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Stellen Sie sieh einmal vor, sie wohnen in Berlin-Hohenschönhausen in der
Nähe der Gleisschleife Falkenberg und arbeiten in Berlin-Mitte, nahe dem
S-Bahnhof Hackescher Markt. Bislang dauert die Fahrt mit der Linie 4 von
Falkenberg bis zu ihrem Arbeitsplatz 37 Minuten, künftig aber legt die Bahn
die 11,l km in weniger als einer halben Stunde zurück. Auf einen Tag bezogen
beträgt dann ihr Zeitgewinn eine reichliche Viertelstunde! Dafür müssen keine
teuren Tunnel gegraben, Haltestellen stillgelegt oder schnelleren Züge
eingesetzt werden. Das Geheimnis: Die Bahn erhält an fast allen Ampeln
sofort freie Fahrt, weiter nichts. Zugegeben - gerade in Berlin klingt das
alles noch wie Zukunftsmusik. Doch glaubt man der BVG. liegt diese Zukunft
nicht mehr in allzu weiter Ferne.
1. Worthülsen der Politiker
In den vergangenen Jahren haben sich Politiker
aller Parteien immer wieder fast einstimmig zum öffentlichen Nahverkehr
bekannt. So wurde schon 1991 vom Senat beschlossen, daß in der Innenstadt
das Verhältnis von öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) zu motorisiertem
Individualverkehr (MIV) bei 80:20 liegen soll. Ebenfalls zu Beginn der
Legislaturperiode 1991 - 1995 faßte der CDU/SPD-Senat einen Beschluß
zur Beschleunigung des ÖPNV.
Anfang 1994 erfuhr der überraschte Fahrgast vom damaligen Verkehrssenator,
daß es bei der Straßenbahn schon etliche Vorrangschaltungen gibt. Bei seiner
Aufstellung ging Herr Haase von 15 vorranggesteuerten Anlagen aus
(siehe SIGNAL 4/94 ). Allerdings enthielt die Liste
gravierende Irrtümer, viele der damals als Vorrangschaltung deklarierten
Lichtsignalanlagen (LSA) verfügten nicht einmal über Anforderungseinrichtungen
Für die Straßenbahn. Ausgerechnet die Ampeln, die der Straßenbahn tatsächlich
Vorrang gewährten, hatte der Verkehrssenator vergessen.
2. Beschleunigungsstudie der BVG
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Reisegeschwindigkeit der Straßenbahn in verschiedenen Städten Grafik: IGEB, Quelle: BVG/b+m |
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Da sich die Ampelexperten der Verkehrsverwaltung bisher hauptsächlich um
grüne Wellen für den Autoverkehr und kaum um die Beschleunigung der
Straßenbahn kümmern, ist die BVG jetzt in die Offensive getreten. Anfang
dieses Jahres erregte sie mit ihrem "gesamtnetzbezogenen
Beschleunigungskonzept Für den Straßenbahnverkehr" Aufsehen, da hier
erstmalig detailliert die Reisezeitanteile der einzelnen Linien
aufgeschlüsselt wurden, -verbunden mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung
für die absolute Bevorrechtigung.
Aufgrund der überragenden Wirtschaftlichkeitsergebnisse hat die BVG daraufhin
dem Senat das Angebot einer Vorfinanzierung der LSA-Vorrangschaltungen
unterbreitet (s.u.) - wohlwissend, daß der eigentlich zuständige Senat, der
ja für die Grunderneuerung und den Ausbau der Straßenbahnstrecken erhebliche
Bundesgelder nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zur Verfügung
hat, noch auf Jahre in Untätigkeit verharren würde. Ein mutiger Schritt, der
zu Zeiten des Eigenbetriebes BVG undenkbar gewesen wäre.
Auch bewies die BVG recht drastisch, wie wenig bisher für die Straßenbahn
getan worden war. So zeigt die Studie, daß bisher (Stand 1/96) nur 3 (in
Worten: drei) Ampeln mit absolutem Vorrang für die Straßenbahn existieren.
Ferner gibt es 30 Anlagen, die die Straßenbahn durch zusätzliche
Freigabezeiten bzw. Grünzeitmodifikation (Phasendehnung) bedingt
bevorrechtigen.
