Netz wurde bereits über zwei Wochen vor Einführung des Metro-Netzes auf allen U-Bahnhöfen aufgehängt. Das ist umso unverständlicher, nachdem BVG Chef von Arnim am 12. November auf IGEB-Anfrage zugesagt hatte, dass die neue Fahrgastinformation in einer konzentrierten Aktion innerhalb von nur 48 Stunden vor dem Fahrplanwechsel angebracht werde. Foto: Marc Heller
Bus 219
Ende einer Busfahrt, der letzten am 11. Dezember. Seither fahren auf der Eichkampstraße keine Busse mehr. Foto: Dieter Kaddoura
Bus M41
Start am 12. Dezember. Seither bietet die Metrolinie M 41 eine Direktverbindung Neukölln—Potsdamer Platz Foto: Marc Heller

Die letzte Hürde für „BVG 2005 plus" war die Genehmigung der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Als diese Genehmigung am 9. November für die von der BVG beantragten Linien- und Fahrplanänderungen vorlag und nur sehr wenige Änderungsforderungen enthielt, war für die Verantwortlichen bei der BVG klar: Es ist zu schaffen. Allerdings konnten sich die BVGer nicht viel Zeit zum Feiern nehmen, sondern mußten nun ihre umfangreiche Werbe- und Informationskampagne starten, das so genannte Micro-Marketing, damit möglichst viele Fahrgäste bereits vor dem 12. Dezember wußten, was ab diesem Tag an Neuerungen auf sie zukommen würde.

Neu: 24 Metrolinien

Kern von „BVG 2005 plus" sind die 24 neuen MetroTram- und MetroBuslinien. Sie werden auf den wichtigsten Verkehrsachsen, die von S- und U-Bahn nicht bedient werden, eingesetzt und verkehren an allen Wochentagen 20 Stunden und tagsüber mindestens im 10-Minuten-Takt. Ergänzt wird dieses Kernnetz durch 12 Expreß-Buslinien, die - von zum Teil etwas reduzierten Betriebszeiten abgesehen - nur geringfügige Änderungen erfahren. Die Flächenerschließung erfolgt durch weitere 135 Straßenbahn- und Buslinien, bei denen es in der Summe zu deutlichen Reduzierungen im Verkehrsangebot kommt, bedingt durch Maßnahmen wie Linienkürzungen, Takterweiterungen und Einschränkungen der Betriebszeiten.

Der Senatsgenehmigung vorausgegangen war ein umfangreiches Planungs- und Abstimmungsverfahren, das wir im SIGNAL bereits ausführlich dargestellt haben. Erstmals gab es dabei auch eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Natürlich kann und muß diese künftig noch besser werden, aber es bleibt anzuerkennen, daß die BVG hier erste Schritte in die richtige Richtung gemacht hat. Für die BVG bedeutet das neue Liniennetz eine Reduzierung der Betriebsleistung um ca. 3,9 Mio Nutzwagenkilometer pro Jahr. Damit kann sie ihre Kosten um jährlich immerhin ca. 7,1 Mio € senken, ohne daß sie verminderte Zuschußzahlungen des Senates zu erwarten hätte, denn der Unternehmensvertrag erlaubt eine entsprechende Schwankungsbreite ohne finanzielle Auswirkungen. Gleichzeitig erhofft sich die BVG insbesondere durch die Einführung des neuen Qualitätsproduktes „Metrolinien" eine Steigerung der Fahrgastzahl um ca. 20 Mio Fahrten pro Jahr (ein Zuwachs um ca. 2 %) und dadurch Mehreinnahmen in Höhe von ca. 9,7 Mio Euro. Der Gesamtbeitrag des neuen Liniennetzes zur BVG-Sanierung soll sich somit auf 16,8 Mio Euro pro Jahr belaufen.

