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Im Potsdamer Hauptbahnhof (VBB Brandenburg, Preiskategorie 2) kostet einer der wenigen Fernverkehrshalte mit 96,74 Euro circa doppelt so viel wie einer der zahlreichen im Berliner Hauptbahnhof (VBB Berlin, Preiskategorie 1) mit lediglich 47,34 Euro. Foto: BfVst |
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Damit ist nicht gemeint, dass
die Fahrkarten dort teurer seien oder die
Preise der Gewerbetreibenden im Bahnhof
unverhältnismäßig hoch wären. Nein, der
Reisende bekommt davon gar nichts mit. Es
geht um die Stationsentgelte. Das sind die
Nutzungsgebühren, die Eisenbahnverkehrsunternehmen
(EVU) an den Bahnhofsbetreiber
bezahlen, damit ihre Züge dort halten
dürfen, um die Fahrgäste sicher ein- und
aussteigen zu lassen.
Stationsentgelterhöhung 2018
Und wie es nun mal mit Gebühren so ist,
werden sie regelmäßig erhöht – zuletzt zum
1. Januar 2018. Neu ist jedoch, dass die Erhöhungen
künftig beschränkt werden sollen.
Maßgebend für die Obergrenze wird dann
die jährliche Anpassung der Regionalisierungsmittel
sein, die der Bund den Ländern
gibt.
Seit vielen Jahren stapeln sich Beschwerden
von diversen EVU, Aufgabenträgern
und sogar einigen Bundesländern, dass die
Stationsentgelte zu hoch, die Preisbildung
nicht nachvollziehbar und die Erhöhungen
unverhältnismäßig seien. Zu einigen sind
bereits seit Jahren Gerichtsverfahren im
Gange, die alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht
und zum Europäischen
Gerichtshof beschäftigen.
Teuer?
Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas,
Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
(BNetzA) ist die zuständige Regulierungsbehörde,
die seit 2006 auch den Wettbewerb
und den diskriminierungsfreien Zugang zu
den Eisenbahninfrastrukturen überwacht.
Eine Überprüfung durch die Bundesnetzagentur
kam zum Ergebnis, dass das sogenannte
mittlere Stationsentgelt im Zeitraum
2011 bis 2016 um 10 Prozent gestiegen ist.
Um die Steigung bewerten zu können, hatte
sie als Vergleichsindizes den Erzeugerpreisindex,
den Verbraucherpreisindex und den
EIU-Inputpreisindex hinzugezogen. Demnach
stiegen im gleichen Zeitraum die Verbraucherpreise
(Inflation) nur um 5,1 Prozent
und die Aufwendungen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen
(EIU) nur um 4,4
Prozent. Die Erzeugerpreise gewerblicher
Produkte (u. a. Rohstoffe, Produkte, Energie)
sind sogar um 2,9 Prozent gefallen.
Lukrativ!
Betrachtet man die Geschäftsberichte der
DB Station & Service AG (DB S&S – dem
Betreiber der Bahnhöfe und Haltepunkte
in Deutschland) von 2011 bis 2016, so zeigen
die Zahlen eindeutig: Es geht aufwärts!
Die Zahl der jährlichen Stationshalte stieg
von 142,2 Mio auf 149,4 Mio, das ist eine Zunahme
um 5,06 Prozent. Die jährlichen Umsatzerlöse
allein aus den Stationsentgelten
stiegen hingegen von 715 Mio Euro auf 833
Mio Euro, also um 16,5 Prozent. Zieht man
die anderen Umsatzerlöse (z. B. Verpachtung
von Immobilien und Vermietung von
Ladengeschäften in den Bahnhöfen) hinzu,
so ergibt sich eine Steigerung insgesamt
von 1.064 auf 1.276 Millionen Euro, das sind
19,92 Prozent. Nochmals zum Vergleich: Die
Inflation betrug lediglich 5,1 Prozent!
Insgesamt erwirtschaftete das Unternehmen
daraus in dem Zeitraum einen Nettogewinn
(nach Steuern) von über einer Milliarde
Euro, der an den DB-Konzern abgeführt
wurde.
Kein Wunder also, dass die EVU aufbegehren,
machen die Ausgaben für die Eisenbahninfrastruktur
doch einen immer größer
werdenden Anteil an ihren Gesamtkosten
aus. Denn auch das mittlere Trassenpreisentgelt
stieg in den Jahren 2011 bis 2016 um
14,0 bis 15,3 Prozent. Dagegen stiegen die
Erlöse der EVU im Schienenpersonennahverkehr
(SPNV) nur um circa 6,0 Prozent, im
Fernverkehr (SPFV), unter anderem wegen
der schwierigen Wettbewerbssituation mit
den Fernbussen, sogar um nur circa 1 Prozent.
