„Taktlos“, „Einfach nur peinlich“, „Ziemlich
dreist“. Die Kommentare der Berliner und
brandenburger Presse über die Pressekonferenz
von Verkehrsminister Reinhold Dellmann
waren einheitlich vernichtend. Was
war geschehen?
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Dellmann-Konzept für 2011: oranger Strich = stündlich ein Regionalzug, grüner Strich = alle 20 Minuten eine S-Bahn, gestrichelt = zusätzlicher stündlicher FEX für 20-Minuten-Takt gem. Forderung von Wowereit und Flughafengesellschaft. Grafik: Holger Mertens |
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Der Minister hatte das Bahnkonzept vorgestellt,
das zur für 2011 geplanten BBI-Eröffnung
gefahren werden soll (siehe Grafik).
Es ist ein Notkonzept, weil 2011 weder die
Dresdener Bahn zwischen Berlin Südkreuz
und Berliner Außenring noch die Ostanbindung
vom neuen Flughafenbahnhof „BBI
Terminal“ zur Görlitzer Bahn zur Verfügung
stehen werden.
Dellmanns Präsentation verdient durchaus
Respekt. Bereits Weihnachten 2007
hatte sich der Minister zum Verkünder unbequemer
Wahrheiten gemacht, als er als
Erster offiziell eingestand, dass die Dresdener
Bahn erheblich später fertig wird.
Kritisiert wurde Dellmann auch nicht für seine
Präsentation, sondern für das Schönreden
einer schlechten Schienenanbindung und
für seinen Fatalismus. Ein Flughafen-Express
(FEX) im 30-Minuten-Takt und eine S-Bahn im
10-Minuten-Takt, beide direkt ab BBI Terminal,
seien doch ein gutes Angebot und im Übrigen
auch deshalb ausreichend, weil der Anteil
der Schiene bei Fluggästen, Beschäftigten
und Flughafenbesuchern zunächst ohnehin
nur bei 25 Prozent liegen werde – wegen der
guten Straßenanbindung.
Das war ein Schlag gegen Berlins Regierenden
Bürgermeister Klaus Wowereit, der
gerade für den FEX einen 20-Minuten-Takt
bereits ab 2011 gefordert hatte, und einer
gegen die Flughafengesellschaft, die einen
Schienenanteil von 40 bis 50 Prozent anstrebt,
was auch Grundlage für alle Planfeststellungsverfahren
war.
Warum tat Minister Dellmann das? Ihn
treibt die berechtigte Sorge um, dass der
FEX Trassen belegt und Finanzen bindet –
mit negativen Auswirkungen auf das reguläre
SPNV-Angebot Brandenburgs.
Die Idee vom eigenwirtschaftlichen FEX
mit einem Fahrpreis um 10 Euro ist selbst
bei einer künftig geradlinigen Fahrt im
15-Minuten-Takt über die Dresdener Bahn
unrealistisch und bei der zunächst erforderlichen
Umwegfahrt im 30-Minten-Takt
über die Anhalter Bahn ausgeschlossen. Der
FEX muss also von Berlin
und Brandenburg bestellt
und zum VBB-Tarif
gefahren werden. Ein
20-Minuten-Takt ist hierbei
natürlich teurer, als
ein 30-Minuten-Takt.
Außerdem hätte die
Taktverdichtung Auswirkungen
auf das RE-Angebot.
Weil die Streckenkapazität
nicht reicht,
müsste der RE 3 weichen,
der vom Berliner Hauptbahnhof
über Anhalter
Bahn, Außenring und
Dresdener Bahn nach
Elsterwerda fährt. Die
RE-Verbindungen aus allen
Teilen Brandenburgs
auf möglichst kurzem
Weg nach Berlin haben
für das Land jedoch einen
verkehrs- und wirtschaftspolitisch hohen
Stellenwert. Das zeigt sich auch an der
brandenburgischen Ablehnung der Berliner
Planung, den RE 2 von Cottbus künftig nicht
mehr über Karlshorst auf die Berliner Stadtbahn,
sondern über BBI Terminal in den Tiergartentunnel
zu führen.