3. Fakten
Insgesamt verliert die Straßenbahn in Berlin durchschnittlich 27% ihrer
Fahrzeit durch Behinderungen. Allein 20% beträgt die reine "Wartezeit auf
Freigabe" vor Signalanlagen, 5% die Verlustzeit durch Behinderung auf der
Strecke, und 2% sind sonstige Zeitverluste. Weil die als zweites genannten
5% Verlustzeit auf freier Strecke z.T. ebenfalls indirekt durch
Lichtsignalanlagen mitverursacht werden (z.B. Rückstaus durch Überlastung
der LSA), kann man von knapp einem Viertel ampelbedingter Verlustzeit
ausgehen! Zielsetzung ist die Reduzierung der reinen Verlustzeit durch
Ampelstopps auf 6%, insgesamt soll die Straßenbahn nur noch 8% ihrer
Fahrzeit unterwegs vertrödeln. Damit wäre Berlins Straßenbahnnetz übrigens
fast auf "Züricher Niveau". Dort beträgt die Gesamtbehinderungszeit der
Linie 4 beispielsweise 7%, wobei der Anteil der Ampelstopps 4% beträgt.
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Selbst vor der Fußgängerampel an der Moll-/Keibelstraße muß die Tram häufig stoppen. Zukünftig soll das anders werden. Foto: I. Schmidt |
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Mit der Erstellung des Beschleunigungskonzepts hatte die BVG nicht ohne Grund
eine Ingenieurgesellschaft beauftragt, die sich durch ihre erfolgreichen
Straßenbahn-Beschleunigungskonzepte für Stuttgart, Köln, Braunschweig und
viele andere Städte bundesweit einen Ruf erworben hat. Herr Dr. Predl, der
Leiter des Unternehmensbereichs Straßenbahn, spricht von einer "strategischen
Studie" und ist sehr optimistisch, was die Umsetzung dieses Konzepts
anbelangt. Das bedeutet insofern einen großen Fortschritt, da der
Straßenbahnchef auf den Schienenverkehrswochen im Mai 1995 noch mit weniger
erfreulichen Auskünften aufwarten mußte. Er hatte resigniert verkündet, daß
es in Berlin eine volle Beschleunigung, vergleichbar mit anderen Städten,
auf absehbare Zeit nicht geben werde.
4. Nutzen
Spätestens in 10 Jahren (eventuell schon in 6 Jahren) soll das Gesamtkonzept
realisiert sein. Die Verkehrsbetriebe gehen von einer einmaligen Ersparnis
in Höhe von ca. 143 Mio DM aus. Dieser Betrag ergibt sich hauptsächlich aus
geringeren Anschaffungskosten für (weniger) neue Straßenbahnzüge. Schließlich
würden die Züge "mehr rollen und weniger stehen". Hinzu kämen jährliche
Einsparungen von ca. 8,1 Mio DM. Neben den betriebswirtschaftlichen Vorteilen
rechnet die BVG ebenfalls mit einem Attraktivitätsschub und höheren
Fahrgastzahlen. Schon heute ist die Straßenbahn - Prognosen der BVG zufolge -
gegenüber Bus und U-Bahn das Massenverkehrsmittel mit der steilsten
Entwicklungskurve.
5. Der Senat
Bisher war das Verhältnis zur Straßenbahn eher zwiegespalten und
problematisch. Bei öffentlichen Veranstaltungen hatten sich die Repräsentanten
der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe (neuerdings Bauen, Wohnen und
Verkehr) meist mit Ausbauplänen für die Straßenbahn geschmückt und die
wichtige Rolle dieses umweltfreundlichen Verkehrsmittels betont. Doch passiert
ist leider wenig. Im Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsverfahren für
die U5 zwischen Berliner Rathaus und Pariser Platz wurde die Straßenbahn
beispielsweise noch 1995 als "negativ zu bewertender Faktor mit deutlichem
Abwertungseffekt"(!) bezeichnet. Als Alternative für eine U-Bahn in der
Innenstadt kam die Tram nicht in Frage "...da eine oberirdische Neuanlage
wegen der damit verbundenen Eingriffe in die vorhandene Stadtstruktur
ausscheidet."
Immerhin wurde den Berliner Fahrgästen als Wahlgeschenk im Oktober vorigen
Jahres die Streckenverlängerung zum Louise-Schroeder-Platz präsentiert, eine
Route, die sich inzwischen lebhafter Nachfrage erfreut. 4,2 Mio DM hatte der
Umbau bzw. Neubau der Lichtsignalanlagen entlang der Neubaustrecke damals
gekostet, ein Aufwand, der mit 14% Ampelwartezeit für die Straßenbahn
allerdings ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis zeigt.
6. Gute Zusammenarbeit
Doch inzwischen soll alles anders geworden sein.
