Im Gegenteil: Die neu angeschafften
Fahrzeuge weisen immer mehr technische
Raffinessen, wie zum Beispiel Klimaanlagen
auf, aber verschlechtern die Beförderungsqualität
durch immer weniger
Sitzplätze.
Mittwoch nachmittag in der Steglitzer
Birkbuschstraße: An der Haltestelle Klingsorstraße
stehen zwölf wartende Fahrgäste.
Die meisten wollen zum Umsteigeknotenpunkt
Rathaus Steglitz, es stehen
drei Linien zur Auswahl. Eigentlich sollte
daher spätestens nach fünf Minuten ein
Bus kommen, die werktägliche Praxis
sieht anders aus. Die Linie 186 und (alle
20 Minuten) auch der 280er kommen
stets zur gleichen Minute und strecken
dadurch die Taktfolge. Der vom Klinikum
Steglitz kommende 283er aber soll vier
Minuten nach dem Duo 186 und 280 folgen,
so dass laut Fahrplan ein 4- bis 6-Minuten-Takt
besteht. Nach 15 Uhr folgt er
allerdings fahrplanmäßig bereits nach
zwei Minuten. Da der 186er häufig etwas
verspätet ist, erscheinen tatsächlich zu
diesen Zeiten häufig alle drei Linien in einer
Ampelphase an der Haltestelle, danach
passiert dann zehn Minuten gar
nichts mehr. Somit ist der reale Takt in der
Hauptverkehrszeit hier deutlich schlechter
als zu den übrigen Tageszeiten.
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Beförderungsqualität anno 2003. Foto: Alexander Frenzel |
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Seit etwa acht Minuten ist kein Bus
mehr gekommen und endlich, nur zwei
Minuten verspätet, taucht ein 186er auf.
Fuhren auf der Linie 186 bis vor ca. zwei
Jahren regelmäßig Doppeldecker, so werden
nunmehr täglich mehrere Umläufe
nur noch mit Standard-Eindeckern gefahren.
Und daran hat sich auch nach den
umfangreichen Fahrzeugbeschaffungen
im Jahr 2002 nichts geändert. So taucht
auch jetzt ein Eindecker-Standard-Volvo
mit gerade mal 27 Sitzplätzen (statt
76 beim Doppeldecker) auf und schon der
Anblick lässt Schlimmes ahnen. Der Fahrer
lässt die vordere Tür schon mal gleich
zu. Die Fahrgäste stehen auch bereits bis
in den Bereich der Frontscheibe. Also
stürzt sich alles auf die Mitteltür. Es steigen
vier oder fünf Fahrgäste aus; zwölf
wollen rein. Trotz Schubsen und Drängen
wird es schwierig, vor allem dauert es: Die
Mitteltür kann erst schließen, wenn der
Türbereich frei ist. Um überhaupt ein Vorwärtskommen
zu ermöglichen, tritt der
kundige Fahrgast natürlich zurück, auch
wissend, dass gleich auch der 283er kommen
muss. Der tatsächlich unmittelbar
darauf auftauchende 283er weist allerdings
auf Grund des Feierabendverkehrs
vom Klinikum ein ähnliches Bild auf. Mit
Bauch einziehen und ohne Scheu vor Körperkontakten
gelingt die Mitfahrt. Menschen
mit Gepäck oder gar Kinderwagen
aber müssen nach weiteren zehn Minuten
erneut ihr Glück versuchen. Die Chancen
stehen dann auch besser, weil, zusammen
mit dem 186er, dann der 20-minütig
verkehrende 280er erscheinen sollte.
Allein schon die ungünstigen Taktintervalle
sind ärgerlich, wirklich schlimm aber
ist der seit Jahren anhaltende Mangel an
Doppeldecker-Bussen bei der BVG. Ähnliche
wie die oben geschilderten Szenen,
spielen sich tagtäglich im Berliner Stadtgebiet
ab. Auf Linien mit hohem Fahrgastaufkommen,
wie zum Beispiel der Linie
148, müssen regelmäßig 12-Meter-Standard-Eindecker
eingesetzt werden,
weil nicht genügend Doppeldecker vorhanden
sind. Teilweise versucht man das
Problem zu mindern, indem 15-Meter-Eindecker (Typ „LN")
eingesetzt werden.