Laut Aussage der Bundesnetzagentur
in ihrem Tätigkeitsbericht vom 30.11.2017
(DS 19/160) hatte die DB S&S in den Jahren
bis 2017 stets eine Dynamisierungsrate von
2,0 Prozent festgelegt, die die allgemeinen
Kostensteigerungen abdecken sollte. Zusätzlich
wurden zu erwartende Sondereffekte
umgelegt, die eine gesamte Kostensteigerung
von 2,38 Prozent von 2016 zu 2017
rechtfertigen sollten. Bei der letzten noch
nach alter Rechtsgrundlage gemäß Allgemeinem
Eisenbahngesetz (AEG) vorgesehenen
Vorabprüfung wurde der Entgeltänderung
– bis auf kleine einzelne Anpassungen –
nicht widersprochen.
Aber für wie lange?
Am 2. September 2016 trat das Eisenbahnregulierungsgesetz
(ERegG) in Kraft, das
nunmehr die explizite Genehmigung der
Entgelte nach strengen Kriterien vorschreibt.
So wird die Kostensteigerungsrate der Stationsentgelte
für den SPNV auf die relative
Erhöhung der Regionalisierungsmittel begrenzt.
Da die Stationsentgelte des Fernverkehr
an die Preise des Nahverkehr gekoppelt
sind, sollte auch hier mit großen Preissprüngen
kaum mehr zu rechnen sein.
Berechnungsgrundlage sind zunächst die
für 2017 festgesetzten Stationsentgelte – bis
zu einer möglicherweise grundlegenden
Korrektur der Entgelte und ggf. Entgeltstruktur.
Das Ergebnis eines 2016 bis Ende
2017 stattgefundenen Prüfungsverfahrens
der Bundesnetzagentur zur Höhe der Stationspreise
sollte bald vorliegen.
Dass die Steigerung der Stationsentgelte
gekoppelt an der Dynamisierungsrate der
Regionalisierungsmittel jedoch eine Mogelpackung
ist, werden wir gleich noch näher
beleuchten. Doch zunächst sind erst einmal
die folgenden Fragen zu klären: Wie werden
die Stationsentgelte bemessen? Welche Kriterien
liegen zugrunde? Und woher kommen
die teils gewaltigen Preisunterschiede
für vergleichbare Bahnhöfe?
Die Stationspreisbildung
Sie Stationsentgelte beziehen sich ausschließlich
auf den verkehrlichen Teil eines
Bahnhofes. Grob gesagt: die Gleise, Bahnsteige
und Zuwege. Alle sonstigen Teile, die
nicht per Gesetz zur Eisenbahninfrastruktur
gehören, wie beispielsweise die Bahnhofshalle
mit Fahrkartenschaltern sowie vermieteten
Geschäften, Parkhaus, Wirtschaftsund
Nebengebäude, werden außen vor
gelassen. Die Preisbildung geht auf das Stationspreissystem
SPS 11 vom 1. Januar 2013
zurück und fußt auf zwei Säulen: erstens die
Kategorisierung der Bahnhöfe und zweitens
die Gewichtung der Preise je Kategorie und
regional zuständigem Aufgabenträger.
Die Bahnhofskategorien
Man betrachtet die Bahnhöfe nach sechs
Merkmalen, die unterschiedlich gewichtet
werden:
- Anzahl der Bahnsteigkanten (20%)
- längster Bahnsteig (20%)
- Anzahl der Reisenden am Tag (20%)
- Anzahl der haltenden Züge pro Tag (20%)
- Rolltreppen und/oder Fahrstühle vorhanden
(5%)
- Servicepersonal vor Ort (15%)
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Potsdam Pirschheide (VBB Brandenburg). Der ehemalige Potsdamer Hauptbahnhof ist heute ein kleiner verkommener Halt der Preiskategorie 6 mit nur noch einem Bahnsteig. Das Anhalten kostet hier 4,80 Euro, in derselben Kategorie in Rheinland-Pfalz (ZVRP Nord) dagegen nur 2,77 Euro, aber in Mecklenburg (VMV) sogar stolze 5,19 Euro. Foto: BfVst |
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Jedes der ersten vier Merkmale wird jeweils
in sechs Stufen anhand definierter Schwellenwerte
gestaffelt: 1 ist die niedrigste und
6 die höchste. Je mehr ein Merkmal erfüllt
wird, desto höher fällt die Stufe aus. Für jede
einzelne erreichte Stufe gibt es 3,33 Prozentpunkte
(20 Prozent geteilt durch 6 Stufen).