Herr Predl betont die gute Zusammenarbeit mit der Senatsverkehrsverwaltung
und weist darauf hin, daß sich nach den letzten Wahlen einiges verändert habe.
Tatsächlich muß es für den Senat angesichts leerer Kassen verlockend sein, das
Angebot zur Vorfinanzierung der Vorrangschaltung durch die BVG anzunehmen,
zumal durch dieses Projekt im zuständigen Referat der Senatsverkehrsverwaltung
Stellen gesichert bzw. sogar geschaffen werden können. Dabei handelt es sich
insgesamt nur um den "kleinen" Betrag von ca. 53 Mio DM. Das ist im Vergleich
z.B. zu den 125 Mio DM für die 350 m U8-Süd-Verlängerung tatsächlich
"ein Klacks". Die BVG hofft, ihre Investition durch Förderungsprogramme
schnell wiederzubekommen.
7. Zeichen und Wunder
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Lange Grünphasen für den Autoverkehr - die Straßenbahn aber muß warten, obwohl es keine konkurrierenden Verkehrsströme gibt. (Noch) Realität an der Falkenberger Chaussee Ecke Prendener Straße. Foto: I. Schmidt |
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Neuerdings bemerken aufmerksame Fahrgäste an manchen Streckenpunkten
Veränderungen, die sie ungläubig stutzen lassen. In der Langhansstraße vor
der Gustav-Adolf-Straße (Linien 13, 23, 24) wurde in den letzten Wochen eine
LSA mit An- und Abmeldekontakten für die Straßenbahn nachgerüstet! Das für
Berlin Erstaunlichste dabei ist aber, daß die damit ermöglichte
Bevorrechtigung perfekt funktioniert! Auch auf der Petersburger Straße wurde
in Höhe Kochhannstraße (Linie 20) eine Bauampel nachträglich (!) mit
Anforderungskontakten versehen - immerhin führt diese Einrichtung zu einer
Phasendehnung und verringert die unerträglichen Wartezeiten an den teilweise
dicht aufeinanderfolgenden Bauampeln, in der Oranienburger Straße wurde die
Einfahrmöglichkeit in die Doppelampel am S-Bf Oranienburger Straße durch
eine Verlängerung der Phase für die Straßenbahn erleichtert. Das ist
zwar nicht optimal - aber besser als gar nichts.
Befragt, ob diese Einrichtungen schon etwas mit der von der BVG initiierten
Gesamtbeschleunigung zu tun hätten, verneinte Straßenbahnchef Predl. Er
wertete das aber als erste Anzeichen der guten Zusammenarbeit mit der
Senatsverkehrsverwaltung. Schön wäre es, doch es gibt leider noch allzuviele
Negativbeispiele (siehe unten).
8. Wachsender Automobilverkehr
Berlin wurde noch 1995 auf einer Diskussionsveranstaltung in der Urania vom
damaligen Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) als untermodisiert
charakterisiert. Auf den Schienenvekehrswochen im Mai 1996 meinte der neue
verkehrspolitische Sprecher der CDU, Herr Kazcmarek, daß er sich unsere
Hauptstadt ohne Stau gar
nicht vorstellen könne, in diesem Lichte muß man, ohne gleich als Autofeind
abgestempelt zu werden, folgende Gedanken in die Diskussion einbringen:
- Jede neue Ampel ist ein Tribut an den zunehmenden Individualverkehr!
- Aus Fahrgastsicht wird das Auto zunehmend zum "ÖPNV-Hindernis"!
Am drastischsten zeigt sich die Situation sicherlich beim Omnibus, der sich in
Spitzenzeiten teilweise im Schrittempo durch die Straßen quält. Doch auch
die Straßenbahn profitiert nicht unbedingt von neuen Lichtsignalanlagen,
besonders, wenn diese einseitig der grünen Welle des motorisierten
Individualverkehrs angepaßt werden (vgl. SIGNAL 2/96 ).
Waren es Anfang 1994 noch 145 LSA, die Straßenbahntrassen berühren, ist ihre
Zahl inzwischen auf fast 200 gestiegen - zumeist ohne Tram-Vorrangschaltung.
Etliche befinden sich kurz vor ihrer Fertigstellung. Das verursacht hohe
Betriebskosten, denn Straßenbahnen, die nicht vorankommen, bringen wenig
Nutzen und kosten viel Geld. Und dafür bezahlt der Fahrgast, auch wenn er gar
kein Auto besitzt. Schließlich schlagen sich erhöhte Betriebskosten
nicht zuletzt in steigenden Fahrpreisen nieder!