Der Doppelschlag: Mehr Umsteigen, mehr zahlen

Während die Kosteneinsparungen durch die Leistungsreduzierungen unstrittig und die möglichen Fahrgastzuwächse durch die Metrolinien aufgrund der positiven Erfahrungen in Hamburg nicht unrealistisch sind, bleiben aber die Auswirkungen der Angebotseinschränkungen im Ergänzungsliniennetz auf die Fahrgastzahlen im Dunkeln. Nach BVG-Angaben wird sich für nur für 5 Prozent der Berliner das Angebot verschlechtern. Doch hier werden die Auswirkungen auf den einzelnen Fahrgast gravierend sein. Wer auf seinen regelmäßigen Wegen zur Arbeit, zum Einkaufen oder mit dem Kind zur Kita zukünftig nur noch einen 20-Minuten-Takt geboten bekommt und eventuell noch einen zusätzlichen Umsteigevorgang in Kauf nehmen muß, der wird die öffentlichen Verkehrsmittel nur noch dann benutzen, wenn er keine andere (Verkehrsmittel-) Wahl hat.

Ein Teil der Fahrgäste wird sogar gleich doppelt bestraft: Sie verlieren nicht nur eine umsteigefreie Direktverbindung, sondern müssen auch noch auf den Kurzstreckentarif verzichten, weil der in Berlin bekanntlich keine Umsteigeberechtigung einschließt. Die spannende Frage ist, wie viele der betroffenen Fahrgäste sich diese Angebotsverschlechterung gefallen lassen und wie gravierend sich dies auf die Einnahmesituation der BVG auswirkt.

Die IGEB hat sich in den letzten Monaten intensiv mit den neuen Linienplänen auseinandergesetzt und konnte im Dialog mit der BVG auch die eine oder andere vorgesehene (Spar-) Maßnahme zugunsten der Fahrgäste abwenden oder abmildern. Dennoch blieben am Ende immer noch eine Vielzahl von Linienkürzungen oder Linieneinstellungen, die wir für nicht vertretbar halten, die zum Teil auch den Vorgaben des Nahverkehrsplans widersprechen und auf die wir - und auch viele andere Initiativen und Bürger - auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hingewiesen haben. Einen Teil dieser Problempunkte haben wir im SIGNAL 5/2004 dargestellt. Aber die Senatsverkehrsverwaltung hat, von ganz kleinen Ausnahmen zumeist durch Fahrplanverbesserungen abgesehen, die BVG-(Spar-)Pläne letztendlich unverändert akzeptiert. Daß an der einen oder anderen Stelle von der BVG noch ein „Erfolgsnachweis" geführt werden muß und die BVG eine kontinuierliche Nachjustierung des Angebotes zugesagt hat, ist für die betroffenen Fahrgäste nur ein schwacher Trost, denn wenn eine Linie erst einmal eingestellt wurde, ist angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen kaum mit einer Reaktivierung zu rechnen. Und wenn doch, dann wird versucht werden, das an anderer Stelle im Netz wieder „zu erwirtschaften". Insofern bringt der Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2004 den Berliner ÖPNV-Kunden einerseits Licht (insbesondere durch einige Verbesserungen im Rahmen des Metroliniennetzes), aber eben auch viel Schatten durch erhebliche Nachteile, die ein Teil der Berliner Fahrgäste erfahren werden. Doch trotz der Unzulänglichkeiten muß man der BVG zu Gute halten, daß sie mit „BVG 2005 plus" versucht, ihre Sparzwänge als Folge verminderter Zahlungen des Landes Berlin nicht nur durch Angebotsabbau, sondern auch durch eine Umstrukturierung zu bewältigen, von der sich die BVG Fahrgastgewinne und damit Mehreinnahmen erhofft. Ob dieser Versuch gelingt, wird sich voraussichtlich bereits in den ersten Monaten nach dem 12. Dezember 2004 abzeichnen.

IGEB

aus SIGNAL 6/2004 (Dezember 2004/Januar 2005), Seite 6-8

 

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