Beispiel: Rehfelde in Brandenburg hat
nur eine Bahnsteigkante, fällt in Stufe 1 (bekommt
20 / 6 × 1 = 3,33), Berlin Hbf hat 14
Bahnsteigkanten und fällt in die Stufe 5 (bekommt
20 / 6 × 5 = 16,66). So verfährt man
mit allen vier Merkmalen, und die erreichten
Prozentpunkte werden summiert. Die
letzten beiden Merkmale bleiben einstufig
(0 oder 1 – vorhanden nein oder ja). Für sie
werden (bei Erfüllen der Voraussetzung)
die Prozentpunkte jeweils ungeteilt hinzu
addiert. Anhand der sogenannten Grundkategorisierungszahl
(die Summe der gewichteten
Prozente) kann dann die Zuordnung
zu einer von sieben Bahnhofskategorien
erfolgen:
- Kategorie 1 100,00 - 90,01
- Kategorie 2 90,00 - 80,01
- Kategorie 3 80,00 - 60,01
- Kategorie 4 60,00 - 50,01
- Kategorie 5 50,00 - 40,01
- Kategorie 6 40,00 - 25,01
- Kategorie 7 25,00 - 13,33
Die Preisberechnung
Nun wird zum einen betrachtet, wie hoch
die Gesamtkosten aller Bahnhöfe einer jeden
Kategorie im Mittel von 3 Jahren sind,
zum anderen wie die Nutzung (also die Anzahl
der Zughalte SPFV und SPNV getrennt)
aussieht. Je mehr Zughalte es in der Bahnhofskategorie
gibt, desto weiter können natürlich
die Kosten verteilt werden.
Diese Betrachtung wird für jede Kategorie
und jeden einzelnen der 28 regionalen
Aufgabenträger im SPNV vorgenommen.
Für den Fernverkehrszug wird das Stationsentgelt
des Regionalverkehrs mit dem Verkehrsleistungsfaktor
2,4 multipliziert.
Und so kommt es dann vor, dass die Stationsentgelte
für Bahnhöfe der Kategorie 2 im
Land Brandenburg (die erwähnten in Cottbus,
Frankfurt/O und Potsdam) mit 96,74
Euro für Fernverkehrszüge und 40,43 Euro
für jeden Regionalzug wesentlich höher
sind, als die für Berlin Hauptbahnhof (Kategorie
1) mit 47,34 bzw 19,50 Euro je Zughalt.
Ist das gerecht?
Eine schwierige Fragestellung. Was ist gerecht?
Nach dem Verursacherprinzip die
Kosten nur dem auferlegen, der sich an
dem jeweiligen Bahnhof hält? Das hieße,
dass ein Verkehrsanbieter, der eine verkehrsschwache
Region mit wenigen Zughalten
erschließt, die hohen Lasten trägt.
Im Regionalverkehr, wo die Aufgabenträger
das selbst in der Hand haben, weniger
oder mehr Verkehr zu bestellen und somit
indirekt den Preis für die Zukunft mit zu
beeinflussen, mag das zumindest noch
nachvollziehbar sein. Im Fernverkehr wird
jedoch der Anbieter, der sich in strukturschwachen
Flächenländern wie Brandenburg
engagieren möchte, von vornherein
mit einem höheren Stationsentgelt bestraft,
als wenn er Bahnhöfe in Regionen
bedient, die ohnehin schon gut verkehrlich
erschlossen sind.
Ein Strich durch die Rechnung
Einen Strich durch die Rechnung machten
die Verkehrsminister der Länder im Oktober
2014 mit der Verständigung auf den „Kieler
Schlüssel“. Damals wurde die Verteilung der
Regionalisierungsmittel bis zum Jahr 2030
neu geregelt. Das heißt, für einige Bundesländer
werden die Regionalisierungsmittel
nicht jährlich um 1,8 Prozent steigen (siehe
SIGNAL 4/2014 und 5/2015).
Ein Vergleich der Gesamtsteigerungen
zeigt es am deutlichsten: Auf die Werte von
2017 bezogen steigen bis 2030 die Regionalisierungsmittel
für Berlin um 17,44 Prozent,
für Brandenburg sogar nur um 2,15 Prozent!
Sollte also der Stationsbetreiber sein
jährliches Erhöhungslimit mit 1,8 Prozent
bei allen Aufgabenträgern gleichermaßen
ausreizen, betrüge die Teuerung im selben
Zeitraum 26,10 Prozent. Somit würde der
Anteil der Stationsentgelte an den Verkehrskosten
in Berlin und vor allem Brandenburg
wesentlich höher ausfallen.
Genau das sollte mit der Deckelung der
jährlichen Steigerung ja eigentlich gerade
verhindert werden, um die ohnehin angespannte
Finanzsituation im Regionalverkehr
nicht weiter zu verschärfen.
Das bedeutet: Die jährliche Erhöhung der
Stationsentgelte muss sich für jedes Aufgabenträgergebiet
an die tatsächlichen Steigerungsraten
der Regionalisierungsmittel im
jeweiligen Bundesland anpassen, um das
Risiko des Streichens von Zugleistungen als
Folge zu hoher Stationsentgelte zu senken.
(BfVst)
Berliner Fahrgastverband IGEB
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