9. Prenzlauer Allee
Schauen wir uns - zur Untersetzung der unter Punkt 8 aufgestellten zwei
Thesen - als prominentes Beispiel die Prenzlauer Allee an. Zwischen
Mollstraße/Prenzlauer Allee und Prenzlauer Allee/Ostseestraße besitzt die
Linie 1 - abgesehen von der Brücke am S-Bf Prenzlauer Allee - durchweg
einen eigenen Gleiskörper. 1989 existierten zwischen diesen Punkten nur drei
Lichtsignalanlagen, eine an der Grellstraße, eine direkt am S-Bf Prenzlauer
Allee und eine an der Kreuzung Prenzlauer Allee/Dimitroffstraße (heute
Danziger Straße). In den zurückliegenden Jahren wurden vom Straßenverkehr
getrennte Haltestelleninseln errichtet, sieben Ampeln wurden neu gebaut
und eine ersetzt (Prenzlauer Allee/Dimitroffstraße). Bis auf eine Anlage
(eine reine Fußgängerampel) ist von konsequentem Vorrang kaum etwas zu
merken! Gerade hier hätten die Ampelexperten eine zusammenhängende
grüne Welle für die Straßenbahn austüfteln können.
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Reisezeitaufteilung der Berliner Straßenbahn vor und nach der Beschleunigung Grafik: IGEB, Quelle: BVG/b+m |
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Im Gegenteil, auch die zwei neuesten Ampeln - obwohl mit Induktionskontakten
versehen - berücksichtigen hauptsächlich den Autoverkehr. An der Metzer
Straße "übt" die Straßenbahn regelmäßig "das Anfahren am Berg" (s.
Foto in SIGNAL 2/96 ). An der Ecke
Erich-Weinert-Straße ging vor wenigen Wochen eine neue Anlage in Betrieb.
Hier erhält die Bahn auf Anforderung erst nach der Grünphase der Autos ein
kurzes "Durchschlupfloch". Aber die Absicht wird klar, wenn man einen Blick
auf diese Kreuzung wirft - die linksabbiegenden Kfz können sich ungestört
im Gleisbereich aufstellen und blockieren nicht die Autokolonne. Weil
vielleicht 3 Fahrzeuge mit 5 Insassen auf den Gleisen warten, werden 100
Fahrgäste in einem Straßenbahndoppelzug zurückgehalten! Auch wenn die Linie
1 bei der Beschleunigung nicht oberste Priorität genießt (siehe Punkt 10),
zu verstehen ist diese Vorgehensweise nicht. Gerade für die Linie 1 wäre eine
konsequente Beschleunigung dringend notwendig, erreicht sie doch zwischen
Heinersdorf und Am Kupfergraben lediglich ein Durchschnittstempo von
14 km/h - und das auch nur, wenn kein Stau in der Prenzlauer Promenade
herrscht. Vielleicht warten die Ampelplaner erst auf den Geldsegen der
Vorfinanzierung, damit die Programmierung nachträglich geändert werden kann?
10. Umsetzung des Beschleunigungskonzepts
Es gibt einen Vertrag zwischen der BVG und der Senatsverkehrsverwaltung,
der zuerst die Vorfinanzierung der Trassen Landsberger Allee (Linie 6 und
andere) und Greifswalder Straße - Berliner-Allee - Hohenschönhausen (u.a.
Linien 3,4) beinhaltet. Ferner soll der 2. Bauabschnitt der Linie 23
(Louise-Schroeder-Platz bis Virchow-Klinikum) unter der Obhut der BVG mit
absoluter Vorrangschaltung versehen werden. Dabei wird sich zeigen, ob sich
die ehrgeizigen Pläne der BVG verwirklichen lassen. Bei der Landsberger
Allee beispielsweise handelt es sich um die Modernisierung von 35 LSA für
20 Mio DM. Als maximaler Zeitgewinn wurden 10 Minuten errechnet, in
der Praxis könnte es auch etwas weniger werden.
Die BVG hat sich ausbedungen, die auftragnehmenden Ingenieurbüros selbst mit
der Programmierung zu betrauen und über die Einhaltung der Programmierung
zu wachen. Wie wichtig dieser Punkt ist, erkennt man daran, daß die
Senatsverkehrsverwaltung auch vor der Einschränkung schon vorhandener
Vorrangschaltungen nicht zurückschreckt, wenn es
darum geht, den Autoverkehrzu bevorzugen. So geschehen vor wenigen Monaten
an der Danziger Straße/Ecke Kniprodestraße (Linie 20), natürlich
zugunsten des Querverkehrs.
