Ihr Grundanliegen, die Attraktivität und Leistungsfähigkeit
des öffentlichen Personennahverkehrs Berlins durch moderne,
umweltfreundliche und sichere Nahverkehrstechnik kostengünstig
und in kürzestmöglicher Zeit zu erhöhen, kann nur Zustimmung
finden. Dieses Ziel trifft nicht nur für Berlin und seine
hauptstädtischen Funktionen zu, sondern ist ein unstrittiger
Grundsatz der Verkehrspolitik überhaupt.
Meinen Bemerkungen zu Ihrer Kritik an der Verkehrspolitik
des Senats und zu Ihrem Verkehrskonzept für das Parlaments- und
Regierungsviertel möchte ich voranstellen, daß die Zuständigkeit
für die Infrastruktur der Eisenbahn einschließlich der S-Bahn
beim Bund und diejenige für die U-Bahn, für die Stadt-/Straßenbahn
und für den kommunalen Straßenbau beim Senat liegt.
Die unter diesem Aspekt gemeinsam vom Bundesministerium für
Verkehr und vom Berliner Senat getragene Verkehrslösung im
Zentralen Bereich Berlins mit der Nord-Süd-Fern- und
Regionalbahntrasse, der U-Bahn-Linie 5 und dem Straßentunnel
bilden das Grundkonzept für die weiteren Verkehrsplanungen in
diesem Bereich.
Mit Beschluß vom 5. Oktober 1993 hat der Berliner Senat seine
Finanzierungsprioritäten für die bis zum Jahr 2002 notwendige
Verkehrsinfrastruktur für den öffentlichen Personennahverkehr
gesetzt. Hierbei hat das Bundesministerium für Verkehr zur
Kenntnis genommen, daß der Berliner Senat sich nicht in der
Lage sieht, Bundesmittel aus dem GVFG-Landesprogramm für
Wiederherstellung und Grunderneuerung der Berliner S-Bahn zur
Verfügung zu stellen.
Damit reduziert sich die Finanzierung [der Berliner S-Bahn]
unter Berücksichtigung von berechtigten Forderungen der
anderen Bundesländer zunächst auf Mittel aus dem GVFG-Bundesprogramm
und die Finanzierung durch die Deutsche Bahn AG. Sollte eine
dabei auch nach der notwendigen Optimierung und
Prioritätenreihung der Projekte noch bestehende
Finanzierungslücke bis zum Jahr 2002 nicht geschlossen
werden können, würde sich die Grunderneuerung entsprechend
verlängern. Die geplanten Eröffnungstermine für die noch
stilliegenden Strecken würden sich deshalb jedoch nicht verändern.
Die Finanzierung der S-Bahn-Fahrzeuge liegt nach der
Bewilligung von 100 Viertelzügen aus dem Bundeshaushalt
nunmehr in der Zuständigkeit der Deutsche Bahn AG.
Zusammenfassend ist der Senatsbeschluß vom 5. Oktober
1993 nicht als Abkehr von der bzw. als Aufgabe der
Berliner S-Bahn interpretierbar. Die von Ihnen gesehene
Gefahr, daß die S-Bahn auf dem heutigen Stand stehen bleibt
und keine Erweiterungen und Instandsetzungen mehr erfolgen,
kann daraus nicht abgeleitet und entsprechend auch nicht
geteilt werden.
Das von Ihnen vorgeschlagene Verkehrskonzept für das
Parlaments- und Regierungsviertel stellt einen interessanten
Beitrag zur Ergänzung und Optimierung des bestehenden
verkehrlichen Grundkonzeptes dar. Dies möchte ich nicht
nur auf den Parlaments- und Regierungsbereich beschränken,
sondern auf die gesamten Einzugsbereiche der von Ihnen
genannten Linien beziehen.
Eine Einzelbeurteilung der vorgeschlagenen Lösungen ist
mir nicht möglich. Dazu bedarf es der Abwägungen mit dem
prognostizierten Beförderungsbedarf und seiner Umlegung
auf die Netzfälle, mit den städtebaulichen Bedingungen
und Vorgaben, mit der Straßennetzgestaltung und ihrer
Leistungsfähigkeit sowie mit der Netzkompatibilität des
Systems insgesamt. Darüber hinaus sind auch Fragen der
Linienführung im Spreebogen selbst unter den bisher
getroffenen Entscheidungen seiner Bebauung zu beantworten.
Diese Fragen fallen jedoch unter die Zuständigkeit
des Berliner Senats. Ich habe daher Ihr Konzept dem
Senator für Verkehr und Betriebe mit einem Abdruck dieses
Schreibens zugeleitet.
Mit freundlichen Grüßen,
im Auftrag
Schulz
Nachzulesen ist das vom Berliner Fahrgastverband IGEB
erarbeitete "Verkehrskonzept für das Parlaments- und
Regierungsviertel" in SIGNAL 9-10/93.
****
[IGEB] Man beachte den dritten Absatz. Dort steht:"... möchte
ich voranstellen, daß die Zuständigkeit für die Infrastruktur
der Eisenbahn einschließlich der S-Bahn beim Bund... liegt."
Keine Neuigkeit? Nein, aber drängt sich die Frage auf, wieso
dann der Bau der S-Bahn-Linie 21 vom Anhalter über den
Lehrter Bahnhof zum Nordring durch zwei Beschlüsse des
Berliner Senates (am 5.10. und 23.11.93) "gekippt" werden
konnte? Oder hat der Senat nur ausgeführt, was ihm von Bund
und Bahn nahegelegt wurde? Und warum kam die schärfste Kritik
am Senatsbeschluß ausgerechnet vom Automobilkonzern Daimler,
verbunden mit der Ankündigung eines Gegengutachtens? Ist es
nur der Verlust einer direkten Schienenverbindung zwischen
dem Potsdamer Platz (wo Daimler baut) und dem Flughafen Tegel,
der den Konzern schmerzt, oder ist es auch die Einsicht in
die Notwendigkeit, Alternativen zum Autoverkehr an bieten
zu müssen? Mit alledem wäre erneut bewiesen, wie treffend
die Namensgebung "Pilzkonzept" war. Wachsen und Vergehen
der Pilze erfolgt in der Regel an schattigen, schwer
einsehbaren bzw. schwer zugänglichen Plätzen ... Bundesministerium für Verkehr
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