Das ist zwar besser als ein Standard-Bus,
kann aber einen Doppeldecker nicht ersetzen,
wenngleich die Fahrzeugbeschaffungspolitik
der BVG uns dieses weiszumachen
versucht.
Statistiker stellen fest:
Kleinere Busse = mehr Platz
So werden neu angeschaffte dreiachsige
Solaris-LN-Busse mit sage und schreibe
nur 38 Sitzplätzen (zweitürige Standard-Busse
älterer Bauart weisen die gleiche
Sitzplatzanzahl auf) und 111 Stehplätzen,
auf der Linie 144 eingesetzt. Theoretisch
können in einem solchen Bus 59 Personen
mehr als in einem Doppelstockbus
vom Typ D (76 Sitz- und 14 Stehplätze)
mitfahren.
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Alltag in Berliner Bussen im Innenstadtbereich. Statt das Fahren mit Bahnen und Bussen attraktiver zu machen, vergrault man dadurch auch den letzten umsteigewilligen Autofahrer. Foto: Alexander Frenzel |
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Die sich theoretisch aus der Nutzlast ergebende
zulässige Fahrgastzahl hat allerdings
nichts mit der Praxis gemein. Während
in einem Doppeldecker etwa
80 Fahrgäste halbwegs komfortabel und
unter zumutbaren Bedingungen befördert
werden können, wird diese
Schmerzgrenze selbst bei einem 15-Meter-Eindecker
schon bei etwa 50, allerhöchstens
60 Fahrgästen erreicht. Für die
Statistiker führt der Einsatz der neuen Eindecker
wegen der höheren theoretischen
Platzkapazität bei gleicher Fahrgastzahl
aber zu einem Sinken des „durchschnittlichen
Fahrzeugbesetzungsgrades". Und
so wird in diesem Jahr mit dem Argument
der durchschnittlich schlechten
Auslastung gerade wieder eine neue Runde
eingeleitet, um das BVG-Verkehrsangebot
zu reduzieren.
Szenenwechsel: Ein in der nachmittäglichen
Hauptverkehrszeit am Hermannplatz
abfahrender 144er LN-Bus (15-Meter-Eindecker)
ist bereits dort voll. Alle
Sitzplätze sind belegt, in den Gängen, mit
der einen Hand Gepäck und mit der anderen
sich selbst an eine Halteschlaufe
klammernd, lasten den Bus bereits hier
stark aus. Ein Zustieg am S-Bahnhof Hermannstraße
ist nur mit Drängen und
Stauchen möglich. Japanische Verhältnisse
lassen grüßen. Von irgendeiner Beförderungsqualität
kann hier nicht mehr ansatzweise
gesprochen werden, zumal viele
Fahrgäste bis hinter Alt-Buckow stehen
müssen, also nicht nur kurzzeitig für zwei
bis drei Haltestellen. Deutlicher kann der
Rückschritt in der Beförderungsqualität
nicht dargestellt werden wie nach der
Umstellung dieser Linie von Doppeldeckern
auf LN-Busse. Zusätzlich komm
noch hinzu, dass offensichtlich nicht einmal
genügend LN-Busse vorhanden sind.
Auch hier ist es inzwischen üblich, selbst
Hauptumläufe bis zum Hermannplatz mit
Standard-Wagen zu bedienen. Für viele
Fahrgäste ist dann Warten auf den nächsten
Bus angesagt, was einem in Anbetracht
der nach dem letzen Fahrplanwechsel
durchgeführten Ausdünnung
die Zornesröte ins Gesicht treibt und die
Sehnsucht nach dem eigenen Auto aufkommen
lässt.