Die IGEB-Position
Der Berliner Fahrgastverband IGEB teilt die
Auffassung Wowereits und der Flughafengesellschaft,
dass ein fahrgastfreundlicher FEX
mindestens im 20-Minuten-Takt verkehren
muss. Für die Fahrt ins Berliner Zentrum ist
die S-Bahn mit der falsch trassierten Neubaustrecke
und dem Umweg über Schöneweide—
Treptower Park keine Alternative.
Unterstützung verdient aber auch die
Dellmann-Position, dass der FEX keine anderen
Linien verdrängen darf.
Das in SIGNAL 5/2007 vorgestellte IGEBKonzept
basiert im Wesentlichen darauf,
dass ohne nennenswerten Infrastrukturausbau
vorhandene und geplante SPNV-Angebote
so verknüpft werden, dass der Flughafen-
Express kein isolierter Pendelverkehr
Berlin Hbf—BBI Terminal ist, sondern durch
Integration in das Regionalverkehrsnetz
vielen Brandenburgern Direktverbindungen
zum BBI bietet und für Berlin das Defizit
der unzureichenden Nord-Süd-Anbindung
des Hauptbahnhofs in überschaubarer Zeit
beseitigt.
Dieses Konzept hält die IGEB unverändert
für das fahrgastfreundlichste, doch es setzt
die Fertigstellung der Dresdener Bahn voraus.
Da immer deutlicher wird, dass diese für
viele Jahre noch nicht zur Verfügung stehen
wird, muss der FEX entsprechend lange über
die Anhalter Bahn verkehren. Damit das im
20-Minuten-Takt, aber ohne Verdrängung
anderer Züge möglich ist, muss eine neue
Verbindungskurve zwischen Anhalter Bahn
und Berliner Außenring gebaut werden.
Genshagener Nordostkurve
Um die Leistungsfähigkeit der Verbindungskurve
bei Genshagen zu erhöhen, schlägt die
IGEB vor, hier zusätzlich für den Flughafen-
Express eine kurze
Nordostkurve eingleisig
neu zu bauen. Die ca. 1,5 km lange Kurve
inklusive der entsprechenden Weichenverbindungen
und signaltechnischen Anpassungen
erfordert eine Investition von 25 bis
50 Millionen Euro. Die Fahrstrecke verkürzt
sich um ca. 4,5 km und kann zudem schneller
befahren werden (120 km/h), so dass
Betriebskosten gespart und die Fahrzeit des
FEX unter eine halbe Stunde gesenkt werden
können.
Zusätzlich muss in die Zugsicherungstechnik
auf dem zweigleisigen Außenringabschnitt
Genshagener Heide—Glasower
Damm investiert werden, um die Trassenkapazität
zu erhöhen.
Der Bund hat diesen Ausbau bisher strikt
abgelehnt, da es eine „verlorene Investition“
sei, denn wenn die Dresdener Bahn
fertig sei, werde diese Kurve nicht mehr
benötigt. Dem ist entgegenzuhalten, dass
zum einen noch nicht absehbar ist, wann
die Dresdener Bahn zur Verfügung steht
und zum anderen viel eher von einer verlorenen
Investition gesprochen werden muss,
wenn eine 636-Millionen-Euro-Investition
über Jahre nicht annähernd ausgelastet
werden kann.
Sollte sich der Bund dennoch verweigern,
sollten die Länder Berlin und Brandenburg
diese Verbindung finanzieren, denn zum einen
sparen sie durch die Streckenverkürzung
Bestellkosten und zum anderen fördern sie
die Entwicklung des Großprojektes BBI, das
immerhin über 2 Milliarden Euro kostet und
viele tausend Arbeitsplätze sichern soll. Vor
diesem Hintergrund und angesichts der hohen
Ausgaben für die Straßenanbindungen
scheinen die Kosten für die Nordostkurve
bei Genshagen vertretbar. Berliner Fahrgastverband IGEB
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