Fazit
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Reisegeschwindigkeit auf Berliner Straßenbahnlinien vor und nach der Beschleunigung. Grafik: IGEB, Quelle: BVG/b+m |
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Daß mit der Straßenbahnbeschleunigung in Berlin endlich Ernst gemacht werden
soll, ist sehr erfreulich. Fakt bleibt aber, daß Berlin in diesem Punkt
vielen, auch ostdeutschen, Städten weit hinterherhinkt. Und besonders
beschämend ist dabei die Tatsache, daß eine Übereinkunft zwischen Senat
und BVG erst durch die Offensive der BVG und ihre unkonventionelle
Bereitschaft zur Vorfinanzierung erreicht werden konnte - wobei der
flankierende Druck und das Engagement nahverkehrsfreundlicher Organisationen
und Verbände nicht zu vergessen ist. Dabei wäre es von Anfang an die
Pflicht des Berliner Senats gewesen, zuallererst für einen schnellen und
attraktiven Nahverkehr zu sorgen, und dann - durchaus im Einklang mit
ersterem Punkt - grüne Wellen für die Fahrzeugkolonnen zu programmieren.
Aber leider darf man Politikerworten nicht allzu viel Glauben schenken.
Insofern sind gesunde Skepsis und Mißtrauen angebracht. Lassen wir
uns überraschen!
Nachtrag
Da die Recherchen zum vorstehenden Beitrag schon vor einigen Monaten
erfolgten, ist ein aktueller Nachtrag geboten. Es scheint inzwischen, daß
der Grundton unseres Artikels zu optimistisch ist, denn bei der
Straßenbahnbeschleunigung ist in den vergangenen Monaten leider wenig
passiert. Laut Aussage der BVG sollten schon in diesem Sommer die ersten
Ampeln auf der Greifswalder Straße auf Vorrang für die Tram umgerüstet
sein, doch inzwischen haben wir Herbst, und das Gegenteil geschah!
So hält z.B. die LSA Greifswalder/Danziger Straße (vgl.
auch SIGNAL 2/96 )
die Bahnen nun noch länger zurück, da diese Anlage von Feststeuerung
auf Anforderung umgeschaltet wurde. Wenn die Straßenbahn nicht
"rechtzeitig" ihren Fahrtwunsch über den Weichenkontakt anmeldet, wird
sie erst eine Grünphase später über die Kreuzung gelassen.
Zusätzliches Warten der Straßenbahn, weil der Anmeldevorlauf zu lang
eingestellt wurde, ist übrigens ein Problem, das in Berlin bei den meisten
der nur auf Anforderung geschalteten Ampeln zu beobachten ist. Außerdem
kommt es relativ häufig vor. daß die Anforderung versagt. Da auf manuelle
Anforderungstaster (wie bei vergleichbaren
Altbauanlagen) meist verzichtet wurde, müssen sich die Straßenbahnfahrerinnen
und -fahrer dann "etwas einfallen lassen".
Inzwischen liegt die Antwort des Senators für Bauen, Wohnen und Verkehr auf
eine Kleine Anfrage zu Sofortanforderungen für die Straßenbahn vor.
Darin gibt Herr Klemann offen zu, daß der Begriff Sofortanforderung nicht
anwendbar ist, da erst die kreuzenden Fußgänger, Rad- und Kraftfahrzeugströme
geräumt haben müssen, bevor die Straßenbahn ihre Freigabe bekommt.
Die Nennung der Kraftfahrzeugströme an letzter Stelle muß allerdings als
scheinheilig bezeichnet werden, ebenso die Äußerung, daß "möglichst keine
Wartezeit für die Straßenbahn entsteht". Zutreffend ist jedoch die
Feststellung des Senators, daß an neu errichteten Ampeln (lediglich)
eine "Beeinflussung durch die Straßenbahn" stattfindet.
Als Fazit bleibt festzuhalten, daß sich im vorstehenden Abschnitt
"Fazit" der Hinweis "Insofern sind gesunde Skepsis und Mißtrauen
angebracht" schneller bewahrheitet hat, als von uns erwartet bzw.
befürchtet. Solange es einen Verkehrsstaat Sekretär Ingo Schmitt gibt,
wird sich an der straßenbahnfeindlichen Politik des Berliner Senats
wohl auch wenig ändern.
IGEB
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