|
Vom Abgeordneten Michael Cramer (AL) wird
wiederholt die Behauptung aufgestellt, daß die
Straßenbahn wegen ihrer angeblich so geringen
Investitionskosten das einzig richtige Verkehrsmittel
für die Stadt Berlin sei. Dabei wird
von Herrn Cramer der Eindruck erweckt, daß
eine Metropole wie Berlin mit einer geschätzten
Einwohnerzahl im Jahre 2000 von über 5
Mio. ihre verkehrlichen Probleme allein mit der
Straßenbahn lösen könne. Diese Favorisierung
der Tram geht einher mit geradezu einer Verteufelung
zu teuren U-Bahn. Es wird insbesondere
mit Vergleichen gearbeitet, in denen die
Straßenbahn infolge Fehlens attraktiver
Schnellbahnverbindungen die Hauptlast des innerstädtischen
Personennahverkehrs tragen
müßte.
Weitaus realistischere Vergleiche mit Ballungsräumen
und Metropolen, wie beispielsweise
Paris oder London, zeigen aber ein völlig anderes
Bild. In keiner dieser Millionenstädte trägt
eine Tram die Hauptlast des Personennahverkehrs,
auch nicht dann, wenn sie als sogenannte
Stadtbahn auf eigenem Gleiskörper fährt,
sondern ausschließlich U-Bahnen, ergänzt um
regionale S-Bahnen. In keiner Millionenstadt
wird daran gedacht, die Tram als Hauptverkehrsträger
zu überfordern. So wird die neue
Straßenbahn in Paris als Ringlinie geplant, die
insbesondere die Außenbezirke erschließen
soll. Denn ähnlich wie der Omnibus hat auch
die Straßenbahn die Aufgabe, Wohngebiete zu
erschließen und zur Schnellbahn hinzuführen,
sie übernimmt also eher eine Ergänzungs-, aber
keine Hauptfunktion.
Insbesondere der AL-/Bündnis 90-Abgeordnete
Michael Cramer versucht seit langem, in der
Millionenstadt Berlin der Straßenbahn eine
völlig andere, geradezu dominierende Rolle
zuzuweisen. Um dies zu untermauern, diffamiert
er den nach Ansicht der Mehrzahl der
Verkehrspolitiker notwendigen Ausbau der U-Bahn
und der dazu gehörenden Bahnanlagen als
"Luxus" und "Geldverschwendung". Schon das
von ihm in diesem Zusammenhang genannte
Zahlenmaterial für die kostengünstigeren Investitionskosten
trifft nur begrenzt zu, insbesondere
wenn man die benötigten Verkehrstrassen
im öffentlichen Verkehrsraum nicht bewertet.
Die U-Bahn in Tieflage benötigt eben diesen
teuren Verkehrsraum nicht, und die Tunnel
können über 200 Jahre amortisiert werden.
Die von ihm immer wieder angeführte Zahl von
24.000 Fahrgästen pro Stunden In beiden Richtungen
ist ein rein theoretischer Maximalwert
im 80-Sekunden-Takt. Die volle Leistungsfähigkeit
der Straßenbahn ist von drei Faktoren
abhängig:
- von der Kapazität der Haltestellen,
- von der Durchlaßfähigkeit der Kreuzungen,
- von der Aufnahmefähigkeit von Endstellen.
Diese wichtigen parallelen Begrenzungen des
Verkehrsmittel Tram werden von ihm bei öffentlichen
Debatten immer wieder außer Acht
gelassen.
Nicht zuletzt ein ausgewiesener Straßenbahn-Freak,
der Karlsruher Verkehrsdirektor Ludwig,
hat in einem Vortrag auf einer AL-Veranstaltung
im Sommer 1991 die Grenzen der Leistungsfähigkeit
der Straßenbahn von 18.000 bis
20.000 Fahrgästen gleichzeitig pro Stunde in
beiden Richtungen (zweigleisiger Betrieb) angegeben.
Schon bei einem in Berlin inzwischen üblichen
3-Minuten-Takt ist die U-Bahn in der Lage,
mindestens 40.000 Fahrgäste pro Stunde zu
befördern. Bei einer dichteren Zugfolge oder gar
mit einer elektrischen Zugsteuerung wird die
Kapazität noch weitaus höher. Auch hier spielt
natürlich die Frage der Leistungsfähigkeit der
Bahnhöfe und der Kehranlagen eine entscheidende
Rolle der Kapazitätsbegrenzung.
Wer das künftige gewaltige Verkehrsaufkommen
in Berlin optimal steuern will, kommt
nicht darum herum, das Netz der U-Bahn weiter
auszubauen, weitere Verknüpfungspunkte
zu schaffen und Umsteigeoptimierungen zu
realisieren. Die Tram kann auf keinen Fall mit
der Leistungsfähigkeit der U-Bahn konkurrieren.
Dies zu versprechen, würde eine Überforderung
der Tram darstellen und den großstädtischen
Verkehrsaufgaben von Berlin nur schaden. BVG
|