„Offener Gesamteindruck"
ist wichtiger als Sitzplätze
In der auf Seite 22 abgedruckten Stellungnahme
der BVG zum Thema „Sitzplatzanteil
in den neuen Bussen", kommt
die Prioritätensetzung klar zum Ausdruck:
Wichtig ist nicht eine hohe Anzahl von
Sitzplätzen sondern ein „... räumlich offener
Gesamteindruck des Innenraumes".
Richtig festgestellt wird zwar immerhin
das „Bedürfnis nach ausreichender Bewegungsfreiheit",
aber gerade davon kann
in den tagtäglich überfüllten Eindeckern
kaum noch die Rede sein.
Der Aspekt der Beförderungssicherheit
wird in der Stellungnahme völlig außer
acht gelassen. Dass ein stehender Fahrgast,
vor allem wenn er evtl. auch noch
eine Tasche oder ein Kind festhalten muss
oder nicht mehr im Vollbesitz der körperlichen
Kräfte ist, natürlich weit stärker unfallgefährdet
ist als ein Sitzender, müßte
auch der BVG-Geschäftsetage klar sein.
Festzustellen ist immerhin, dass sich die
allermeisten Busfahrer in solchen Situationen
durch vorsichtige und vorausschauende
Fahrweise auf diese kritische Situationen
in ihren überfüllten Bussen einstellen,
was im täglichen Straßenverkehrsgewimmel
bei häufig gleichzeitiger Verspätung
hoch angerechnet werden muss.
Aber als regelmäßiger Fahrgast erlebt
man viel zu häufig „Beinahe-Stürze" oder
schaut in angstverzerrte Gesichter von
Fahrgästen, für die eine Mitfahrt in einem
überfüllten Bus mindestens Befürchtungen
hinsichtlich der körperlichen Unversertheit
auslöst.
Vorstöße, diese unhaltbaren und von
der BVG selbst verursachten Zustände zu
ändern, wurden von der IGEB bereits
mehrfach gemacht, (vergleiche Signal 4/2001 :
„Drängelei in BVG-Bussen"). Der
Grund für die Doppeldecker-Krise liegt in
der veränderten Beschaffungs- und Wartungspolitik.
Bis 1992 wurden jährlich regelmäßig
neue Busse in den Fuhrpark
aufgenommen. Zwischen 1992 und 1994
gab es keine neuen Doppeldecker. 1995
wurden einmalig 85 Wagen der dreitürigen
Serie DN in Betrieb genommen, seitdem
gibt es keine Neuzugänge bei Doppeldeckern.
Gleichzeitig wurden die Instandhaltungsrichtlinien
verändert. Die
nach acht Jahren übliche Grundinstandsetzung
(vergleichbar mit einer Hauptuntersuchung
im Eisenbahnbetrieb) entfiel.
Repariert wird nicht mehr vorsorglich,
sondern nur wenn etwas defekt ist. In der
Folge erhalten die durchschnittlich 15 Jahre
alten Busse des Typs D immer häufiger
wegen gravierender Rostschäden keinen
TÜV und werden abgestellt.
Volle Busse,
leere Versprechungen
Anfang 2002 wurde uns vom seinerzeitigen
BVG-Bus-Direktor Lawerentz zugesagt,
dass die „Krise" innerhalb eines Jahres
durch folgende Maßnahmen behoben
werden sollte:
- Bei der Beschaffung von Neufahrzeugen
sollte auf einen entsprechend höheren
Anteil von Gelenk- und LN-Bussen
geachtet werden.
- Ein neuer 13,7 Meter langer dreiachsiger
Doppelstockbus ist in der Entwicklung
und sollte - vorbehaltlich einer kostengünstigen
Lösung - schnellstmöglich
zum Einsatz gelangen.
- Es sollte kurzfristig eine vermehrte Beschaffung
von Gelenkbussen erfolgen.
Auch Übergangslösungen mit gebrauchten
Fahrzeugen wurden angestrebt.
- Sowohl die BVG Hauptwerkstatt Uferstraße
als auch Fremdfirmen sollten mit
Hochdruck an der Reaktivierung von
abgestellten Doppeldeckern des Typ D
arbeiten. Wöchentlich sollten ein bis
zwei Busse in Betrieb gehen.
Diese Versprechungen wurde jedoch allesamt
entweder gar nicht oder nur teilweise
erfüllt: Die Fahrzeugbeschaffung der
letzten Jahre lief darauf hinaus, dass überwiegend
Standard-Eindecker in großer
Stückzahl neu beschafft wurden, die im
übrigen auch noch über die wenigsten
Sitzplätze verfügen, die Busse dieser Größenordnung
bei der BVG je hatten (vergleiche
Artikel in Signal 6/2002 , Seite 18:
„Nur noch 26 Sitzplätze im Citaro").
Für 2002 gibt es folgende Zahlen: 135
Standard- und 72 LN-Busse. Neue Gelenkbusse,
die als Doppeldecker-Ersatz angesehen
werden könnten, wurden überhaupt
nicht angeschafft. Der geplante
neue 13,7 Meter lange Doppeldecker
wird - wenn es denn überhaupt zu einer
entsprechenden Bestellung kommt-frühestens
in zwei Jahren einsatzfähig sein.
Zwischenzeitlich gab es - damit überhaupt
noch ausreichend Busse eingesetzt
werden konnten - einen spontanen Kauf
bzw. Anmietung von gebrauchten Fahrzeugen,
darunter auch etliche Gelenkbusse.
Der Einsatz dieser Fahrzeuge war aber
von Anfang an nicht unproblematisch. So
sind gebrauchte Fahrzeuge eben nicht
gerade der letzte technische Stand, viele
sind nicht behindertengerecht. Andere
waren zwar technisch in gutem Zustand,
wurden aber nur geliehen und zwischenzeitlich
wieder zurückgegeben.
Doppeldecker rosten weiter
Gleichzeitig muss man feststellen, dass
die Grunderneuerungen bei den abgestellten
Doppeldeckern längst nicht in der
zugesagten Zahl durchgeführt wurden.
Das liegt natürlich auch daran, dass die in
Aussicht gestellte Beauftragung von
Fremdfirmen zur Sanierung der Doppeldecker
nicht erfolgte, sondern, im Gegenteil,
wird das BVG-Werkstattpersonal nach
wie vor zur Reparatur von (unternehmensfremden)
Lkw eingesetzt. „Cash"
hat eben Vorrang vor dem fahrgastgerechten
Einsatz der eigenen Busse.
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Abgestellte Busse hinter Gittern im Hühnerhof am Weißenseer Weg. Offensichtlich schafft es die Werkstatt der BVG nicht, die langen Reihen betriebsunfähiger Busse wieder aufzuarbeiten und sie dann aus ihrem Gefängnis zu entlassen. Foto: Alexander Frenzel |
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Und so scheint sich der Eindruck zu bestätigen,
dass die Zahl der abgestellten
Doppeldecker auf dem „Hühnerhof" am
Weißenseer Weg immer größer wird.
Denn die Anzahl der neu abgestellten
Busse übersteigt die der nach Reparatur
wieder in Betrieb gehenden Fahrzeuge
immer noch!
Die Beschaffungspolitik
der BVG ist gescheitert
Im Ergebnis bedeutet das ein Scheitern
der Fahrzeugpolitik der BVG, die ausschließlich
nach Kostenminderungsgesichtspunkten
und ohne Rücksicht auf die
tatsächlichen Erfordernisse ausgerichtet
ist. Und nun droht mit dem Argument,
dass der durchschnittliche Besetzungsgrad
bei der BVG niedriger sei als bei vergleichbaren
anderen Verkehrsunternehmen,
sogar noch eine Verschärfung dieser
Situation. Welche Aussagekraft solche
Statistiken haben und wie sie zu Stande
kommen, haben wir oben erläutert. Aber
wer gibt der BVG-Chefetage diese Nachhilfe - und
wer sagt's den dienstwagenfahrenden
Verkehrspolitikern?
IGEB Stadtverkehr
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